Für die Fangeneration, die erst nach dem Zwangsabstieg 1982, also in den langen Bayernligajahren ihr Herz für den TSV 1860 entdeckte, war das hier beschriebene traurige Ereignis der erste aktiv miterlebte Abstieg einer Löwenmannschaft. Zehn Jahre nach der besagten – wirtschaftlich begründeten – Zwangsversetzung in die Bayernliga. Heute vor 33 Jahren unterlagen die Löwen an einem Dienstagabend bei Fortuna Köln mit 0:2 und stiegen – diesmal also sportlich – in die drittklassige Bayernliga ab. Am Ende einer Saison, die in vielerlei Hinsicht anders war, als jene zuvor und danach war allerdings schon vor der Partie im Südstadion die Hoffnung auf eine finale Rettung sehr gering. Den Klassenerhalt hatte man – typisch Sechzig vielleicht – in dieser Spielzeit vorher mehrfach leichtfertig liegen gelassen.

Aufstieg 1991 und Wiedervereinigung des deutschen Fußballs

Im Juni 1991 war der Jubel grenzenlos! Trainer Karsten Wettberg, danach direkt zum “König von Giesing” geadelt, hatte die Löwen wachgeküsst, zur Bayernligameisterschaft geführt und den TSV 1860 in einer nervenaufreibenden Aufstiegrunde, in der sich nur ein Team durchsetzen würde, gegen Borussia Neunkirchen, den 1. FC Pforzeheim und Hessen Kassel zurück in den bezahlten Fußball geführt. Aufgrund der im Sommer 1991 vollzogenen Wiedervereinigung des Fußballs der BRD und der DDR wurde die 2. Bundesliga in eine Nord- und eine Südstaffel mit jeweils zwölf Teams geteilt. Theoretisch hätte man schon vor der Winterpause mit einem sechsten Tabellenplatz den Klassenerhalt in der Tasche haben können. 1860 wurde aber aufgrund einer eklatanten Abschlussschwäche und mit elf Unentschieden aus 22 Spielen nur Zehnter und fand sich in der sogenannten Abstiegsrunde (mit fünf Konkurrenten aus der Hinrunde) wieder.

Weitere fünf Monate später stand der drittletzte Tabellenplatz dieser Abstiegsrunde zu Buche, der zwar den direkten Abstieg verhinderte, allerdings musste man mit dem drittletzten der Nordstaffel (Fortuna Köln) und dem zweitbesten aufstiegsberechtigten Team der Oberliga Nord (dem TSV Havelse) in eine Relegationsgruppe mit Hin- und Rückspiel. Aufstiegstrainer Karsten Wettberg wurde am Tag nach dem letzten regulären Spieltag, einem 0:1 im Leipziger Zentralstadion gegen den dortigen VfB (heute wieder Lokomotive Leipzig) entlassen.

Relegationsrunde mit Fortuna Köln und TSV Havelse

In der Dreiergruppe gelang dem dann von Co-Trainer Edi Stöhr betreuten Team ein 0:0 in und ein knapper 1:0-Sieg gegen Havelse. Das Heimspiel gegen Fortuna Köln wurde allerdings kläglich mit 1:4 verloren. “Jetzt hilft den Löwen nur noch ein Wunder” titelte tags darauf die Abendzeitung und brachte es damit auf den Punkt. Es bestanden am 9. Juni im für 1860 abschließenden Spiel in Köln nur noch theoretische Chancen auf den Klassenerhalt. Ein möglichst hoher Sieg musste her und die Kölner durften dann im vier Tage später abschließenden Spiel gegen Havelse bestenfalls unentschieden spielen bzw. mussten sie – je nach Torverhältnis – sogar verlieren.

Treueschwüre trotz (oder gerade wegen) des drohenden Abstiegs: Löwenfans vor dem Kölner Südstadion

Der bittere Abstieg in Köln

Trotz der wenig hoffnungsvollen Ausgangslage machten sich rund 500 Löwenfans auf den Weg nach Köln, was damals für einen Wochentag eine durchaus stattliche Anzahl bedeutete. Und die wurden auch an diesem Abend bitter enttäuscht. Zwar hielt das Team um Löwenlegenden, wie Thomas Miller oder Roland Kneißl die Partie lange offen, zeigte jedoch zu keinem Zeitpunkt den eigentlich angekündigten großen Kampf um den letzten Strohhalm. Dabei hatte der damals designierte Löwenpräsident Karl-Heinz Wildmoser noch eine klare Devise ausgegegeben: “Wir müssen in Köln gewinnen und die Fortuna dabei so fertigmachen, dass sie dann auch in Havelse verliert.”

Den 13.000 Zuschauern im Kölner Südstadion wurde allerdings ein ganz müder Kick geboten. Kaum Torchancen hüben wie drüben und ein überaus nervöses Ballgeschiebe. Kurz nach der Pause durften die Gastgeber dann aber jubeln, als sie mit 1:0 in Führung gingen. Eine halbe Stunde später folgte das 2:0 und der für die Fortuna im Frühjahr schon nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt. Die Löwen mussten zurück in die Bayernliga.

Hoffnung auf Lizenzentzug für Leipzig

Zwei Tage lang wurde – vor allem von den Münchner Boulevardzeitungen – noch eine kleine Flamme der Hoffnung auf den Klassenerhalt am Grünen Tisch am Lodern gehalten. Der VfB Leipzig hatte Schwierigkeiten die Lizenzauflagen für die 2. Bundesliga 1992/93 zu erfüllen und es drohte der wirtschaftlich begündete Abstieg. Letztlich brachten die Sachsen aber die fehlende Bürgschaft für Sponsorenerlöse von 1,4 Millionen D-Mark auf und stiegen im Sommer darauf gar für eine Saison in die Bundesliga auf. Der TSV 1860 lag im Juni 1992 nach dem Abstieg dagegen – mal wieder – in Trümmern. Und wie ging’s weiter? – Im Sommer heuerte auf der Trainerposition ein gewisser Werner Lorant an der Grünwalder Straße 114 an und führte die Löwen innerhalb von zwei Jahren selbst in die Bundesliga.

 

Die Aufstellung des TSV 1860

Interimstrainer Edi Stöhr schickte am 9. Juni 1992 folgende Mannschaft aufs Feld:

R. Berg – Miller, Hinterberger (80. Koutsoliakos), Maurer – Störzenhofecker, Ö. Berg, Kneißl (58. Schmidbauer), Zeiler, Ziemer – Heisig, Pingel

Tore:1:0 Schneider (52.), 2:0 Pfahl (82.)

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Alexander Schlegel

Da krebsten wir jahrelang in der Bayernliga herum und glaubten schon gar nicht mehr daran, jemals wieder aus dieser Schwammerlliga rauszukommen, und dann kam nach dem viel umjubelten Aufstieg so eine Sch..-Saison. Ich war so angefressen, hauptsächlich nach der Entlassung von Wettberg, dass ich ein Löwen-Sabbatical einlegte. Eine Saison lang bin ich auf kein Spiel mehr und habe auch keine Ergebnisse nachgelesen. Das ging damals noch recht einfach ohne Internet. Komischerweise habe ich dann in Prag eine deutsche Zeitung zur Hand genommen und las vom überraschenden Aufstieg der Löwen. Was für eine Freude. Sabbatical war beendet.
Ihr könnt mich jetzt Erfolgsfan schimpfen, aber ich war so oft in Bayernliga-Zeiten draußen und mein Vater und ich haben wirklich teilweise einen Grottenfußball zu sehen bekommen, dass ich mir das einfach nicht schon wieder antun wollte.

United Sixties

Danke auch für diese Negativerinnerung 1991/92.
Aber mit Berg, Miller, Maurer und Störzenhofecker sowie Magic Kneissl stand dann ja Lorants Aufsteigergerüst bereit für die folgenden Erfolge und dann zehn unvergleichlichen Sensationsjahre unserer Löwen bis zum Abstieg 2004. Meine Helden der 90er + Trares, Schwabl, Nowak, Heldt und Winkler/PaKult.

buschi

Ein düsterer Abend war das in Köln, damals. In meiner Erinnerung weniger als 500 Löwenfans, ich war nach dem Spiel auf dem Zaun und hab „wir kommen wieder“ gebrüllt. Immerhin hab ich Recht behalten 😊

Bleibt zu sagen: Pingel und Heisig haben zusammen einfach nicht funktioniert, da steckte mehr in der Truppe. Wie so oft.

Danke für den Bericht und das wachrütteln der Erinnerungen, die mittlerweile schön geworden sind.

Last edited 8 Tage zuvor by buschi