Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels 1.FC Saarbrücken – TSV 1860 München (2:0). Die Sechzger verlieren hochverdient gegen aufstiegsreife Saarbrücker.

1.FC Saarbrücken – TSV 1860 München – Zielwasser statt Schnaps wäre eine gute Formel für die Sechzger gewesen. Die Schussstatistiken sprechen Bände. Aber der Reihe nach…

Die von Rüdiger Ziehl wie erwartet im 3-1-4-2 auf den Rasen geschickten Saarbrücker hatten nach etwas einer Viertelstunde die Partie voll im Griff. Davor konnte man denken, dass Maurizio Jacobaccis Löwen die Saarbrücker überraschen und möglicherweise doch Punkte aus dem Saarland entführen könnten. Aber leider war die gute Anfangsoffensive nur ein laues Lüftchen, das wieder abebbte anstatt sich zum Sturm zusammenzubrauen.

Es entwickelte sich ein Spiel, bei dem abwartende Saarbrücker über Umschaltmomente und Kontergelegenheiten nach Ballgewinn immer wieder mit hohem Tempo ins letzte Drittel der Sechzger eindrangen. Dort suchten sie schnell und aus vielen Positionen heraus Abschlüsse. Dass nicht noch höherer Schaden angerichtet wurde, ist durchaus etwas glücklich für Sechzig.

Die Sechzger konnten ihrerseits zwar durchaus eine angemessene Anzahl Angriffe bis ins letzte Drittel der Saarbrücker durchbringen. Sowohl beim Eindringen in die Box der Saarbrücker als auch beim Abschluss bzw. schon beim letzten Pass, hatten die Sechzger Probleme, die richtige Entscheidung zu treffen. Nahezu alles, was im letzten Drittel der Saarbrücker ankam, blieb ohne Gefahr für Tor oder Strafraum.

Bevor wir nun in die weitere Analyse starten, wie immer die wichtigsten Statistiken der Partie.

Statistische Werte der Partie 1.FC Saarbrücken – TSV 1860 München

  • Ballbesitz: TSV 1860 61% – 1.FCS 39%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 86% – 1.FCS 79%
  • defensive Zweikampfquote: TSV 1860 75% – 1.FCS 61%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860: 6/0 – 1.FCS 11/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 9,16 – 1.FCS 9,2

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Viel Ballbesitz und damit wenig anfangen können, ist eine Tätigkeit, die die Spieler von Maurizio Jacobacci am Sonntag zur Kunst erhoben haben. Im Normalfall ergibt sich für die Mannschaft mit deutlich mehr Ballbesitz ja meist ein Bild, bei dem es viele Rück- und Querpässe innerhalb der eigenen Defensivreihen gibt. Tja und genau das haben wir hier auch wieder, allerdings mit einer Anzahl an Querpässen, welche diejenige der Rückpässe im Defensivverbund deutlich übersteigt.

Ich hab bei 120 Querpässen der Defensivspieler untereinander aufgehört zu zählen. Warum spielt man Querpässe?

a) Weil einem nichts einfällt

oder

b) Weil sich keiner anbietet

oder

c) Weil der Gegner die Räume so gut zu stellt, dass man keine Passwege findet

Passgenauigkeit

Nachdem die Passgenauigkeit – wie die Ballbesitzquote – auch durch die sogenannten Sicherheitspässe in der Defensive nach oben geschraubt wird, sind die 86% in dieser Kategorie wieder kein Grund, in Jubel auszubrechen.

Allerdings muss man auch sagen, dass wenn die Sechzger dann irgendwann den Angriff nach vorne lancieren konnten, schafften es die Spieler des TSV 1860 auch häufig, bis ins letzte Drittel des 1. FC Saarbrücken einzudringen. Leider war dort dann von offensiver Effektivität nichts zu sehen.

Defensive Zweikampfquote

Hier muss ich nun wirklich loben! Oft ist es ja so, dass die Mannschaft mit dem größeren Ballbesitzanteil logischerweise weniger gegen den Ball arbeiten muss und daraus folgend weniger Zweikämpfe gegen den Ball führt bzw. führen muss.

Die Sechzger haben in Puncto Einsatzwille gegen den Ball am Sonntag sicherlich ein positives Ausrufezeichen gesetzt. Zwei defensive Zweikämpfe gegen den Ball pro Minute gegnerischer Ballbesitz ist ein absoluter Topwert, wenn man daneben die Intensität der Zweikampfführung im Schnitt betrachtet.

Schüsse/aufs Tor

Sechs Schüsse, davon keiner aufs Tor: Was soll man da noch analysieren? Kreieren und Verwerten von Chancen ist das, worum es im Fußball geht. Hier haben sich unsere Löwen am Samstag leider eine glatte Sechs verdient.

Dass die einzige Aktion, die man überhaupt vielleicht gefährlich nennen könnte, Belkahias Schuss in der 87. Minute war, setzt dem offensiven Offenbarungseid noch die Krone auf.

PPDA

Ein durchschnittlicher Wert für beide Teams. Allerdings muss man deutlich sagen, dass der TSV 1860 München speziell in der zweiten Halbzeit sehr gute Phasen hatte, was das Unterbinden und das Stören des Saarbrücker Positionsspiels betrifft. In der ersten Halbzeit war davon allerdings leider kaum etwas zu sehen.

Die Tore

Die Tore und andere Highlights könnt ihr hier noch einmal ansehen.

Genauer eingehen werden wir auf das spielentscheidende erste Tor.

Bei einem Angriff, der zunächst über die linke Saarbrücker Seite in die Hälfte der Sechzger gebracht wird, ist die komplette Abwehrkette der Sechzger so dermaßen aus der Position gezogen, dass der rechte Flügelspieler der Saarbrücker – Rizutto – von Rabihic mutterseelenallein, über die rechte Halbposition in die Box einlaufend, angespielt werden kann.

Verlaat ohne Gegenspieler müsste eigentlich bei Julian Günther-Schmid, dem späteren Torschützen, positioniert sein. Lannert, in dieser Situation bei Günther-Schmid, kann also gar nicht auf Rizutto reagieren.

Als Lannert bemerkt, dass eigentlich er für Rizutto zuständig wäre, ist es schon zu spät. Günther-Schmid entkommt in Lannerts Rücken. Verlaat geistert ohne Auftrag durch den Strafraum. Rizutto bringt die halbhohe Flanke vom rechten Torraumeck und schon steht es 1:0 durch den Abstauber von Günther Schmid, der sich im richtigen Moment lösen konnte.

Auch Greilinger hätte Rizutto durchaus auf dem Schirm haben können anstatt Rabihic andächtig aus sicherer Entfernung zuzusehen, was er da auf der rechten Seite macht.

Dieses Gegentor war absolut stümperhaft verteidigt – und zwar nicht nur von einem Spieler.

Das fiel auf

Positiv:

Es wird immer mehr nach spielerischen Lösungen gesucht, anstatt den Ball einfach mit dem Mariahilfspass blind nach vorne zu dreschen.

Mansour Ouro-Tagba kam nach der Halbzeit und fiel trotz ein paar wenigen Unsicherheiten überaus positiv auf. Der junge Amerikaner togolesischer Abstammung hinterließ einen guten ersten Eindruck.

Negativ:

Anspielstationen sind nicht nur im Mittelfeld Mangelware, sondern auch im Sturm. Sobald der Ball sich in der gegnerischen Box oder drum herum befindet, wird aus der sonst ruhig, zielstrebig und überlegt spielenden Mannschaft ein nervöser Hühnerhaufen, der vor lauter Zappeligkeit vergisst, dass speziell vor dem gegnerischen Tor Ruhe und Abgeklärtheit entscheidende Faktoren sind.

Fehler im Stellungsspiel, die man eigentlich nicht erklären kann. Wenn ein Spieler mal falsch steht, ist das ja kein Problem. Wenn sich aber in mehreren Situationen, die nicht im Umschaltspiel oder aus Kontern heraus entstehen, oder auch beim Gegentor zum 1:0, mehrere Spieler in der falschen Position befinden, dann ist das ein klarer Fall von fehlender Konzentration und fehlender Kommunikation auf dem Platz.

Fazit

In einem Schulzeugnis für dieses Spiel des TSV 1860 würde vermutlich die Bemerkung mit folgenden Worten beginnen: “Der stets bemühte Schüler war nicht in der Lage das Erlernte in den Prüfungen wiederzugeben.” Oder so ähnlich…

Wenn sich in der Offensive solche Leistungen in Zukunft häufen, können die Gegner demnächst ohne Torhüter nach Giesing anreisen.

Mehr habe ich heute nicht zu sagen.

Datenquelle: Wyscout

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Siggi

Erneut vielen Dank für die Spielanalyse! Was man nur sehen konnte, wenn man das Spiel, insbesondere die 2. Hälfte, auch selber angeschaut hat, waren teils gute Spielzüge und gutgedachte Pässe, die von hellwachen Saarbrückern reihenweise geblockt wurden. Bei einem auch nur etwas schwächer verteidigendem Gegner, hätte das auch ganz anders ausgehen können. Ich bereue es nicht, mir das ganze Spiel angesehen zu haben.

Last edited 11 Monate zuvor by Siggi
Aschlegel

Danke Bernd, dass Du Dich tatsächlich noch aufraffst, diese Spiele um die goldene Ananas noch ausführlich zu analysieren. Ich gebe zu, ich habe nach dem zweiten Gegentor auf Tennis umgeschaltet und mir lieber Zwerev angeschaut. Da waren Sportler auf dem Platz, die sich permanent bewegten und das tat mir als Kontrastprogramm richtig gut … 😉

Offen gesagt, würde Dir das wohl keiner verübeln, wenn Du Dir die letzten Spiele sparst und erst wieder zur neuen Saison einsteigst, wenn, so hoffe ich, wieder eine richtige Löwenmannschaft auf dem Platz steht.

Joerg

Nach dem Sechzig Spiel gab’s Stade Rochellais vs. Exeter Chiefs, guter Sport, und tolles Kontrastprogramm