Die emotionale Achterbahnfahrt der letzten Tage im Hinblick auf einen Stadionbesuch heute Nachmittag war für viele Löwenfans wahrscheinlich beispiellos und wenn das anstehende Spiel der Löwen gegen Lübeck auch nur annähernd eine vergleichbare Dramaturgie bereithält, dann dürfen wir uns – leider wieder nur vor den TV-Geräten und/oder dem sechzger.de-Liveticker – auf einiges gefasst machen…

Dieser Vorbericht sollte eigentlich an das epische 4:3 gegen Chemnitz am 29. Februar erinnern, bei dem zuletzt Fans auf Giesings Höhen feiern durften. Als Einstimmung auf ein Comeback von zumindest 1.500 Löwenfans. Satz mit X… So kommt es also heute zum insgesamt zehnten Geisterspiel in der Heimat in Folge.

Als historisch hätte ich das Ereignis hier bezeichnet, wenn nach sieben Monaten wieder Zuschauer Einlass gefunden hätten. Dem hat die Stadt München kurzfristig dann doch noch einen kompletten Riegel vorgeschoben. Historisch ist es aber dann dennoch – und zwar in dem Sinne, dass der VfB Lübeck heute zum allerersten Mal seine Visitenkarte auf Giesings Höhen abgibt. In der langen Geschichte der beiden Traditionsvereine gab es überhaupt erst zwei Duelle – beide im DFB-Pokal. Ende Januar 1968 siegten die Löwen vor 17.000 Zuschauern an der Lohmühle in der 1. Hauptrunde mit 1:0. Fast 39 Jahre später, im September 2006 unterlag die Zweitligatruppe von Walter Schachner dem Nord-Regionalligisten (damals trainiert von Bernd Hollerbach) vor 7.400 Zuschauern ebenfalls in der 1. Hauptrunde mit einem peinlichen 1:0. Mehr war bisher nicht zwischen den Lübeckern und unseren Löwen.

Der „Verein für Bewegungsspiele von 1919“  ist im aktuellen Tabellenbild der 3. Liga nach drei Runden der schwächste Aufsteiger. Aus drei Spielen konnten die Hanseaten erst zwei Punkte holen. Einen davon gleich zum Auftakt daheim gegen den derzeitigen Tabellenführer und Mitaufsteiger Saarbrücken. Nachdem Verl den zweiten Platz belegt und Türk Gücü Sechster ist, haben sich die Nordlichter mit dem 16. Tabellenplatz erstmal bei den Hinterbänklern eingereiht, liegen aber damit immerhin noch vor den ambitionierten Schwergewichten aus Duisburg, Krefeld-Uerdingen, Lautern und Magdeburg.

Dem Aufstieg unserer heutigen Gäste gingen eineinhalb Jahrzehnte voraus, die man fast konstant in der Regionalliga Nord verbrachte, was bis 2008 immerhin noch die Drittklassigkeit bedeutete. In der Regel gelangen in diesen langen Jahren einstellige Tabellenplätze, ohne dass man aber wirklich ernsthaft von einer Rückkehr in den Profifußball träumen durfte. Diesen hatte man im Sommer 2004 mit einem 15. Platz der 2. Liga verlassen. Eine gewisse Parallele zu unseren Löwen, die sich in jener Saison ja aus der 1. Liga verabschieden mussten: Sieben sieglose Spiele zum Ende der Spielzeit sorgten dafür, dass die Lübecker, die noch im Frühjahr auf dem sechsten Platz gelegen hatten, durchgereicht wurden. Und auch wirtschaftliche Probleme kennt man – wie in München Giesing – an der Lohmühle gut: Im April 2008 musste man einen Insolvenzantrag stellen, der allerdings nicht zur zunächst befürchteten Verbannung in die Verbandsliga führte. Man blieb Regionalligist. Gut vier Jahre später stand der nächste Insolvenzantrag auf dem Programm und dieser hatte dann zur Folge, dass alle Lübecker Regionalligaspiele der Saison 2012/13 aus der Wertung genommen wurden und man in die Schleswig-Holstein-Liga zurückgestuft wurde. Ähnlich unseren Löwen 2018 gelang dem VfB aber 2014, nur ein Jahr nach dem tiefen Fall, die Meisterschaft  und per Aufstiegsrunde der sofortige Wiederaufstieg in die Regionalliga.

Dies als kurzer Ausflug in die Geschichte unserer heutigen Gäste. Normalerweise blicken wir an dieser Stelle dann wieder nur auf das aktuelle Spiel und nicht zu weit in die Zukunft, machen heute aber eine Ausnahme davon. Das Rückspiel in Lübeck, das für viele Löwenfans einen Pflichttermin darstellt, findet am Wochenende um den 6. Februar 2021 statt. Wir hoffen inständig, dass dieses Spiel im altehrwürdigen Stadion an der Lohmühle dann mindestens so viele von uns besuchen können, die auch für heute Nachmittag ein print@home-Ticket auf ihren Rechnern gespeichert hatten – ehe es sich die Stadt München nochmal anders überlegte.

Für die VfB-Fans hätte es sich – natürlich auch nur ohne Corona – übrigens durchaus gelohnt, diesen Herbst vorrübergehend ein Quartier in unserer Landeshauptstadt zu beziehen: Nach dem 0:1 in Unterhaching vor zwei Wochen und dem heutigen Aufritt bei unseren Löwen schließt das Team von Trainer Landerl in zehn Tagen mit einem erneuten Spiel auf auf Giesings Höhen – bei Türk Gücü – seine „München-Wochen“ ab. Mal sehen, wie erfolgreich diese dann waren.

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