Erinnerung an Heinrich Zisch
Zum 75. Todestag von Heinrich Zisch am 23. Juli 2022 erinnerte die Abteilung Vereinsgeschichte des TSV 1860 München in einem Beitrag an den langjährigen Löwen-Präsidenten und Erbauer des dann später nach ihm benannten Stadions an der Grünwalder Straße.
Geburt und Eintritt in den TSV
Heinrich Zisch, welcher am 28. September 1869 in Landshut geboren wurde, zog mit seiner Familie im Jahre 1875 nach München und wurde am 4. Mai 1886 Mitglied des TSV 1860 München. Er hatte turnerisches Talent, Trainingsfleiß und bald auch Erfolge, die im Verein Anerkennung fanden. Im Oktober 1894 wurde er als Turnwart und Vorturner des TV von 1860 erwähnt.
Allgemein war Zisch ein umtriebiger Mensch, der das gesellige Vereinsleben liebte und sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung von vielerlei Veranstaltungen beteiligte. Auch der Bau der noch existenten Kegelbahn in der Turnhalle an der Auenstraße 19 geht auf seine Initiative zurück. Und auch bei allerlei (Groß-) Veranstaltungen, unter anderem dem legendären Ballfest von 1907, war er immer unter den Mitorganisatoren.
Zisch bekleidete, da erst selbst Turner war, viele Funktionen innerhalb der Turnabteilung.
Die Sportbewegung & der Fußball
Dennoch war er von der sich im ausgehenden 19. Jahrhundert überall in Deutschland verbreitenden Sportbewegung fasziniert. Diese neue Bewegung führte in vielen Turnvereinen zu Diskussionen und Vereinsausschlüssen, da die Deutsche Turnerschaft mit den modernen „English Sports“ nichts anfangen konnte. Bei den Löwen gelang es jedoch, die Anhänger der neuen Sportbewegung im Verein zu halten und sie mit der Bildung von neuen Spiel- und Sportriegen in den Turnverein zu integrieren. Das mag ein Verdienst einflussreicher junger Turner wie Heinrich Zisch gewesen sein, die selbst gerne die neuen Sportspiele wie auch die leichtathletischen Übungen erprobten und sie als wertvolle Ergänzung des bisherigen Übungsprogramms sahen.
So gehörten mit Anton Leistl, Heinrich Zisch, Dr. Hans Haggenmüller und dem Kunstmaler Carl Moos auch Mitglieder aus der Vorturnerschaft des Vereins zu den Gründervätern der 1899 gegründeten Spielriege, aus der die spätere Fußballabteilung hervorging. Auch die Bergsteigerriege wurde 1901 von Heinrich Zisch mitbegründet. Die Sportbewegung hatte dem Verein einen rapiden Mitgliederzuwachs gebracht. Die Mitgliederzahl stieg von 1.739 im Jahr 1900 auf 2.695 zum Jahresende 1908.
In der Folge übernahm Zisch erst den Vorsitz der Skiabteilung, der Schwimmriege, der Leichtathletikabteilung und auch der Fußballmannschaften, die unter der neuen Sportabteilung zusammengefasst wurden. Von 1910 – 1914 leitete er ebenfalls die Fußballabteilung, welche 1909 den bis dahin größten Erfolg mit dem Gewinn der Münchener Frühjahrs-Bundesmeisterschaft feiern konnte.
Der Bau des Stadions
Zisch doch hatte größere Pläne – er träumte von einer neuen Stadionanlage für Fußball, aber auch für die Leichtathletikabteilung. lm Jahre 1911 begann die Geschichte des später nach Heinrich Zisch benannten Stadions. Damals ermöglichte der als Kaufmann zu Geld gekommene Landshuter durch ein Darlehen die Pachtung einer 2,5 Hektar großen Wiese von einer Erbengemeinschaft. Durch seine guten Kontakte konnte dieser auch noch ein weiteres Darlehen der Sparkasse vermitteln, welches den Bau des eines Platzes mit Sitztribüne ermöglichte. Im Jahre 1925 kam dann noch die Stehhalle dazu. Mit dann 35.000 Plätzen rühmten sich die Löwen mit dem größten Stadion in Süddeutschland – die Roten waren damals noch Mieter unserer Löwen. 1927 wurde das Stadion dann offiziell nach Zisch benannt.
Rücktritt von allen Ämtern
Zisch, der seit 1924 Vorsitzender des Turnvereins und seit 1929 desSportvereins – der TSV musste sich 1923 nach einem Streit der Deutschen Turnerschaft und den unabhängigen Fachverbänden für Fußball, Leichtathletik und Schwimmen um die wechselseitige Mitgliedschaft in den jeweiligen Verbänden in die beiden Vereine aufspalten – war nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Februar/März 1933, auch im Lichte der durch den Schwarzen Freitag von 1929 ausgelösten Weltwirtschaftskrise, die auch TV und SV hart trafen, von allen seinen Ämtern zurückgetreten.
Daraufhin übernahm beim TSV 1860 eine starke völkische und nationalsozialistische Gruppe die Führungspositionen im Verein, die neben ihren Vereinsämtern auch noch viele Posten in der NSDAP und in den angeschlossenen Verbänden innehatten. Den Vorsitz im Turnverein übernahm im März 1933 der deutsch-national gesinnte Turner Wilhelm Hacker. Im Jahre 1934 folgte dann die Wiedervereinigung mit dem Sportverein, welcher dem Turnverein mit allen Abteilungen beitrat und sich auflöste. Später im Jahr 1934 trat Hacker die Vereinsführung an den Regensburger Fritz Ebenböck ab, ein langjähriges Mitglied von NSDAP und SA, der 1923 am Hitler-Putsch auf die Feldherrnhalle teilgenommen hatte. Auch seine Nachfolger Ludwig Holzer (1935-36) und Emil Ketterer (1936-45) waren beim Hitlerputsch dabei gewesen und hatten dafür den so genannten „Blutorden“ erhalten.
Mit diesen wollte Zisch jedoch nichts zu tun haben. Im Jahre 1936 verbat er sich daher sogar jegliche Feierlichkeiten zu seinem 50-jährigen Vereinsjubiläum. Auch der NSDAP war er nie beigetreten.
Die Nachkriegszeit
Bereits ab 1943 engagierte sich Zisch jedoch wieder für seinen TSV; er startete eine Initiative zum Rückkauf des Stadions, welche aber durch die Stadtverwaltung abgelehnt wurde. Aufgrund seines Rückzugs nach Machtübernahme der Nationalsozialisten konnte er ab 1945 wieder diverse Ämter beim TSV 1860 übernehmen, da er der Militärregierung Stadt unverdächtig war. Da kaum andere ehemalige Führungspersönlichkeiten des TSV nicht vorbelastet waren, wurde kaum jemand von diesen akzeptiert. Zisch setzte sich bei Bürgermeister, Sportamt und der amerikanischen Besatzung dafür ein, dass der TSV wieder offiziell als Verein registriert werden konnte. Aufgrund der starken Zerstörung Münchens durch die Bombardements waren natürlich auch die Standorte des TSV 1860 München betroffen – das Vereinsheim an der Auenstraße war zerstört, das Stadion an der Grünwalder Straße schwer beschädigt und so fehlten den Sport- und Turnabteilungen Trainingsplätze und Übungsräume.
Heinrich Zisch wandte sich daher umgehend an Oberbürgermeister und Stadtschulrat. Stadtschulrat Anton Fingerle unterstützte Zisch mit gutem Rat – die Amerikaner waren ziemlich skeptisch bzgl. Vereinsgründungen und forderten personelle Neuanfänge – bei seinem Anliegen, den Verein wieder eingetragen zu bekommen – dies sollte sich jedoch noch eine Weile ziehen, nämlich bis August 1947. Hier wurde im “Straubinger Hof” eine Mitgliederversammlung abgehalten, bei welcher der Kaufmann Alfred Radschuweit zum ersten Vorsitzenden und Hans Winkler, der Leiter der Turnspielabteilung, zu seinem Stellvertreter gewählt wurden. Daraufhin konnte die heiß ersehnte Lizensierung endlich am 24. September 1947 erlangt werden.
Leider erlebte er den Erfolg seiner Bemühungen um die Wiederzulassung des TSV München von 1860 nicht mehr. Nachdem seine Ehefrau Johanna im Mai 1947 nach über 50-jähriger Ehe starb, folgte ihr Heinrich lediglich knapp zwei Monate später, am 23. Juli 1947. Im Jahre 1956 wurde Zisch zu Ehren ein kleiner Weg nach ihm benannt – der Heinrich-Zisch-Weg, welcher über die schmale Brücke über den Candidberg zur nördlichen Ecke (Block J) der Westkurve führt.
Herzlichen Dank für diesen tollen Artikel, der zudem auch wieder aufzeigte, dass wir uns in der NS-Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckerten.