Heute vor 34 Jahren war ein großer Tag in der Geschichte des TSV 1860 München. Dabei gelang es den Löwen damals lediglich, die drittklassige Bayernliga (offiziell: “Amateur-Oberliga Bayern”) nach schier endlosen neun Jahren endlich wieder zu verlassen. Manch ein Berichterstatter oder Blogger von heute hätte sich wahrscheinlich an jenem 16. Juni nur ganz zurückhaltend gefreut, schließlich lagen zu diesem Zeitpunkt die glorreichen 1960er-Jahre mit Pokalsieg, Meisterschaft und Europacupfinale noch keine dreißig Jahre zurück und der Anspruch von Münchens Großer Liebe muß – glaubt man diesen Leuten – schließlich jederzeit ein ganz anderer sein, als ein Aufstieg von einer unterklassigen in die nächsthöhere Liga. Aber damals war – zum Glück – noch vieles anders und insbesondere das Internet und die sogenannten sozialen Medien lagen noch in weiter Ferne.

Über Neunkirchen, Pforzheim & Kassel in Liga zwei

So freuten sich an diesem Sonntag Mitte Juni bei ganztägig strömendem Regen rund 30.000 Löwenfans auf Giesings Höhen und nur ein paar wenige weniger am späten Nachmittag auf dem Marienplatz über die Rückkehr des TSV 1860 in den bezahlten Fußball. Der Verfasser dieser Zeilen hatte – damals 16jährig – in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga seine ersten Löwenspiele außerhalb der bayerischen Landesgrenzen in Neunkirchen, Pforzheim und Kassel besucht und freute sich nach dem finalen Abpfiff schon sehr auf das erste echte Profispiel seines Lieblingsvereins. Dieses sollte dann Ende Juli im Freiburger Dreisamstadion stattfinden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Löwen in der Bayernliga souverän

Was war zuvor geschehen? Ziemlich souverän hatte das Team von Karsten Wettberg, das seit dessen Amtsantritt im Februar 1990 schon fast eineinhalb Jahre kein Pflichtspiel mehr verloren hatte, die Meisterschaft in der Bayernliga gewonnen. Da man als Meister der Oberliga aber damals keineswegs automatisch aufstieg, musste man sich durch eine Aufstiegsrunde mit sechs Partien gegen die Meister der drei anderen südlichen Oberligen durchsetzen. Und da just im Herbst zuvor Deutschland wiedervereinigt worden war und auch der deutsche Fußball in diesem Sommer fusioniert werden sollte, war nur ein einziger Platz aus dieser Aufstiegsrunde in der 2. Liga 1991/92 reserviert.

Zunächst enttäuschende Aufstiegsrunde…

Die Löwen starteten mit einem durchaus zufriedenstellenden 1:1 in Neunkirchen in das Abenteuer. Es folgten zwei enttäuschende Unentschieden gegen den 1. FC Pforzheim und Hessen Kassel auf Giesings Höhen. Der Aufstieg schien in weite Ferne gerückt. Doch mit einem 4:1-Sieg beim Verteter aus Baden Württemberg und dem legendären 2:0 in Kassel an einem Mittwoch Abend (viele der tausenden mitgereisten Löwenfans sprechen von diesem Abend als dem besten, was sie jemals mit 1860 erleben durften), konnte man im abschließenden Heimspiel gegen Borussia Neunkirchen alles klar machen.

…und der finale Jubel

Und so kam es dann auch. Mit dem – unabhängig vom Ergebnis des Parallspiels in Pforzheim – ausreichenden Punkt gegen die Gäste aus dem Saarland wollten sich Walter Hainer und Co. nicht zufrieden geben. Man setze auf Sieg! Nach einer knappen Viertelstunde ließ Horst Schmidbauer Giesing erstmals beben, als er vor der Ostkurve das 1:0 markierte. Unzählige Chancen vergaben die Löwen bis zum erlösenden 2:0, das Roland Kneißl per Elfmeter fünf Minuten vor dem Abpfiff erzielte. Der Anschluss der Gäste ging bereits in den “Nie mehr Bayernliga”-Gesängen unter. Jubel, Trubel, Platzsturm! Sechzig war zurück in der 2. Liga!

Noch viel zu erzählen

So viel mehr könnte man rund um diesen 16. Juni 1991 noch erzählen. Die legendären Worte von Karsten Wettberg auf dem Rathausbalkon: “Sechzig ist nie sportlich abgestiegen, aber sportliche wieder aufgestiegen!”, die mit einem kräftigen “Scheiß DFB!” von den Fans unten auf dem Marienplatz beantwortet wurden. Der Veitstanz von Wettberg auf dem Rasen nach dem 1:0, bei dem ein Regenschirm in seine Einzelteile zerlegt wurde. Die lange Partynacht in zahllosen Kneipen der Landeshauptstadt, die riesige Euphorie, die dieser Aufstieg auslöste. Und natürlich – denn das gehört bei diesem Verein wohl dazu – die in ihrem Verlauf ganz bittere Folgesaison 1991/92 an deren Ende der (diesmal sportliche) Wiederabstieg in die Bayernliga stand.

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Thomas Enn

Diese Aufstiegsrunde ist wahrscheinlich der Grund, warum ich immer noch so an diesem Verein hänge. Da hängen so viel Erinnerungen dran. Auswärts unter er Woche in Kassel war ich offiziell bei meinem Freund Jörn, dessen Vater uns mit dem AUto mitgenommen mitgenommen hat und der während der Fahrt von Herrn Hollweg zu Ewald wurde. Dieser unglaublich gigantische Torjubel in Pforzheim (bis heute nach dem 1:0 vom Riedl der zweitkraqsseste Torjubel, den ich je erlebt habe), der Aufstieg im strömenden Regen, der Wettberg in der Unterhose, der Hausmeister der Schule meiner Mutter, der uns immer Bier mitgebracht hat und danach eine Woche krank geschrieben war.

Vorstopper

Das Tor von Bülow gegen Kiel hat aber auch einen ordentlichen Jubel ausgelöst.

Magic

Auch das Tor von Thomas Riedl im Herbst 1999 war recht gut … ich fand mich danach auf dem Dach einer Verkaufsbude wieder … von wo mich ein Beamter höflich herunterbat… , aber es stimmt, die Aufstiegsrunde 1991 war der Waahnsinn, allein schon das erste Spiel in Neunkirchen.

Vorstopper

Das war schon großartig in Pforzheim und Kassel. Nachdem Spiel in Kassel am nächsten Morgen um sieben Uhr wieder in der Werkstatt gestanden. Mein damaliger Chef( ein Seitenstraßler) hat mich dann zum Mittagessen eingeladen, danach durfte ich heim gehen. Da könnte ich jetzt glatt ein bisschen sentimental werden.

_Flin_

Ein grossartiger Tag. Grad noch Tickets für die Ostkurve bekommen, damals 17 Jahre alt. Beim Klettern über den Zaun zwei Wunden in den Handflächen davon getragen. Die Narben – meine Aufstiegsnarben – hatte ich 15 Jahre und hab mich immer gefreut, wenn ich sie gesehen habe.

Ich habe in meiner ersten Saison als Fan den Abstieg aus der Bundesliga erlebt, danach in der zweiten Saison den Lizententzug, dann 9 Jahre Bayernliga…. Und schliesslich irgendwann nach kurzem Intermezzo in der Bundesliga den langen, langsamen Fall. Erst Rekordzweitligist (Zweitligist mit der längsten Zugehörigkeit zu diesem Zeitpunkt). Jetzt Rekord Drittligist.

Ich kann deswegen diesen ganzen Spinnereien von wegen “heimlicher Bundesligist” oder “1860 gehört in die Bundesliga” nichts abgewinnen. Den Grossteil meines Lebens waren wir woanders. Und Bundesliga ist inzwischen 20 Jahre her.

Und das grösste Elend haben immer die Leute über uns gebracht, die bar jeglicher wirtschaftlicher Vernunft mit der Brechstange Aufstiege ermöglichen wollten.