Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München beim DSC Arminia Bielefeld. Der Tabellenvierte erwartet die auf dem vorletzten Platz liegenden Löwen als klarer Favorit. Wie stehen die Chancen der Sechzger auf der Alm?
Der TSV 1860 München ist im Spiel gegen Arminia Bielefeld klar in der Außenseiterrolle. Als Tabellenvorletzter reisen die Löwen nach Ostwestfalen. Die noch ungeschlagenen Arminen werden die Sechzger mit breiter Brust erwarten.
Mitch Kniat lässt seine Arminia fast immer im 4-3-3 antreten und dieses System interpretiert Bielefeld vor allem zu Hause extrem offensiv. Das gesamte Spiel der Bielefelder ist auf Ballbesitz und Balkontrolle ausgelegt.
Die Arminen stellen sowohl Pressinglinie als auch Defensivlinie zunächst eher hoch bis sehr hoch auf.
Bei eigenem Ballbesitz steht zwar Ballkontrolle ganz oben auf dem Zettel, trotzdem suchen die Bielefelder schnell und oft erfolgreich die Tiefe, um sich dort dann festzusetzen.
Bevor wir zur genauen Spielweise der Bielefelder kommen, hier wie immer die statistischen Werte. Leider sind diese Werte nicht ganz aktuell, da das Spiel der Arminen in Aue noch in der Auswertung fehlt.
Statistische Werte der Arminia
- Ballbesitz: 61%
- Passgenauigkeit: 84%
- Defensive Zweikampfquote: 62%
- Flankengenauigkeit: 33%
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,63
Wie spielt Bielefeld?
Offensiv
Bei eigenem Ballbesitz im Positionsspiel sehr variabel über die ganze Breite des Platzes ins Spiel findend, versucht Bielefeld bei jedem Angriff, schnell und nachhaltig Tiefe zu generieren. Klappt das nicht, ist die Arminia in der Lage, das Leder so lange in den eigenen Reihen ungefährdet zu kontrollieren, bis sich die gewünschten Räume öffnen. Wird der Angriff ausgelöst, befindet sich die Zone, von der aus die Boxpenetration aus vorbereitet werden soll, meist in den Halbräumen vor dem Strafraum. Der Weg dorthin ist bei Bielefeld allerdings sehr variantenreich. Von langen Bällen in die Tiefe über Kombinationsspiel, haben die Arminen alle möglichen Varianten gezeigt, wie sie dorthin kommen, wo sie sein wollen, wenn sie die Attacke auf den Strafraum lancieren.
Das Umschaltspiel der Bielefelder hat mehrere Gesichter. Je höher der Ballgewinn erfolgt, desto kontrollierter geht Bielefeld zu Werke. Das heißt, bei hohem Ballgewinn hat Ballsicherung eine höhere Priorität als eine sofortige Angriffsaktion. Gänzlich anders sieht es bei Ballgewinnen jenseits des letzten Drittels bzw. jenseits der pressingrelevanten Zonen aus, dann geht Tempo vor Ballkontrolle.
Eine gewisse Stärke bei Standardsituationen kann man den Arminen ebenfalls attestieren. Sowohl Ecken als auch Freistöße waren schon Ausgangspunkt für Torjubel der Ostwestfalen.
Defensive
Mit hohem bis extrem hohem Pressing setzen die Arminen das Positionsspiel ihrer Gegner mit drei anlaufenden Spielern unter Druck. Systemgetreu mit einer leicht versetzten 4-3-3 Staffelung erwarten die Arminen die gegnerischen Angriffe spätestens an der Grenze zu deren letztem Drittel. Geht Bielefeld in Führung, lässt dieser Druck auf den Aufbau etwas nach.
Wenn der Gegner die Pressinglinie überspielen kann, ziehen sich die Bielefelder bis zur Grenze des eigenen letzten Drittels geordnet und ohne Verschiebungen zurück. Dringt der Gegner ins letzte Drittel ein, kippen Spieler aus der vordersten Reihe situativ ab, um bei Bedarf auszuhelfen.
Nach Ballverlusten sind die Arminen im Gegenpressing ebenfalls äußerst giftig und auf schnellen Ballrückgewinn aus. Dabei ist Arminia Bielefeld extrem erfolgreich, Umschaltmomente ihrer Gegner zu unterbinden und Ballgewinne ihrerseits schnell in nachhaltige Offensivaktionen umzumünzen.
Wie kann der TSV 1860 Arminia Bielefeld knacken?
In der momentanen Verfassung der Bielefelder dürfte es für jede Mannschaft ein schweres Unterfangen werden, die Arminen zu schlagen. In der laufenden Saison ist das noch keinem Team gelungen. Ob es Sechzig gelingt, wird man sehen. Hoffen tun wir natürlich alle drauf.
Aber wie kann das klappen? Für mich gibt es zwei Ansätze. Einen halbwegs realistischen, bei dem man vor dem eigenen Tor „den Bus parkt“ und auf Erfolg beim Kontern hofft, sowie einen, der der Leistung gegen Dresden nach zu urteilen, für die Sechzger eher utopisch anmutet und mit hohem Pressing und Ballkontrolle versucht, Bielefeld mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Mit dem richtigen Einsatzwillen und mutigem Kampf kann auch der zweite Ansatz funktionieren. Die Spieler des TSV 1860 sind definitiv gut genug dafür, nur müssen sie sich endlich trauen, eine Mannschaft zu sein und auch so auftreten.
Bielefeld ist, wie oben schon erwähnt, klarer Favorit. Dass die Abwehr der Arminen allerdings nicht zu 100 % Prozent sattelfest ist und Keeper Kersken relativ häufig rettend eingreifen muss, lässt aber Hoffnung für eine Überraschung.
Stärken und Schwächen des Systems 4-3-3
Stärken
Im Offensivspiel kann eine Mannschaft, die ein 4-3-3 praktiziert, sehr variabel auftreten, denn durch die drei Stürmer wird Stress für die Abwehr des Gegners ausgelöst. Das rührt daher, dass durch die Variabilität, die mit drei Spitzen hergestellt wird, in Puncto Breite oder Enge des Spiels und dem Wechselspiel beider Varianten die Angreifer schwer ausrechenbar sind. Somit können in jedem Spielzug andere Laufwege zum Tragen kommen. Dadurch überlagern sich manchmal die im Raum zu verteidigenden Schnittstellen, wodurch eine Überzahl für die Angreifer bei kreuzenden Stürmern entstehen kann.
Wenn die Mannschaft, die 4-3-3 spielt, obendrein auf Ballbesitzfußball mit hohem Pressing gegen den Ball setzt, ist die Chance für sie, andauernden Druck auf den Strafraum bzw. das Tor des Gegners auszuüben, sehr hoch.
Dadurch, dass die beiden Außenstürmer mit relativ wenig Energieleistung zwischen Sturm und Mittelfeld pendeln können, ist auch eine gute Anpassung an das Spielsystem des Gegners möglich. Es kann gegen den Ball leicht eine Überzahl generiert werden, die für den Gegner zu Ballverlusten führen kann, wenn die Räume gut verteidigt werden. Dafür müssen beide Außenstürmer gegen den Ball konsequent nach hinten mitarbeiten.
Mit drei Stürmern geht vom 4-3-3 obendrein eine hohe Gefahr für Kontergegenstöße nach Ballgewinn aus. Es kann schnell umgeschaltet werden und die Sturmreihe wird, auch wenn sich die Außenstürmer in der Rückwärtsbewegung ins Mittelfeld haben fallen lassen, schnell wieder besetzt sein, da der Außenstürmer vom Anforderungsprofil ein sehr schneller Spieler ist.
Schwächen des 4-3-3
Wenn der Gegner schnell spielt, entstehen Lücken im Raum, die dann durch entstehende Überzahl ausgenutzt werden können.
Schnelle Spieler im Mittelfeld gepaart mit vertikalem Spiel helfen den Gegnern, diese Räume gegen ein 4-3-3 zu schaffen. Das ist zwar nicht gerade attraktiv, aber höchst effizient.
Im Defensivspiel gegen Positionsangriffe sind die Halbräume und/oder Außenbahnen eine Schwäche des 4-3-3, da diese mit nur drei Mittelfeldspielern ohne Unterstützung der Außenstürmer nie vollständig zugestellt werden können.
Schlüsselspieler
Tor
Jonas Kersken (#1) im Tor der Arminen spielt solide. Seine Stärken liegen vor allem in der Strafraumbeherrschung. Allerdings hat er auch sonst nur wenige Schwächen aufzuweisen. Seine Leistungen bisher waren unter anderem die Garantie für die niederlagenlose Serie der Arminia.
Abwehr
Beide Innenverteidiger der Arminia, Joel Felix (#3) und Maximilian Grosser (#19), eigentlich gelernter Mittelfeldspieler, sind extrem zweikampf- und kopfballstark. Das Stellungsspiel ist jedoch vor allem bei Neuzugang Joel Felix noch ausbaufähig. Insgesamt erobern die Spieler in der Abwehrzentrale mehr Bälle über direkte Duelle am Boden als über abgefangene Pässe. Das klingt zunächst logisch, ist aber im Vergleich eher ungewöhnlich.
Mittelfeld
Hier bietet die Arminia geballte Drittligaklasse auf. Egal ob Stefano Russo (#21), der auf der tiefen Sechs gegen den Ball und als zurückgezogener Spielmacher mit Ball dem Spiel seinen Stempel aufdrückt, oder Maël Corboz (#6), der als Box to Box Spieler gegen den Ball mit Aggressivität und Einsatzbereitschaft glänzt und in der offensive mit Tempoläufen und klugem Passspiel für Dynamik sorgt, oder Marius Wörl (#38), dessen Qualitäten alle Löwenfans kennen dürften oder Lukas Kunze (#13), der vergangene Saison Stammspieler bei Osnabrück in Liga 2 gewesen war oder auch Merveille Biankadi (#17), der mit seiner Dynamik ebenfalls für viel Wirbel in den gegnerischen Abwehrreihen sorgt – diese Spieler haben sich alle das Prädikat “Schlüsselspieler” verdient.
Trainer Kniat hat für die drei Positionen im Mittelfeld die Qual der Wahl. Biankadi z.B. könnte wahlweise auch auf einer der Außenpositionen im Sturm zum Zuge kommen.
Sturm
Wie Mittelfeldspieler Stefano Russo ist auch André Becker (#39) von Viktoria Köln zur Arminia nach Bielefeld gewechselt. Noch ohne Treffer, aber mit einer Vorlage wartet Becker noch darauf, dass der Knoten beim neuen Verein platzt. Beckers Stärken liegen eindeutig im Abschluss. Eine hohe Schussgenauigkeit gepaart mit Kopfballstärke macht ihn zum perfekten Strafraumstürmer, der gefüttert werden will. An der Spielgestaltung ist er so gut wie nie beteiligt.
Fazit
Ein Felsbrocken groß wie ein Gebirge liegt in Form von Arminia Bielefeld am Samstag Nachmittag vor dem TSV 1860 München.
Egal, welche taktische Marschroute Coach Giannikis für das Team wählt: Das A und O muss der läuferische und kämpferische Einsatz sein.
“Ohne Kampf kein Sieg” ist das Lebensmotto eines guten Freundes – das sollten sich die Spieler der Löwen für den Rest der Saison hinter die Ohren schreiben.
So könnte die Arminia beginnen
Datenquelle: Wyscout