Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des dritten Sieges unserer Löwen in Serie. Bei Borussia Dortmund II gewann die Mannschaft des TSV 1860 München hochverdient mit 2:1. Die Sechzger drehten einen Rückstand und zeigten ihre bisher beste Saisonleistung.

Borussia Dortmund II traf in der altehrwürdigen Kampfbahn Rote Erde auf den TSV 1860 München. In einem guten Fußballspiel holten die Münchner zum dritten mal in Serie a) die Punkte b) die Punkte von des Gegners Platz und c) einen Sieg während der 189. Wiesn.

Systeme

Löwendompteur Argirios Giannikis schickte unsere Sechzger nominell im 4-2-3-1 aufs Feld. Im Spiel nach vorn verschob sich dies über die Außenverteidiger und den Box to Box Spieler situativ asymmetrisch, sodass die Löwen im letzten Drittel der Borussen mit einem starken Zentrum und flexibel beim Flügelspiel für den Gegner schwer ausrechenbar waren. Die variablen offensiven Verschiebungen der Sechzger im letzten Drittel des BVB II ließen in vorderster Linie entweder eine asymmetrische 3-4 bzw. 4-3 Formation entstehen.

Im eigenen letzten Drittel verteidigten die Löwen konservativ im 4-4-2 bzw. 4-5-1 mit zwei klaren Linien und Doppelungen auf den Außenpositionen, um gegen die schnellen Außenspieler der Dortmunder Nachwuchself dort nichts anbrennen zu lassen.

Jan Zimmermann, Coach des BVB II, setzte wie erwartet auf das offensive 4-3-3. Auf dem Weg nach vorn verschoben die Dortmunder ebenfalls situativ asymmetrisch mit einem gependelten Außenverteidiger. Das führte im letzten Drittel der Löwen ebenfalls zu einer 4-3 bzw. 3-4 Formation in der vordersten Linie.

Gegen den Ball verschob sich das 4-3-3 über abkippende Außenstürmer im eigenen letzten Drittel entweder auf ein 4-4-1-1 oder 4-5-1.

Linienwahl

Unsere Sechzger agierten im Pressing insgesamt variabel. Zu Beginn des Spiels wurde gegen das Positionsspiel der Dortmunder sehr hoch angelaufen und im Gegenpressing nach Ballverlusten durchaus aggressiv agiert. Später im Spiel dosierten die Sechzger dann ihre Forechecking-Bemühungen, variierten Höhe und Intensität beim Anlaufen, mussten aber während einer Phase des Spiels auch gezwungenermaßen eher passiv agieren. Die Defensivlinie stand in Erwartung gegnerischer Angriffe der Pressinglinie angepasst.

Die Dortmunder waren ebenfalls auf eher hohes Pressing ausgerichtet. Im Gegenpressing nach Ballverlusten waren die Dortmunder zwar präsent, aber je länger das Spiel lief mit immer öfter deutlich zu großen Abständen. Die Höhe der Defensivlinie war an die der Pressinglinie angepasst, seltener jedoch tiefer als mittig positioniert.

Bevor wir nun genauer in die Analyse eintauchen, ein Blick auf die statistischen Werte der Partie.

Statistische Werte Dortmund II – TSV 1860

  • Ballbesitz: BVB II 47% – TSV 53%
  • Passgenauigkeit: BVB II 75% – TSV 1860 81%
  • Defensive Zweikampfquote: BVB II 59% – TSV 1860 59%
  • Schüsse/aufs Tor: BVB II 12/4 – TSV 1860 19/8
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): BVB II 10,8 – TSV 1860 9,6

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz 47%:53%

Nahezu ausgeglichener Ballbesitz für die Kontrahenten im Spiel TSV 1860 München gegen Borussia Dortmund II. In diesmal wieder drei Phasen verteilt sich der Ballbesitz mit teilweise deutlichen Unterschieden über die Partie.

In der Anfangsphase, als die Sechzger den Dortmundern fast keine Luft zum Atmen ließen, jedoch zweimal ein durchaus gefährliches Luftholen zugelassen haben, waren die Löwen in nahezu allen wichtigen Belangen überlegen. Lediglich die in dieser Phase kaum ins Gewicht fallenden defensiven Zweikämpfe, denen wir etwas später die nötige Aufmerksamkeit schenken, hinkten in der Quote und Frequenz etwas hinterher.

Nach etwa einer Viertelstunde kam Dortmund nach einem erfolgreichen Umschaltmoment, den Pauliña mit einer Doppelchance abschloss, die Vollath klären konnte, besser ins Spiel. In der folgenden halben Stunde bis zur Pause verteilte sich der Ballbesitz zwar gleichmäßiger, das Spiel wogte hin und her, allerdings wurden die Hausherren optisch überlegener und schneller in der offensiven Progression. So konnten die Dortmunder mehr als doppelt so viele Angriffe bis ins letzte Drittel der Sechzger durchbringen, als es dem TSV in die andere Richtung möglich war.

Nichtsdestotrotz hatten wir beim Verhältnis Angriffe zu Schüsse ab dieser Phase ein Plus auf Seiten unserer Löwen – und das änderte sich auch bis zum Ende der Partie nicht mehr.

Zum Ende des Spiels hin hatten die Dortmunder dann beim Ballbesitz ein leichtes Übergewicht. Nichtsdestotrotz befreiten sich die Löwen auch in der letzten Drangphase des BVB II immer wieder, hielten dagegen und versuchten bis zum Schluss, mit einem dritten Tor die endgültige Entscheidung herbeizuführen.

Passgenauigkeit 75%:81%

Die Passgenauigkeit im Spiel der Löwen ist zum ersten mal seit dem Heimspiel gegen Viktoria Köln wieder über 80% geklettert. Was gegen Köln noch ein Ausdruck von Unbeholfenheit war, da viel von dem, was zur Passgenauigkeit beigetragen hatte, nichts mit der Offensive zu tun hatte, sondern uninspiriertes Ballgeschiebe in der Defensive gewesen ist, war gegen Dortmund Ausdruck hoher Dynamik und präzisem Spiel in der Offensive.

Die defensiven Ballbesitzphasen des TSV 1860 München waren im Vergleich dieser beiden Spiele am Samstag nur noch Ballbesitzmomente. In den meisten Situationen, in denen die Löwen tief in der eigenen Hälfte die Kugel eroberten, oder wenn sie aus anderen Gründen ins Positionsspiel gezwungen wurden, wurde der Passweg ins Mittelfeld schnell und meist auch so nachhaltig gefunden, dass eine weitere Progression im Angriff möglich wurde. Nahezu die Hälfte der Angriffe der Löwen endeten im letzten Drittel der Gastgeber.

Auch die Dortmunder spielten ähnlich progressiv und auch gut und mutig nach vorne, allerdings mit deutlich weniger Präzision.

Hier liegt nun der große Unterschied in der Offensive der beiden Teams: Die verbesserte Präzision im Passspiel der Löwenoffensive sorgte für dauerhafte Angriffe mit längeren Phasen, in denen die Sechzger es schafften, sich vor allem aufgrund dieser in der Offensive verbesserten Tugend in der gegnerischen Spielfeldhälfte und auch im gegnerischen letzten Drittel länger festzuspielen. Die hohe Frequenz der häufig mit gutem Abschluss beendeten Angriffe lösten, je länger das Spiel dauerte, immer größeren Stress in der Dortmunder Defensive aus. Diese Präzision im Spiel funktionierte fast das ganze Spiel über. Lediglich am Ende der ersten Hälfte ließen die Sechzger bei der Passgenauigkeit deutlich nach. Das war gleichzeitig die stärkste Phase der Dortmunder, was die Offensive betrifft. Allerdings nur bis kurz vorm Strafraum der Löwen, in der Box waren die Dortmunder mehr oder weniger komplett abgemeldet.

Defensive Zweikampfquote 59%:65%

Auch hier sehen wir gegenüber den letzten beiden Spielen eine deutliche Steigerung bei der Erfolgsquote für Sechzig. Das liegt vor allem daran, dass aufgrund des stark verbesserten Stellungsspiels im Zentrum die Gegner weniger Raum zur Verfügung haben und unsere Sechzger in Gegenzug nun überall im Mittelfeld mehr Zweikämpfe annehmen und auch gewinnen.

In der Phase zwischen etwa der 20. Minute und dem Halbzeitpfiff hat das allerdings nicht so wie gewollt funktioniert. Dieses vor allem deshalb, weil aus dem defensiven Mittelfeld in Umschaltmomenten oft nicht energisch genug nachgeschoben wurde, nachdem der Ball die eigenen Defensivreihe verlassen hatte.

In dieser Phase war das Mittelfeld der Löwen in Gegenpressingmomenten nach Ballverlust oft nicht weit genug nachgerückt, um die Räume im Zentrum zu schließen. Das begünstigte die Dortmunder Angriffe in den zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten vor der Pause und auch die schnelle Überbrückung des Mittelfelds vor dem Gegentreffer.

Die Dortmunder, in für sie gewohnter Manier, im Zweikampf am Boden sehr intensiv und auch in jeder Phase durchaus erfolgreich, verloren diese Partie was Zweikämpfe betrifft in der Luft. Und somit sinkt der Gesamtwert der Zweikampfbilanz am Boden und in der Luft auf kombinierte 57% für Dortmund und steigt für die Sechzger gleichzeitig auf kombinierte 60%. Das ist zwar immer noch nicht 100%ig da, wo man hinwill, aber die Sechzger sind auf einem guten Weg und steigern sich stetig.

Schüsse/aufs Tor 12/4:19/8

Das Schussverhältnis in dieser Partie sagt im Prinzip alles über das Spiel aus. Allerdings muss man hier auch erwähnen, dass abgesehen von diesen vier Schüssen der Dortmunder, die tatsächlich auf den Kasten der Löwen gingen, alle weiteren der Hausherren von der Löwendefensive geblockt werden konnten. Das ist etwas, was man so in dieser Häufigkeit und Frequenz lange nicht gesehen.

19 Schüsse konnten die Löwen auf den Kasten von Lotka abfeuern, zwei gingen hinein, sechs hielt der Dortmunder Schlussmann (MW 1,6 Mio. €) und elf trafen das Ziel nicht. Leicht verschlechtert (aber vernachlässigbar) hat sich die Trefferwahrscheinlichkeit pro Schuss, was daran liegt, dass die Löwen diesmal mehr als die Hälfte ihrer Schüsse von außerhalb der gegnerischen Box absetzten. Einer dieser Schüsse traf bekanntlich. Von den neun Schüssen, die unsere Sechzger im Strafraum der Borussen abfeuerten, konnten zwei geblockt werden, vier gingen auf den Kasten von Lotka, einer davon hinein.

Mehr als jeder dritte Angriff der Sechzger konnte mit einem oder mehreren Schüssen beendet werden, dazu kommen drei Gelegenheiten aus insgesamt vierzehn strafraumnahen Standards. Das Verhältnis Standardsituationen zu Schüssen ist, was die Freistöße betrifft, noch eine kleine Baustelle für die Sechzger. Bei den Ecken findet mittlerweile die Hälfte nach Ausführung den Mitspieler zum Abschluss. Hier gibt es leider keine Rangliste, im Vergleich mit dem Schnitt der bisherigen Gegner in den Spielen gegen unsere Sechzger ist das ein Plus von 18%. Auch wenn ich es nicht belegen kann, dürfte das bisher einer der Topwerte der 3. Liga sein.

PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 10,8:9,6

Die Kurve, die graphisch den Verlauf der Pressingintensität während des Spiels beschreibt, verläuft äquivalent mit den guten und nicht so guten Phasen im Spiel der Löwen. Nach der Anfangsoffensive der Sechzger bis zum Pausenpfiff wurden die Löwen stetig weniger intensiv in ihren Pressingbemühungen. Besonders in Gegenpressingmomenten kam das zum Tragen, wie weiter oben schon beschrieben.

Nach dem Pausentee zeigte der TSV 1860 über die komplette zweite Halbzeit hinweg konsequentes, bisweilen – was die Höhe der Pressinglinie gegen das Positionsspiel der Mannschaft von Borussia Dortmund II betraf – auch variable und kraftsparende Varianten einsetzend, trotzdem sehr aktives Anlaufverhalten.

Im Gegenpressing gab sich die Mittelfeldzentrale nun auch keine Blöße mehr.

Die Hausherren verloren nach einer guten Phase in der Mitte der ersten Hälfte, als sie sich gerade ins Spiel hineingefunden hatten, bis kurz nach dem Führungstreffer vollkommen und stetig die Linie, was die Intensität im Pressing betrifft. Erst als langsam die Felle davon zu schwimmen drohten und die Zeit am Ende der Partie knapp wurde, stieg der Bundesliga-Nachwuchs aus dem Pott diesbezüglich noch einmal aufs Pedal. Am Ende half es den spielerisch guten Gastgebern nichts mehr.

Die Tore

Hier könnt ihr euch die Tore und weitere Highlights noch einmal ansehen. Der entscheidende Treffer war wie gegen Bielefeld ein Weitschuss, diesmal von Tunay Deniz aus etwa 50 Metern.

Schauen wir aber heute ausnahmsweise nicht auf die Entstehung des entscheidenden Tores, sondern auf den Gegentreffer.

Nach einem gewonnenen zweiten Ball für den BVB in einer Situation, in der die Löwendefensive etwas ungeordnet war, entwickelte sich eine Ballstafette von der halblinken Dortmunder Außenposition ins rechte Zentrum vor dem Strafraum der Löwen, wo nach Zuspiel von Elongo-Yombo Kapitän Azhils Schuss zuerst den Innenpfosten traf und dann doch den Weg ins Tor fand.

Nach mehreren kurzzeitigen Ballbesitzwechseln, in denen es auf kurzen Wegen hin und her ging, war die gesamte Defensive der Löwen etwas schlecht sortiert und vermutlich aus diesem Grund die Zuständigkeiten auch unklar. Das führte dann bei eben jener Ballstafette zu großen Abständen zwischen den Zentral verteidigenden Spielern und ihren jeweiligen Kontrahenten.

Der Schuss selbst ist nicht zu verteidigen. Mit etwas mehr Zuordnung vor der Box und weniger Unordnung in den wechselnden Umschaltmomenten zuvor muss es möglicherweise nicht zu dieser Szene kommen. In solchen Phasen allerdings komplett sortiert zu bleiben, ist nahezu unmöglich, wenn man nicht komplett auf die Dynamik im eigenen Umschaltspielverzichten möchte.

Das fiel auf

Die Sechzger verbessern sich weiter in nahezu allen Bereichen ihres Spiels und zeigten einen bis auf die angesprochene Phase, als Dortmund stärker wurde und auch in Führung ging, eine ansprechende Leistung.

Ich möchte keinen Spieler oder anderen Einzelaspekt des Spiels hier noch einmal größer herausheben oder kritisieren. Die Mannschaft wird besser. Weiter so.

Fazit

In einer packenden Partie, in der souveräne Löwen die Gastgeber gut kontrollieren konnten, besiegte der TSV 1860 München Borussia Dortmund II hochverdient.

Eine Entwicklung, bei der die Sechzger auswärts so selbstbewusst auf den Platz kommen und sich auch von einem Rückschlag in Form eines Gegentors nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen, stetig ihre Qualitäten verbessern und Schwächen kontinuierlich weniger deutlich zu Tage treten, haben wir lange nicht gesehen. Hoffen wir, dass die Progression des Niveaus der Spielweise unserer Löwen weitergeht.

Innerhalb der Entwicklung wird die Mannschaft – und das ist ein wichtiger Punkt – auch in manchen Bereichen ein Plateau erreichen, wo der Fortschritt zeitweise stagniert. Auch Rückschläge werden kommen.

Wichtig ist es dann, auch für uns alle, falls die Mannschaft in der Entwicklung stagniert, positiv zu bleiben und nicht die Fehler zu suchen, sondern weiterhin die Stärken zu sehen. Die Chancen, dass sich beim TSV 1860 München in puncto Fußball sportlich nachhaltig etwas entwickelt, sind so gut wie lange nicht mehr.

Datenquelle: Wyscout

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_Flin_

Ein sehr gelungenes Spiel. Man hatte den Eindruck, als sei endlich mal der Knoten geplatzt. Jetzt sind wir endlich mal an einem Level angekommen, wo man sagen kann: “So kann das was werden”.

Während die Mannschaft defensiv die letzten Spiele bereits großteils stabil war, und bei den Standards einen Plan zeigte, ist der Plan und das Vermögen jetzt endlich auch in der Offensive und im Spielaufbau angekommen. Alleine dass aus dem Spiel heraus zahlreiche Chancen kreiert wurden (und damit meine ich nicht das 45 Meter Tor), ist extrem positiv. Die Offensive spielte zusammen, die Spieler haben sich angeboten, Räume gerissen, die Pässe wurden großteils sauber so gespielt, dass die Mitspieler sie auch verarbeiten konnten. Dass nicht immer alles klappt, geschenkt.

Das war endlich mal wieder Fussball statt Rumgeschlampere und Teamplay statt sich gegenseitig im Stich zu lassen.