Ein Herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 München gegen die SG Dynamo Dresden. Der Tabellendritte ist zu Gast im Sechzgerstadion. Was erwartet die Löwen auf dem Platz?

In das Duell TSV 1860 – Dynamo Dresden gehen die Gäste als klarer Favorit. Aufgrund der Leistungsdichte in der dritten Liga ist für Underdogs gegen Favoriten immer eine Überraschung möglich.

Seit dem Saisonstart ist Thomas Stamm, der zuvor Freiburgs Nachwuchself trainierte, Cheftrainer bei der SGD. Mit neunzehn Ab- und siebzehn Zugängen, hat Dresden, wie viele andere Vereine, im Sommer einen deutlichen Umbruch im Kader erlebt.

Auf vier Langzeitverletzte und den rotgesperrten Bogdanov muss Trainer Stamm verzichten. Trotzdem wird Dynamo mit einer extrem schlagkräftigen Truppe in Giesing auflaufen.

Thomas Stamm schickte seine Mannschaft bisher immer im 3-5-2 (3-4-1-2), das gegen den Ball auf 5-3-2 bzw. 5-4-1 verschoben wird, aufs Feld. Bis auf das Auswärtsspiel in Aue wurde Dynamo dafür auch immer mit einem Sieg belohnt. Selbst für Zweitligist Fortuna Düsseldorf war gegen überlegene Sachsen im Pokal nichts zu holen.

Die Wahl, wo die Dynamos gegen die Positionsangriffe ihrer Gegner die Pressing- bzw. Defensivlinie aufstellen, ist extrem variabel und von mehreren Faktoren abhängig. Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Dresden, unabhängig davon, wie die Linienwahl sich gestaltet, bisher in allen Spielen zu Beginn sehr aktiv und konsequent im Pressing und speziell im Gegenpressing agiert hat.

Bevor wir uns Spielweise der SGD genauer ansehen hier die statistischen Werte der Gäste bisher.

Statistische Werte der SGD

  • Ballbesitz 59% (2.)
  • Passgenauigkeit 83% (3.)
  • defensive Zweikampfquote 68% (3.)
  • Flankengenauigkeit 32%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 6,96 (2.)

Wie spielen die Dresdener?

Offensiv

Positionsspiel

Bei eigenem Ballbesitz hat Dresden es im Positionsspiel selten eilig die Angriffe nach vorne zu tragen. Mit langen kontrolliert vorgetragenen Passstafetten und im richtigen Moment dann blitzartig ausgeführten vertikalen Aktionen versucht die SGD zum Erfolg zu kommen. Obwohl die Positionsangriffe natürlich eine gewisse Gefahr ausstrahlen, entsteht das größte Gefahrenpotential für das gegnerische Tor über Umschaltmomente der Dresdener.

Die gut gestaffelt vorgetragenen Positionsangriffe begünstigen solche Aktionen der Sachsen ungemein. Die versetzte und im ballnahen Rückraum oft verdichtete Reihung der Linien begünstigt solche Momente. Dominanz im Gegenpressing und im Umschaltspiel kommt also zusätzlich zum generell balldominanten Auftreten der Dresdener hinzu. Einzig die Präzision dabei lässt etwas zu wünschen übrig. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und so kommt Dresden bisher in allen Spielen über solchen Aktionen sehr häufig zu extrem gefährlichen Angriffen.

Auch aus Standards, speziell aus Eckstößen, kreieren die Dynamos viel Gefahr. Aus etwa jeder zweiten Ecke resultiert ein direkter Abschlussversuch der Sachsen.

Aufbau

Der Aufbau im Positionsspiel der Dresdener läuft, wie sehr viele Dinge im Spiel der Dresdener, extrem variabel. Mit einem vorgeschobenen zentralen Innenverteidiger auf gleicher Höhe agierenden Mittelfeldaußen baut Dynamo das Spiel aus deren defensiver Grundordnung zunächst über eine 2-3 Formation kontrolliert und ohne Hast auf. Kein Moment in den Frühphasen des Dresdener Positionsspiel wirkt hektisch oder unüberlegt.

Bisher hatten die Dresdener selten Probleme sich aus dem Pressing der gegnerischen Teams freizuspielen. Dabei ist die Art und Weise des Anlaufverhaltens der Gegner für Dynamo nicht relevant. Dresden dringt mit der Mehrheit der Positionsangriffe nicht nur in die gegnerische Hälfte, sondern bis ins letzte Drittel des Gegners vor.

Geduldige Vorbereitung

Die langen Passstafetten während der Vorbereitung der Dresdener Positionsangriffe mögen etwas planlos und zäh wirken. Zumindest was die Planlosigkeit betrifft, ist man hier allerdings auf dem Holzweg. Kommt der auslösende Moment während eines Positionsangriffs, entwickelt Dynamo eine eine hohe vertikale Dynamik im Spiel. Dann ist es auch mit der Zähigkeit vorbei.

Der tiefe Pass aus unterschiedlichsten Positionen auf auf die Halbposition an die Grenze zum letzten Drittel bzw. knapp dahinter leitet meist die Vorbereitung der Strafraumpenetration ein. Aus diesen Situationen sollen, sowohl über Einzelaktionen, als auch über Kombinationsspiel, tiefe Läufe mit flachen Flanken von den Randbereichen des Sechzehners entstehen.

Bei Ballverlust im letzten Drittel gehen die Dresdener meist sofort aggressiv und dadurch erfolgreich ins Gegenpressing. Bei den daraus häufig resultierenden Umschaltmomenten setzen die Sachsen dann auf Geschwindigkeit. Allerdings spielt Dresden nicht jeden dieser Momente auf biegen und brechen zu Ende.

Ballsicherung

Speziell bei eigener Führung aber auch in diversen anderen Situationen, ziehen Thomas Stamms Spieler es lieber vor den Ball zu sichern als möglicherweise selbst Opfer einer Umschaltaktion zu werden. Das ist allerdings eher die Ausnahme als die Regel. Dresden sucht und findet Wege zum Abschluss. Mit sechzehn Schüssen pro Spiel im Schnitt bisher liegt die Abschlussquote der 33% über dem Ligadurchschnitt und das bei einer Schussgenauigkeit von guten 40%.

Gegen den Ball

Gegen das Positionsspiel der Kontrahenten agiert Dresden im Pressing mit einer 2-3 bzw. 3-2 Formation. Das ist abhängig von der Staffelung des Gegners bei dessen Aufbau. Die Dynamos attackieren ihre Gegner dabei äußerst aktiv und aggressiv. Bisher haben sie sich so den zweithöchsten Schnitt in der Pressingintensität und die drittbeste Quote sowohl bei den defensiven Zweikämpfen als auch bei der Intensität derselben erarbeitet.

Genauso bissig und giftig wie gegen Positionsangriffe geht Dresden auch gegen das Umschaltspiel seiner Gegner vor. Im Gegenpressing nerven die zweikampffreudigen Sachsen ballnah mit gleich hoher Intensität und Aggressivität wie im Positionsspiel, während der Rest der Mannschaft sich diszipliniert wieder zur Abwehrformation zusammenfindet.

Stärken und Schwächen des Systems 3-5-2

Stärken

Das System ermöglicht bei Ballbesitz eine gute Staffelung in der Breite und Tiefe, dadurch kann eine für Passkombinationen gute Raumaufteilung entstehen.

Zwei Stürmer in der Spitze bringen starke Präsenz im Zentrum des gegnerischen Abwehrdrittels. Durch ein kompaktes Mittelfeldzentrum lässt man dem Gegner gegen den Ball wenig Raum.

Schwächen

Es ergeben sich bei Ballverlust teilweise weite Abstände, die der Gegner bei schnellem Spiel gut ausnutzen kann.

Die für die Flügelspieler langen Laufwege können, in einem dynamischen Spiel mit viel Ballbesitzwechsel, zu verfrühtem Kraftverlust der Außenspieler und damit zum erlahmen des Drucks, der über die Flügel aufgebaut werden soll, führen.

Die Flügel sind nur einfach besetzt, deshalb können entweder Defensive oder Offensive dort schwächeln.

Gegen Systeme, in denen mit zwei oder mehr Stürmern agiert wird, kann es bei Kontern des Gegners oder zügigen Positionsangriffen leicht zu einer Unterzahl in der Hintermannschaft kommen.

Wie kann man Dynamo knacken?

Dass Dresden als Favorit nach München reist ist klar, aber wie kann man Dresden möglicherweise doch ein Bein stellen?

Allem voran muss natürlich die Einstellung stimmen. Zeigt die Mannschaft des TSV 1860 München gegen Dynamo Dresden ein ähnliches Gesicht wie im Auswärtsspiel beim FCI, ist alles möglich.

Mit welchem Rezept geht man da am besten zu Werke? Der Gegner möchte selbst dominant und spielbestimmend sein. Lässt man das zu und setzt auf eigenes Umschaltspiel und Konter oder versucht man selbst Balldominanz zu erlangen und Dresden so aus dem Konzept zu bringen?

Von dem ausgehend was die Löwen bisher in den guten Phasen ihrer Spiele gezeigt haben kann man beide Ansätze als realistisch und möglich einschätzen.

Die Frage ist jedoch: Möchte man einer so starken Mannschaft wie Dynamo Dresden wirklich den Ball überlassen und Fehlervermeidung in der eigenen Defensive zur obersten Maxime für dieses Spiel erklären, um dann mit Nadelstichen zum Erfolg zu kommen?

Für mich ist die Antwort auf diese Frage ein klares Nein. Unsere Sechzger dürfen sich gegen Dynamo auf keinen Fall in den reaktiven Modus drängen lassen. Der Fokus der Löwen muss meiner Meinung nach darauf liegen selbst in jeder Lage aktiv zu sein und Dresden ein Spiel aufzwingen, das die Gäste so nicht wollen. Mit hohem Pressingdruck und extremer defensiver Intensität muss Dresden, meiner Meinung nach, permanent gestresst werden sobald sie in Ballbesitz sind. Nachhaltige lange Ballbesitzphasen für Dresden müssen verhindert werden.

Bei eigenem Ballbesitz ist, um gegen die Sachsen erfolgreich zu sein, vor allem das Tempo des jeweiligen Angriffs entscheidend. Im Positionsspiel wird es für unseren TSV 1860 München gegen Dynamo Dresden besonders darauf ankommen das Tempo nicht zu verschleppen.

Schlüsselspieler

Tor

Tim Schreiber (#1), der in den drei vergangenen Saisons Leihweise zunächst beim Halleschen FC, dann bei Holstein Kiel und zu guter Letzt dem 1.FC Saarbrücken im Kasten stand, kam vom Brausekonzern aus Leipzig für 150.000,- € nach Dresden. Vergleicht man Ablöse und Marktwert (500.000,- €), so hat Dresden ein gutes Geschäft gemacht.

Der 22-jährige Torhüter ist reflexstark, hält mehr Bälle als er statistisch gesehen halten müsste. Seine Strafraumbeherrschung ist exzellent. Im Eins-gegen-Eins hat er, wie viele junge Keeper, noch leichte Schwächen beim Timing und der Antizipation dessen, was der Schütze macht.

Abwehr

Lars Bünning (#23) im Zentrum der Dreierkette der Dresdener organisiert die letzte Reihe der Defensive. Seine Karrierewerte in den für seine Position wichtigen statistischen Kategorien sind überdurchschnittlich gut. Er gewinnt 64% seiner defensiven Zweikämpfe, verfügt über exzellentes Stellungsspiel und hat als zentraler Innenverteidiger auch häufig Anteile an der Spieleröffnung. Im Aufbau spielt er häufig vor der eigentlichen Abwehrkette zwischen den Linien.

Mittelfeld

Niklas Hauptmann (#27), der auf der Doppelsechs, neben dem tiefen Sechser Vinko Sapina (#5), der aus Essen kam, den offensiveren Part übernimmt ist das strategische Herz des Dresdener Offensivspiels. Als zurückgezogener Spielmacher ist er meist der Spieler der den Angriffen der Dresdener die Richtung vorgibt. Im Positionsspiel hat er bei nahezu jedem Angriff, der über einer der Zentralen oder Halbzentralen Positionen läuft einen oder mehrere entscheidende Ballkontakte. Mit Ballsicherheit, Übersicht und Passgenauigkeit lenkt er das Dresdener Spiel nach vorn.

Auch gegen den Ball ist er, vor allem in der gegnerischen Spielfeldhälfte, sehr aktiv und erfolgreich. 51% seiner Balleroberungen gelingen ihm vor der Mittelline.

Sturm

Lediglich einmal von Beginn an eingesetzt ist der Dresdener Kapitän Stefan Kutschke (#30), trotz bereits zweier Treffer wohl nicht mehr der Schlüsselspieler im Sturm. Christoph Daferner (#33), nach wie vor vom 1.FC Nürnberg nach Dresden verliehen, hat ebenfalls bereits zwei Treffer auf dem Konto, und Oliver Batista Meier (#7), der vergangene Saison von Dresden zunächst nach Verl wo er es auf neun Tore und elf Vorlagen brachte, dann nach Zürich, wo die Scorerpunkte gänzlich ausblieben, verliehen worden war, kommen nun beide für dieses Prädikat in Betracht.

Beide haben exzellente offensive Qualitäten. Schussgenauigkeit, Ballkontrolle sowie Übersicht und Passgenauigkeit sind bei beiden gut ausgeprägt. Batista Meier, der eigentlich ein offensiver Mittelfeldspieler ist, sticht dabei was die statistischen Werte angeht Daferner aus. Dennoch sind beide Spieler überdurchschnittlich gut und als Schlüsselspieler im Sturm zu sehen.

Fazit

Alles kann, nichts muss. Ich versuche mich auch heute im Fazit wieder kurz zu fassen und diese vier Worte beschreiben wohl am Besten mit welcher Erwartungshaltung man am Samstag ins Stadion gehen sollte.

Ich hoffe auf einen Punkt wünsche mir natürlich drei, aber egal wie das Spiel ausgeht, ich will da Feuer und die Leidenschaft vom Auswärtsspiel des TSV 1860 München in Ingolstadt am Samstag gegen Dynamo Dresden genau so, oder noch intensiver, sehen.

Wenn die Löwen mit der gleichen Einstellung wie in der Audistadt zu Werke gehen, kann man ihnen jedwedes positive Ergebnis zutrauen.

Wie immer gilt: solange alle „Löwentugenden“ auf den Platz geworfen werden, ist das Ergebnis für mich nicht die allein entscheidende Größe.

So könnte Dresden beginnen

Datenquelle: Wyscout

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Rainer

Deine Worte in Gottes Ohr. Wir werden ja dann Morgen erfahren wie es gelaufen ist, und vom Ergebnis her ausgegangen ist für 1860. Ich selbst schließe mich dir an. Das 1 Zähler schon sehr viel wert wäre für Löwen. Bei 3 bin ich sehr skeptisch bzw. sehe ich als nicht realistisch an. Das wäre einfach zuviel des guten meiner Meinung nach. Aber trotzdem vielen Dank für deine Analyse des Gegners und natürlich der Löwen. Wie immer sehr interessant. Auch wenn sich mir nicht alles erschließt. Da ich nicht so ein Taktik Fuchs bin wie du Bernd! Vielen Dank!