Samstag, 11. Mai 1996, 33. und vorletzter Spieltag der Bundesligasaison 1995/1996. Die Sonne blinzelt vom weißblauen Himmel über dem Münchner Olympiastadion, in dem 66.000 Zuschauer – darunter 20.000 Borussia-Fans – gespannt auf die Begegnung zwischen dem TSV 1860 München und Borussia Dortmund warten. Sechzig hatte sich in der zweiten Saison nach dem Wiederaufstieg im gesicherten Mittelfeld der Tabelle etabliert, Borussia Dortmund den Bayern am 12. Spieltag die Tabellenspitze weggeschnappt und seither nicht mehr hergegeben. Man lag vor diesem denkwürdigen Spieltag mit drei Punkten Vorsprung vor den Bayern. Aber was bedeuten schon drei Punkte Vorsprung, wenn der Verfolger FC Bayern heißt und gegen Schalke spielt?

Alles klar für den BVB?

Mit einem Sieg in München hätte die Borussia aus Dortmund wegen ihres wesentlich besseren Torverhältnisses alles klar machen und den Meistertitel eintüten können. Aber es kam ganz anders. Dortmund begann nervös, zaghaft, vorsichtig. Nur nicht verlieren war die Devise. Aber sowas geht im Fußball ja meistens schief. Die erfrischend aufspielenden Löwen dominierten das Spiel in den ersten 30 Minuten, das 1:0 lag in der Luft, Bernhard Winkler zirkelt den Ball an den Pfosten. Glück für die Borussia, die zunehmend besser ins Spiel kam und in der 38. Minute durch Stefan Reuter in Führung ging. Als Michael „Susi“ Zorc in der 65. Minute auf 2:0 erhöhte, schien alles gelaufen.

TSV 1860 erkämpft Remis gegen Dortmund

Dortmund beschränkte sich auf das Verwalten des Vorsprungs, lauerte auf Konter und der TSV 1860 schien geschlagen. Aber die Löwen kamen nochmal zurück, angetrieben von ihrem überragenden Spielmacher Piotr Nowak. Olaf Bodden, das unnachahmliche Kopfballungeheuer, erzielte in der 68. Minute den Anschlusstreffer und auf Flanke von Nowak in der 80. Minute den Ausgleich zum 2:2. Beinahe hätten die Löwen durch Daniel Borimirov, der zehn Meter vor dem Tor freistehend über den Ball säbelte, sogar noch den Siegtreffer erzielt. So aber blieb es beim 2:2.

Spannung nach dem Schlusspfiff

Nach dem Schlusspfiff sah man strahlende, zufriedene Löwen, die ein großes Spiel gezeigt und dem Tabellenführer die Stirn geboten hatten. Die Dortmunder begaben sich zur Trainerbank, aber nicht in die Kabine. Leicht bedröppelt ob der scheinbar vergeigten Möglichkeit, sich in München durch einen Sieg, den sie leichtfertig aus der Hand gegeben hatten, zum Deutschen Meister zu küren. Alle Borussia-Spieler standen eng beisammen, gespannt, erwartungsvoll. Auch unter den Zuschauern gespannte Stille, keiner wollte das weite Rund des Olympiastadions verlassen, denn das Spiel der Bayern auf Schalke lief ja noch. Wie würden die Bayern abschneiden? Das ganze Stadion wartete.

Dortmunder Meisterfeier in München

Plötzlich, ein kollektiver Jubelschrei aus dem Dortmunder Spielerpulk. Stefan Reuter rennt als Erster los, in Richtung Dortmunder Fankurve, jubelnd, die Arme weit ausgebreitet als wolle er die ganze Welt umarmen. Glücklich, berauscht, ekstatisch, kreiselnd wie ein Flieger und alle Dortmunder Spieler hinter ihm her. Alle Dämme brachen. Andreas Müller hatte für Schalke in einem an Dramatik nicht zu überbietenden Schlussakt in der 90. Minute im Parkstadion den Siegtreffer gegen die Bayern erzielt. Dortmund war Meister. Auch die Löwenfans zollten der Borussia dafür anerkennenden Applaus.

Gelungener Saisonausklag

Der letzte Spieltag war ein Fest. Für Sechzig, das auf dem Bökelberg 2:0 gewann und für Borussia Dortmund, das ausgelassen die zweite Meisterschaft in Folge feierte. Nicht aber für den FC Bayern, der gegen Fortuna Düsseldorf, das bisher in der Bundesligageschichte einmalige, an Dämlichkeit nicht zu übertreffende Kunststück fertig brachte, statt der erlaubten drei, in der 46. Minute vier Spieler gleichzeitig einzuwechseln. Dieser Regelverstoß blieb aber offensichtlich auch dem Schiedsrichter verborgen. Glück für die Bayern: Fortuna Düsseldorf verzichtete aufgrund der Bedeutungslosigkeit des Spiels, das mit einem 2:2 Unentschieden endete, auf einen Protest.

Das Sechzger-Spiel des Monats

Einmal im Monat entführt Euch unser Autor Thomas Bohlender in die Vergangenheit des TSV 1860 München und stellt ein – aus seiner Sicht – besonderes Spiel näher vor. Der Autor ist Mitglied der Abteilung Vereinsgeschichte des TSV 1860 München e.V.!

FOTO: Wolfgang Budack

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