Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel VfB Stuttgart II – TSV 1860 München. Die nach sieben Jahren Absenz wieder in die dritte Liga aufgestiegenen Schwaben treffen in deren neuer Heimstätte in Großaspach auf unsere Löwen.

VfB Stuttgart II – TSV 1860 München, wenn da nur nicht die Zwei hinter dem Vereinsnamen der Gastgeber stünde, dann wäre das ein Klassiker der Bundesligageschichte. Die Realität sieht bei diesem Spiel allerdings eine extrem talentierten und technisch überaus versierten Nachwuchskader aus der schwäbischen Landeshauptstadt.

Dieser 35 Mann starke Kader, zu dem unter auch anderem Ex-Löwe Michael Glück zählt, wird in dieser Saison möglicherweise noch für die ein oder andere Überraschung sorgen. Wobei man auch sagen muss: „Was soll einen in dieser Liga noch überraschen?“ Drei Aufsteiger haben in den letzten zwei Jahren den Durchmarsch geschafft.

System

Am letzten Wochenende beim 1:1 gegen Hansa Rostock – und auch in fast jedem Spiel der vergangenen Saison – spielten die Schwaben im 3-4-3 (3-4-2-1). Es ist also davon auszugehen, dass Trainer Markus Fiedler, der seit 2015 in Stuttgart beschäftigt ist, dieses System auch am Sonntag wählen wird.

Gegen den Ball verschiebt Stuttgart im letzten Drittel auf ein flaches 5-4-1. Dabei kann ballfern eine Asymmetrie entstehen. Optisch kann das dann wie ein horizontal verschobenes 4-5-1 wirken.

Linien

Die Pressing- und Defensivlinie stehen in Erwartung eines gegnerischen Positionsangriffs tendenziell hoch.

Bevor wir einen etwas genaueren Blick auf das Stuttgarter Spiel und auf die Erkenntnisse aus dem ersten Spiel blicken, gibt es diesmal keine Stats des Gegners vom ersten Spieltag. Es wurden zum Spiel Rostock – Stuttgart II bisher leider keine Daten geliefert, daher beziehe ich mich auf die, der vergangenen Saison.

Statistische Werte des VfB II in der Vorsaison

  • Ballbesitz 56%
  • Passgenauigkeit 85%
  • defensive Zweikampfquote 60%
  • Flankengenauigkeit 31%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 9,94

Wie spielen die Stuttgarter?

Bei Ballbesitz

Der Aufbau im Positionsspiel verläuft beim VFB II variabel, dort, wo der Gegner eine Lücke lässt, finden die Schwaben einen Weg diese auszunutzen. Viel Bewegung im Mittelfeld sichert im schnellen Kombinationsspiel, das die Stuttgarter spätestens nach Überqueren der Mittellinie ins Zentrum zu tragen versuchen, immer gute Anspielstationen. Kein Spieler der Stuttgarter hält im Mittelfeld den Ball lange. Von one-touch football zu sprechen wäre übertrieben, aber two to three touches kommt hin. Die quirligen Stuttgarter können den Weg vom eigenen Strafraum ins letzte Drittel des Gegners mit dieser Spielweise extrem schnell überbrücken.

Sind die Schwaben im letzten Drittel des Gegners angekommen, wird der Weg in die Box gerne über die Halbräume gesucht.

Schafft es der Gegner die Württemberger im letzten Drittel auf den Flügel zu zwingen, versuchen die Stuttgarter über enges Kombinationsspiel zunächst horizontal wieder in die Zentrale oder Halbzentrale zu gelangen, um von dort dann in den Strafraum einzudringen. Wenn bei extremer Verdichtung der Defensive auf dem ballnahen Flügel keine spielerische Lösung möglich ist, befreit sich der VfB aus diesen Situationen mit genauen Flankenwechseln, deren Aufnahme oft durch einen bereits mit Tempo anlaufenden Spieler aus der Tiefe erfolgt. Hier ist extreme Vorsicht geboten. So ein Lauf kann eine Dynamik entwickeln, die, gepaart mit dem technischen Können der Stuttgarter Jungprofis, extrem gefährlich werden kann.

Im offensiven Umschaltspiel versuchen die Stuttgarter, sofern der Ball im Mittelfeld oder auch tiefer in der gegnerischen Hälfte erobert wird, wie im Positionsspiel schnell das Zentrum zu finden. Bei Balleroberung außerhalb der pressingrelevanten Räume vertraut der VfB gerne auch dem Sicherheitsgedanken. Dann wird, vor allem bei unübersichtlichen Situationen, eher kontrolliert über die Abwehrkette aufgebaut.

Gegen den Ball

Gegen das Positionsspiel des Gegners formierte sich beim Spiel gegen den FC Hansa Rostock ein 1-3 Formation. Mit einem Stürmer, der den Ball anläuft, bzw. die Passwege zuläuft, und drei in der Zentrale und den Halbräumen dahinter formierten Spieler, die horizontal verschieben und ballfern auf dem dann entblößten Flügel, wenn nötig, aus der eigenen Tiefe unterstützt werden.

Überspielt der Gegner diese Pressingformation, formiert sich am eigenen Strafraum ein 5-4-1, das – wie oben bereits erwähnt – aufgrund einer möglichen Asymmetrie wie ein 4-5-1 wirken kann.

Mit enger Staffelung und nicht gerade zimperlich verteidigen die Nachwuchsspieler des VFB Stuttgarter ihren Strafraum.

Stärken und Schwächen des Systems 3-4-3

Stärken

Das 3-4-3 bietet mit seiner exzellenten Tiefenstaffelung im Zusammenspiel mit taktischer Disziplin im Positionsspiel sehr variantenreiche Spielzüge im Aufbau. Gerade für spielstarke Teams ist dieses System daher eine wahnsinnig effektive Waffe. Angriffspressing und Gegenpressing können mit der Überzahl an Offensivspielern gut umgesetzt werden. Diese Überzahl verhilft der Mannschaft im 3-4-3 auch im letzten Drittel zu hoher Variabilität.

Schwächen

Die Dreierabwehrkette muss situativ immer wieder aus dem Mittelfeld heraus verstärkt werden, wenn der Gegner sich aus dem Pressing befreien kann. Das 3-4-3 stellt hohe Anforderungen an die individuelle Stärke der Spieler, sowohl mit als auch gegen den Ball. Wenn die Spieler ihre Rollen im taktischen Konzept nicht einhalten, kann das Spiel im 3-4-3 leicht zum Debakel werden. Außerdem ist es sehr konteranfällig.

Wie kann man den VfB II knacken?

Das klingt jetzt vielleicht wie eine Binsenweisheit, aber gegen den VfB braucht es vor allem eines: Bewegung. Mit statischem Spiel wird der TSV 1860 dem VfB Stuttgart II einen Gefallen tun. Ebenso wichtig ist schnelles Umschalten, bzw. Aufbauen, wenn man selbst in Ballbesitz kommt.

Wenn das funktioniert, kann man die in der Offensive oft stark überladenden Stuttgarter durchaus in die Bredouille bringen. Vor allem zwischen den Linien muss man dann in die Räume kommen, die Stuttgart beim Rückzug öffnet.

Schlüsselspieler

In puncto Schlüsselspieler tue ich mir heute tatsächlich etwas schwer. Es haben sechs Spieler des Stuttgarter U21 Kaders den Ligaauftakt verpasst, da sie mit der ersten Mannschaft des VfB auf Japantour waren.

Tor

Keeper Dennis Seimen (#1) hat in Rostock ein gutes Spiel gezeigt. Bezwingen konnten ihn die Hanseaten nur per Foulelfmeter. Der reflexstarke 18-Jährige hütet nicht nur das Tor des VfB II, sondern auch das der deutschen U19 Nationalmannschaft. Seimen ist trotz seines jungen Alters ein sehr kompetenter Torwart. Er wird ein weiterer Prüfstein für die Löwen Offensive sein.

Abwehr

Innenverteidiger Dominik Nothnagel (#29) ist Kapitän und einer der vier erfahrenen Spieler in der Nachwuchself. Er hat bereits 58 Drittligapartien für Dortmund, Würzburg und Wiesbaden absolviert. In diesen Spielen bewies Nothnagel ein dominantes und erfolgreiches Auftreten im direkten Zweikampf und ein kontrolliertes Stellungsspiel. Die letzten sechs Jahre verbrachte Nothnagel allerdings in der Regionalliga Südwest, aus der er nun mit Stuttgart aufgestiegen ist.

Mittelfeld

Da der aus Verl gewechselte Nicolas Sessa verletzt ausfällt und sechs Spieler, die sich mit der ersten Mannschaft auf Japanreise befanden, seit letztem Spieltag zu integrieren sind, kann ich im Mittelfeld leider keinen Spieler nennen, der Titel diesen wirklich verdient.

Sturm

Ebenso ist im Sturm personal technisch vieles denkbar. Thomas Kastanaras, der letztes Jahr bei Ulm gespielt hat, ist zwar mit Drittligaerfahrung ausgestattet, bekam aber wenig Einsatzzeit und nur drei Startelfeinsätze bei den Spatzen. Der Mittelstürmer war allerdings mit der ersten Mannschaft in Japan und zählt bestimmt zu den Kandidaten für die Startelf am Sonntag.

Fazit

Abgesehen von den Eindrücken aus dem Rostock Spiel, in dem der Aufsteiger dem Absteiger einen Punkt abrang und der Tatsache, dass viele wichtige Spieler in diesem Spiel gefehlt haben, wissen wir über Stuttgart II vor dem Duell mit unserem TSV 1860 nicht viel.

Geht man davon aus, dass beim VfB – wie bei allen anderen Vereinen auch – nur die besten aus den Jugendmannschaften mit der ersten Mannschaft trainieren, kann man davon ausgehen, dass Stuttgart am Sonntag noch stärker auftritt als am vergangenen Wochenende.

Wir können also gespannt sein. Aufgrund der leider nicht verfügbaren Statistiken ist die heutige Taktiktafel vor dem Spiel etwas kurz gerate. Es liegt zwar außerhalb meines Einflussbereichs, dennoch entschuldige ich mich für die fehlenden aktuellen Statistiken.

So könnte der VfB beginnen

Datenquelle: Wyscout

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