Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel Hallescher FC – TSV 1860 München am morgigen Samstag. Beide Mannschaften gehen mit gehörigen Sorgen die bisherigen Ergebnisse betreffend ins Spiel. Was kommt in Halle auf die Löwen zu?
Hallescher FC gegen den TSV 1860 München ist ein Duell, dass vor allem wegen der sportlichen Situation, in der sich beide Clubs befinden, höchst brisant ist. Während aber Halle zumindest auf dem Papier um einiges kämpferischer und organisierter erscheint, hat sich die Mannschaft von Maurizio Jacobacci seit den ersten beiden Spielen kontinuierlich verschlechtert. Gelingt gegen Halle die Trendwende? Wir werden sehen. Ich werde euch nun erläutern, wie die von Sreto Ristic trainierten Hallenser vermutlich gegen des TSV 1860 auftreten werden und wo mögliche Knackpunkte liegen, um dort erfolgreich zu sein.
Grundsätzlich spielen die Gastgeber bisher meist ein 4-3-3, aus dem sie in eigenem Ballbesitz rechtsgependelt über ein asymmetrisches 3-4-3 im gegnerischen letzten Drittel eine gestaffelte 3-4 Formation auf der Breite des Platzes herzustellen versuchen.
Gegen den Ball kippt aus dem System meist der linke Außenstürmer mit ins Mittelfeld ab. So entsteht eine Zweierpressinglinie, die im Raum auf eher mittlerem Niveau agiert mit drei versetzt dahinter agierenden Akteuren, von denen einer situationsabhängig bei Pässen auf den Flügel mit nach vorne geht, um dort den Passweg ins Mittelfeld zuzustellen. Halle arbeitet eher mit Angriffssteuerung und Pressingfallen als mit direkten Attacken.
Die Defensivlinie steht bisweilen sehr hoch, um das Mittelfeld für den Gegner möglichst eng und schwer bespielbar zu machen.
Bevor wir die bisherige Spielweise des Halleschen FC genauer unter die Lupe nehmen, wie immer die bisherigen statistischen Werte.
Statistische Werte des Halleschen FC
- Ballbesitz: 49%
- Passgenauigkeit: 80%
- Defensive Zweikampfquote: 61%
- Flankengenauigkeit: 38%
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 10,19
Spielweise des HFC
Mit Ball
Durch die eingangs schon erwähnte rechtsgependelte Viererkette entsteht im Aufbau zunächst ein asymmetrisches 3-4-3 mit auf der ballfernen Seite zurückhängendem Außenstürmer. Optisch kann das wie ein 3-2-3-2 wirken, je nachdem, wie weit der Außenstürmer abkippt.
Der Aufbau erfolgt grundsätzlich nicht nach einem festgelegten Schema, sondern kreativ immer dem folgend, wo der Gegner Räume offenlässt. Die gefährlichsten Attacken der Hallenser entstehen bisher von den Flügeln oder aus den Halbräumen, dort wo die offensiven Achterräume mit der Außenbahn zusammentreffen. Die Fähigkeit der Spieler auf den Außenbahnen sowohl invers zu agieren, als auch mit Flanken den Strafraum zu füttern, führt zu einer variablen Spielweise, die bisher von den Ergebnissen zu weniger geführt hat als man es von den statistischen Werten her hätte erwarten dürfen. Festzuhalten bleibt, dass das, was über außen ins Zentrum kommt, sowohl auf dem Boden als auch in der Luft oft brandgefährlich ist und Halle bisher oft am gegnerischen Torwart und nicht an der eigenen Spielweise gescheitert ist.
Sieht Torhüter Müller einen Vorteil darin die Kugel lang nach vorne zu dreschen, weil ein Stürmer gut postiert oder die Restverteidigung des Gegners zu dünn besetzt ist (oder beides), wird er als mitspielender Torwart nicht zögern, diese Option für einen Angriff zu nutzen.
Gegen den Ball
In der Rückwärtsbewegung nach Ballverlust im letzten Drittel setzt Halle auf zwei zentrale Spieler in der Pressinglinie, die Passwege ins Mittelfeld zustellen sollen. Wenn das wie gewollt gelingt und der Ball auf eine der Außenpositionen gespielt wird, rückt dort ein dritter Spieler in die Pressinglinie auf.
Die Außenverteidiger stehen auf der ballfernen Seite zunächst eher hoch, um keine Räume für lange Diagonalbälle im Mittelfeld offen zu lassen. Wenn der Gegner über die Mittellinie kommt, erfolgt der Rückzug auf allen Positionen schnell und diszipliniert. Halle lässt so entweder ein 4-4-1-1 oder ein 4-5-1 entstehen. Das sowie die genaue Staffelung hängt von der Breite im Spiel des Gegners und von der jeweiligen Angriffsrichtung ab.
Im letzten Drittel kippt oft einer der Sechser mit in die Defensivreihe ab, der dort wie ein Libero agiert und den gegnerischen freien Mann, der sich zwischen zwei defensiven Dreierräumen bewegt, solange wie nötig übernimmt.
Wie kann man Halle knacken?
Bei Ballbesitz
Die Zauberworte für die Löwen im Duell Hallescher FC – TSV 1860 sind Präzision, Laufarbeit und Kampfbereitschaft. Die Hallenser wissen genau, wo ihre Pressingfallen gestellt sind und verteidigen diese äußerst gut. Mit vertikalem Spiel und Einzelkämpfern wird man Halle nicht bezwingen können. Das bedeutet für den TSV 1860 München, dass sowohl im Aufbau als auch in der Vorbereitung zur Penetration der Box ein Höchstmaß an Laufarbeit für die Spieler im Mittelfeld zu absolvieren sein wird, wenn man dort etwas mitnehmen will.
Schnelle Richtungswechsel auf den Außenpositionen sind notwendig, um sich dort freizulaufen. Kreuzbewegungen, Winkelläufe und flache Horizontalsprints, um sich möglichst ungedeckt in den Achter- und Zehnerräumen anzubieten. Das alles gepaart mit flüssigem und präzisem Passspiel auf die jeweils beste Option ohne zu lange den Ball zu halten sollte es möglich machen, Halles Mittelfeld auseinanderzunehmen. Grundvoraussetzungen dafür ist, dass jeder Spieler seine Laufwege in Abhängigkeit von den Laufwegen des Mitspielers kennt.
Ein kleiner Ausflug an die Taktiktafel
Ein variabler Spielzug nach diesem Schema wäre z.B.: während der tiefe Sechser am linken Sechserraum den Ball aus der Abwehr bekommt und führt, läuft der Box to Box Spieler durch die Mitte kreuzend in den vertikal davor liegenden offensiven Achterraum. Gleichzeitig verschiebt der Zehner entgegengesetzt des Laufs des Box-to-Box Spielers horizontal in den offensiven Achterraum und der ballferne Mittelfeldaußen diagonal sowie parallel zum Box-to-Box Spieler den Weg des Zehners kreuzend. Der ballnahe Außenverteidiger drängt steil auf den offensiven Flügel, von wo der dortige Außenspieler horizontal in den zentralen Zehnerraum läuft. Zum besseren Verständnis hier zwei Grafiken.
Beispiel für taktische Verschiebungen: Ausgangslage und Laufwege
Taktische Verschiebungen: Endpositionen aus diesem Beispiel
Laufen alle Spieler im richtigen Moment los und spielt der Sechser den Eröffnungspass präzise auf einen dieser Spieler, die sich dann in Bewegung befinden, kommt der Gegenspieler, der dann eh schon aus der Position gezogen war, bei den Folgepässen in 90% aller Fälle zu spät und die Präzision der Folgepässe ist nicht mehr ganz so entscheidend, sofern sie nicht zu stark vom Plan abweicht und die Passlänge sowie Wucht auch richtig gewählt sind. Grundvoraussetzung ist jedoch das a) keiner der Spieler, die im Spielzug mit einbezogen werden, den Ball zu lange hält (mehr als zwei Kontakte sind zu viel), b) jeder das richtige Timing hat und c) auch den richtigen Laufweg einhält.
Je näher ein Spieler beim ballführenden Sechser positioniert ist, desto schneller muss er im Kopf sein, um den Spielzug mitzudenken und auch die richtige Entscheidung zu treffen. Wer wann wohin läuft, bestimmt immer die Richtung, in die der Box-to-Box Spieler seinen ersten Laufweg ansetzt.
Wenn sich immer nur ein Spieler bewegt und den Ball fordert, wird das Spiel ausrechenbar und langsam und somit leicht durchschaubar.
Gegen den Ball
Gegen den Ball ist es wichtig, diszipliniert vor allem die Spieler in den Halbräumen und im Zentrum im Griff zu haben. Von daher ist gegen Halle entweder eine gute Angriffssteuerung durch Pressing im Raum vonnöten, das Bälle ins Zentrum forciert, oder aber hartes hohes Pressing, das den Aufbau stark verlangsamt oder sogar unmöglich macht, um dann überfallartig selbst in die Umschaltsituation zu kommen.
Schafft es Halle, sich ins letzte Drittel durchzuspielen, gilt es wiederum die Spieler, die in die Halbräume einrücken, unter Kontrolle zu haben. Von dort wird die Penetration des Strafraums vorbereitet und oft auch abgeschlossen.
Eine kompakte 4-5 Formation mit dem tiefen Sechser zentral und dem Zehner als ballfernen Spieler vor der Viererkette im defensiven Halbraum vor der eigenen Box ist die sicherste Variante, um Halle nicht ins Messer zu laufen.
Stärken und Schwächen des 4-3-3
Stärken
Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante, die beispielsweise der SC Verl auf den Platz bringt – mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteidigern – entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.
Schwächen
Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnützen können. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld.
Schlüsselspieler
Abwehr
Der 1,90m große Sven Müller (#1) ist ein guter Drittligakeeper. Der aus Dresden an die Saale zurückgekehrte Torhüter ist ein großer Aktivposten der Hallenser, denn mit seiner Übersicht und Präzision bei langen Bällen scheut er sich nicht, in vielversprechenden Situationen die Kugel auch mal lang zu schlagen. Leichte Abstriche muss man bei seinem Reaktionsvermögen und im eins gegen eins in Kauf nehmen. Dafür beherrscht er seinen Luftraum exzellent, wenn er die Linie verlässt. Das Timing dabei ist allerdings nicht immer zu 100% stimmig, was zu gefährlichen Situationen führen kann, wenn Flanken präzise gespielt werden.
Innenverteidiger Jonas Nietfeld (#33) ist Kapitän, Abwehrchef und unermüdlicher Antreiber von hinten heraus. Eine unbestrittene Schwäche bei Kopfballduellen ist sein größtes Manko. Zweikämpfe am Boden gewinnt er mit hoher Wahrscheinlichkeit und die Grätsche muss er durch sein gutes Stellungsspiel so gut wie nie auspacken. In der Spieleröffnung ist er passsicher und ideenreich.
Mittelfeld
Das halbzentrale Duo Tunay Deniz (#20) und Timur Gayret (#10) sind die kreativen Köpfe des Teams. Beide sind extrem ballsicher, sich nicht zu schade gegen den Ball mitzuarbeiten und können sowohl Angriffe vorbereiten als auch abschließen. Beide sind sehr ähnliche Spielertypen, die immer, wenn sie am Ball sind und Raum zur Verfügung haben, brandgefährlich werden können. Technisch gut, passsicher und torgefährlich sind sie die Spieler, die man aus dem Spiel nehmen muss, um sicher zu gehen, dass Halles Offensivspiel nicht zur Entfaltung kommt.
Sturm
Der aus Zwickau an die Saale gewechselte Dominic Baumann (#28) ist mit bisher vier Treffern ohne Frage der gefährlichste Angreifer im Team der Hallenser. Ein Stoßstürmer, der auch als Zielspieler fungiert, mit Topwerten in den Statistiken, was Dribblings und Passgenauigkeit angeht. Dennoch lebt er von den Zuspielen seiner Hintermänner Deniz und Gayret. Wenn sie ihn nicht aus der Tiefe oder von der Halbzentrale einsetzen, sticht er nicht.
Fazit Hallescher FC – TSV 1860 München
Es wäre schön, wenn die Spieler des TSV 1860 München gegen den Halleschen FC endlich die Konzentration durchgehend hochhalten könnten und damit drei Punkte aus Sachsen-Anhalt entführen würden.
Halle zu schlagen ist sicherlich möglich. Können die Löwen es tatsächlich umsetzen, Kampfgeist, Konzentration, Laufbereitschaft und Siegeswille über 90 Minuten zu zeigen, oder werden sie wieder auf einzelnen Positionen eigensinnig und nicht mannschaftsdienlich, kopflos und nonchalant agieren?
Ich wünsche mir einen Punkt, noch schöner wäre ein Sieg, befürchte aber, dass es nicht reichen wird, um drei Punkte aus Halle mitzunehmen. Ich hoffe, die Mannschaft straft mich Lügen.
Mögliche Aufstellung der Gastgeber
Datenquelle: Wyscout
Die Taktiktafel jetzt auch noch mit graphischen Schautafeln. Wir werden hier alle noch zu Experten! Vielen Dank an Bernd für Deine unermüdliche Arbeit.
Das war lediglich zur Verdeutlichung des angeführten Beispiels. Die werden vermutlich kein standardmäßiger Bestandteil der Taktiktafel werden.
Um Himmels Willen! Ich wollte Dich jetzt nicht unter Druck setzen 😉