Lutz Wagner ist eine deutsche Schiedsrichter-Legende – 18 Jahre lang pfiff er in der Bundesliga, leitete über 450 Bundesliga-Matches. Inzwischen ist er als TV-Experte unter anderem bei der ARD, ServusTV oder Amazon Prime tätig. Zudem arbeitet Wagner als Schiedsrichter-Beobachter und DFB-Lehrwart. In letzterer Funktion war er kürzlich bei der Schiedsrichtergruppe Bad Tölz zu Gast und sprach dabei über einige interessante Regel-Themen – sechzger.de war dabei. Sein Credo: “Der VAR macht den Fußball gerechter”.

„Der VAR macht den Fußball gerechter“

Zum Video-Assistant (VAR), dessen Einführung bekanntlich auch in der dritten Liga diskutiert wird und von den Vereinen abgelehnt wurde, sagte Wagner: „Der VAR ist kein Ober-Schiedsrichter, sondern kann nur Hilfe anbieten. Die Entscheidungsgewalt liegt ausschließlich beim Schiedsrichter“. Unter anderem zeigte Wagner den Strafstoß der Drittliga-Partie zwischen Sandhausen und Bielefeld als Video-Clip, in dem Putaro den Ball bei der Ausführung des Strafstoßes doppelt berührte. „Mit VAR hätte es dieses Tor nicht gegeben“, sagte Wagner zu Recht. In der Bundesliga-Saison 2022/23 habe es bei 1.623 VAR-Checks ganze fünf falsche und 13 unentdeckte Fehler gegeben. 128 Mal wurde eine Fehlentscheidung korrigiert. „Die Fehlerreduzierung lag bei 87,7 Prozent. Der VAR macht den Fußball gerechter, auch wenn er nie hundert Prozent erreichen wird“, erklärte Wagner. Eingreifen darf der VAR ohnehin nur bei der Entscheidung Tor ja oder nein, Strafstoß ja oder nein, Rote Karte ja oder nein, sowie bei Spieler-Verwechslungen, wie Wagner erklärte. Fehlentscheidungen wie letzte Woche würde es bei einer Einführung des VAR in der dritten Liga wohl weniger häufig geben…

„Lieber macht es einer der Ahnung hat…“

Angesprochen von sechzger.de, was er von der wöchentlichen Analyse der Schiedsrichter-Entscheidungen in der dritten Liga von Babak Rafati auf Liga 3 online halte, sagte der DFB-Lehrwart humorig: „Der Babak ruft auch mal an und fragt, wie das jetzt genau ist. Aber lieber macht das ein Schiedsrichter, der weitgehend Ahnung hat wie er, als selbsternannte Experten“. Auch jährliche Schulungen von Medienmitarbeitern gehören aktuell zum Aufgabengebiet von Wagner.

Stopp-Konzept – vielleicht bald auch in Liga drei?

Neu eingeführt in allen deutschen Amateur-Fußball-Ligen bis zur C-Klasse wird ab 1. Juli 2024 das sogenannte Stopp-Konzept, wie Wagner erklärte. Bei Hektik oder Rudelbildung kreuzt der Schiedsrichter zuerst die Arme über dem Kopf, wie bei einem Penalty im Eishockey und schickt dann beide Teams in ihren jeweiligen Strafraum, ehe er das Gespräch mit den beiden Kapitänen sucht. „Das ist eine Beruhigungsphase, über die Dauer entscheidet der Schiedsrichter“, berichtete Wagner. Dieses Konzept kann zwei Mal pro Partie genutzt werden, dann bleibt nur der Spielabbruch. „Hoffen wir, dass das mehr Ruhe auf unsere Fußballplätze bringt, es ist eine einfache und hoffentlich wirksame Sache“, erklärte Wagner. Möglicherweise könnte dies bald auch ein Thema für die Profi-Ligen werden…

Lehrreicher Abend für alle Schiedsrichter

Am Ende konnten nicht nur die Schiris der Tölzer Gruppe, sondern alle Gäste einige Neuerungen mit nach Hause nehmen. Gespannt sein darf man, wie sich das neue Stopp-Konzept in der nächsten Saison im Amateur-Fußball durchsetzen wird und ob es eine Option für die Profi-Ligen wird. Was denkt Ihr darüber?

Auf dem Bild: DFB-Lehrwart Lutz Wagner und Thomas Sonnleitner, Schiedsrichterobmann der SR-Gruppe Bad Tölz.

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HHeinz

Ich möchte gar keinen “gerechten” Fußball. Benachteiligt werden, Fehlentscheidungen (mal für und mal gegen einen) oder auch mit Dusel profitieren gehört für mich zu einem Fußballerlebnis dazu.
Habe den VAR in der 3. Liga nie vermisst.
Das Stopp-Konzept kann man ausprobieren. Dass so manches Spiel im Amateurbereich entgleitet hat aber aus meiner Sicht viele Ursachen.

1860forever

Stopp-Konzept ist keine schlechte Idee. Die Zahlen pro VAR sind gut gewählt, belegen vermeintlich, dass der VAR den Fußball gerechter macht. Überzeugt mich trotzdem noch nicht ganz, ich kann mich doch sehr häufig schlichtwerg nur wundern, was da so nach Sichtung der Fernsehbilder entschieden wird.

Stefan Kranzberg

Dieses Stopp-Konzept finde ich sehr interessant.