Herzlich Willkommen zur letzten Taktiktafel Analyse des Jahres nach dem Sieg unseres TSV 1860 gegen die Würzburger Kickers.

Vor mittlerweile vier Tagen unterlagen die gastgebenden Würzburger Kickers dem TSV 1860 München mit 0:3. Der Sieg unserer Sechzger ist ein schöner Jahresausklang. Allerdings hat man nicht nur Licht gesehen, es war auch einiges an Schatten vorhanden.

Michael Köllner schickte die Mannschaft des TSV 1860 München zum zweiten Mal in einem 3-4-1-2 System auf den Platz. Dem stellte Würzburgs Trainer Danny Schwarz ein 4-2-3-1 entgegen.

Kommen wir nun erst einmal zu den Zahlen.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz TSV 1860 35% – Würzburger Kickers 65%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 68% – Würzburger Kickers 80%
  • Defensive Zweikampfquote TSV 1860 67% – Würzburger Kickers 57%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 7/4 – Würzburger Kickers 14/5
  • PPDA (Zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 15,07 – Würzburger Kickers 7,28

Was sagen diese Zahlen aus?

30% weniger Ballbesitz als der Gegner, nur halb soviele Schüsse abgefeuert, 12% geringere Passgenauigkeit, mit 15,07 eine niedrige Pressingintensität und doch gewonnen. Lügen die Zahlen? Nein. Man muss sie nur in den richtigen Kontext setzen.

Der Reihe nach: Wenig Ballbesitz! Warum war das so? Nach Ballverlusten an die Kickers hat sich der TSV 1860 schnell zurückgezogen und in der eigenen Spielfeldhälfte kompakt gegen den Ball gearbeitet. Das hat jedoch, vor allem im Mittelfeld, bei weitem nicht so gut funktioniert wie gegen Dortmund II, als das sehr ähnlich gespielt wurde.

Die letzte Reihe der Sechzger stand allerdings bombenfest und wenn alle Stricke reißen, hält Hiller die Unhaltbaren. Klingt gut und trifft für dieses Spiel auch ganz klar zu. Aber das Mittelfeld, das Dortmund gegen den Ball noch so bravourös kontrolliert hat, hat Würzburg zu viel Platz gelassen. Sage und schreibe 48 Positionsangriffe konnten die Würzburger zu Ende spielen. Das ist sehr viel. Dass daraus nur vierzehn Schüsse entstanden sind, ist allerdings wiederum eine sehr gute Defensivleistung. Wir sehen: in jedem Licht steckt Schatten und andersherum.

Die Passgenauigkeit von 68% liegt zehn Prozent unter dem Saisondurchschnitt. In keinem anderen Spiel gab es in der Hinrunde verhältnismäßig mehr ungenaue Pässe als in diesem. Das klingt erstmal schlecht. Ist das aber wirklich so dramatisch? Nein, ist es nicht. Warum nicht? Das liegt an der taktischen Herangehensweise. Mit einer “langer Hafer” Taktik im Spiel nach vorn, das schnell und vertikal sein soll, geht man wissentlich das Risiko ein, dass ein langer Ball nicht ankommt. Der zweite Ball ist in diesen Fällen entscheidend. Wenn man dann als attackierendes Team viele schnelle Spieler auf dem Feld hat, werden diese zweiten Bälle in der Mehrheit der Fälle der angreifenden Mannschaft gehören. Bei dieser Spielweise ist Kampf so gesehen fast wichtiger als die Genauigkeit. Was jedoch passiert, wenn die Genauigkeit stimmt, hat auch dieses Spiel offenbart. Alle drei Tore fielen aus Situationen, die mit einem langen Ball eingeleitet wurden.

Eine der schlechtesten Pressingintensitäten der Saison. 15,07. So what? Wenn die eigene Mannschaft tief steht und das Mittelfeld eng macht, soll doch der Gegner schauen, wohin er den Ball spielen kann und ob er dann unbedrängt ankommt. Für meinen Geschmack kamen die Bälle aus der Abwehr ins Mittelfeld der Kickers und auch von dort weiter nach vorn ganz klar zu häufig an. Wenn Mannschaften, die im Sturm besser besetzt sind als Würzburg, so durch unser Mittelfeld spazieren wie die Gastgeber das streckenweise gezeigt haben, kann das Böse enden.

In den Pressingrelevanten Zonen führten die Löwen nur 20 defensive Zweikämpfe, das ist bei 143 Ballbesitzphasen der Kickers zu wenig. Wenn die erste Reihe im Pressing für Angriffssteuerung zuständig ist und nicht für Balleroberung, dann sollten im Mittelfeld mehr Aktionen gegen den Ball stattfinden als am Montag. Die Idee, Angriffe auf die linke Seite zu steuern war gut und hat funktioniert. Von dort wurde auch nahezu jede Gefahr unterbunden. Wenn es den Würzburgern jedoch gelang durchs Zentrum zu spielen oder sie ihr Spiel auf den eigenen linken Flügel verlagern konnten, dann gab es brenzlige Momente.

Das Spiel Würzburger Kickers – TSV 1860

Die Löwen traten im 3-4-1-2, also einer Variante des 3-4-3 an. Interessant waren vor allem die Verschiebungen gegen den Ball, was gegen Dortmund zumindest am Fernseher noch nicht so stark auffiel. Die zur Verstärkung der Dreierkette zurückfallenden Mittelfeldaußenspieler wurden von den Innenverteidigern auf ihrer Seite unterstützt. Salger dirigierte diese Verschiebungen lautstark. So kam es auf den Flügeln und auf den Halbpositionen im Spiel gegen den Ball zu vielen Dopplungen, mit denen die Würzburger nicht zurechtkamen.

67% der von Sechzig geführten Defensivduelle fanden auf der linken Abwehrseite der Sechzger statt. Das Duo Steinhart – Greilinger das, je nachdem wie sehr Würzburg den eigenen rechten Flügel überlud, mal mehr mal weniger Unterstützung brauchte, verlor insgesamt nur drei defensive Zweikämpfe.

Auch wenn die Angriffe der Würzburger hauptsächlich über die linke Abwehrseite der Löwen kamen: Spielte Würzburg über die rechte Defensivseite der Löwen oder durch die Zentrale wurde es durchaus gefährlich.

Bei eigenem Ballbesitz wurde aus der interessanten Fünferkette wieder eine Dreierkette. Greilinger und Willsch marschierten mit nach vorne. Deichmann agierte bei Ballbesitz in der Mittelfeldzentrale, Linsbichler vor ihm und Dressel dahinter. Lex und Bär waren mit allen Freiheiten ausgestattet und nutzten diese auch vortrefflich.

Gegen den Ball spielte der TSV 1860 München also 5-3-2 mit Deichmann, Linsbichler und Dressel auf einer Linie vor der eigenen letzten Reihe. Mit Ball war es ein 3-4-1-2 mit leichter Asymmetrie bei den Mittelfeldaußen.

Die erste Halbzeit

Würzburg hatte sowohl das Pressing als auch die Defensivlinie hoch angelegt. Mit hohem Pressing und schnellem Spiel bei Ballbesitz wollten die Würzburger Druck auf den Strafraum und das Tor der Löwen ausüben und wenn möglich aufrechterhalten. Tatsächlich gelang das den Kickers nach einer neunminütigen Abtastphase recht gut. Der noch im Spiel gegen Dortmund hochgelobte Defensivdruck der Mittelfeldspieler der Löwen konnte gegen Würzburg kaum aufgebaut werden. So spielten sich die Unterfranken in der Spielfeldhälfte der Löwen fest. Mehr als Entlastungsangriffe war für die Löwen in der ersten halben Stunde nicht drin. Mit der Überlegenheit beim Ballbesitz konnte aber auch Würzburg nicht viel anfangen. Drei Schüsse stehen bis zur 32. Minute auf dem Konto der Kickers. Pepic muss eigentlich gegen Hiller in der 10. Minute das Tor machen, aber der Löwenkeeper reagiert glänzend und hält den TSV 1860 München im Spiel.

Bei den Landeshauptstädtern war bis zum 0:1 noch überhaupt nicht aufs Tor geschossen worden. Trotzdem nutzten die Löwen ihre erste Chance, schockten die Gastgeber in der 32. Minute und stellten den Spielverlauf auf den Kopf. Als kurz darauf in der 37. Minute die Sechzger ihre Führung weiter ausbauen konnten, war jedoch die Moral der Hausherren noch nicht ganz gebrochen. Kurz vor dem Pausentee gab es weitere Chancen der Würzburger. Man darf davon ausgehen, dass zumindest Perdedaj diese Woche sein Versagen in der 43. Minute noch das ein oder andere Mal vor seinem geistigen Auge ablaufen lässt und sich fragt, wieso er den Ball nicht ins Tor bringt.

Die Antwort heißt Marco Hiller. Was der Mann in diesem Spiel 100%ige gehalten hat, war sehr schön anzuschauen.

Aufgrund der Herangehensweise beider Mannschaften an das Spiel ist es einerseits logisch, dass Würzburg viel Ballbesitz hatte. Und Ballbesitz zu erlauben allein ist auch nichts Tragisches. Was aber Würzburg mit dem Ball anstellen durfte ist andererseits grenzwertig. Da waren einige Situationen, bei denen ein Gegner mit stärkerem Sturmpersonal kurzen Prozess gemacht hätte.

Die zweite Halbzeit

In der zweiten Halbzeit hatten die Löwen das Spiel im Griff und unter Kontrolle. Immer häufiger kam nun ein Angriffspressing zum Einsatz. Durch immer hektischeres und dadurch ungenaueres Spiel aus der eigenen Abwehr nach vorne halfen die Würzburger den Sechzgern auch stark dabei das Geschehen auf dem Rasen zu kontrollieren.

Zweite Bälle waren kaum mehr Beute der Würzburger, die eigene Pressingintensität der Kickers ließ ebenfalls nach. Nur noch bei knapp über 50% rangierten deren defensive Zweikampfwerte und Offensivzweikämpfe gewann Würzburg in der zweiten Halbzeit ganze sieben Stück.

Die Sechzger kamen also gut auf die zweite Halbzeit vorbereitet aus der Kabine. In der Viertelstunde nach dem Pausentee hatte der TSV 1860 München seine spielerisch stärkste Phase im Match, konnte aber keinen Angriff mit einem Schussversuch abschließen. Das soll aber nicht heißen, dass der Ballbesitz annähernd ausgeglichen gewesen wäre. Noch immer kontrollierten die Würzburger die Kugel weit über 60% der Spielzeit. Zwischen der 60. und 75. Minute war der Ball sogar fast 80% der gespielten Zeit in Besitz der Würzburger.

Die leicht mehr auf Offensive ausgerichtete Spielweise nach der Halbzeitpause ließ Würzburg also zunächst wieder zu Gelegenheiten kommen. So schien dann Würzburg für eine kurze Zeit in die Partie zurückzufinden – ohne allerdings dabei etwas Zählbares herauszuspielen. Nicht einen Schuss konnten die Kickers in den 23 Minuten zwischen der 59. und der 82. Minute absetzen. Der Ball bewegte sich in dieser Zeit viel im Mittelfeld und auf den Flügeln. Zentral vor dem Tor gab es nur wenige Ereignisse auf beiden Seiten. In der halben Stunde nach Wiederanpfiff gab es auf beiden Seiten zusammen lediglich sieben Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Einer der Spieler, der so einen Kontakt verbuchen konnte, war Marcel Bär bei seinem Treffer zum 0:3.

Nach dem dritten Treffer war dann die Messe gelesen. Die Sechzger mussten nicht mehr und die Hausherren wollten zwar, aber Hiller hatte was dagegen. Kopacz und Pepic scheiterten spät (82. und 90.) am absolut grandiosen Keeper des TSV 1860.

Die Tore

Das 0:1

Nach einem Freistoß für den TSV 1860 auf der halblinken Seite vor dem eigenen Strafraum kam der Ball über die Stationen Steinhart, Greilinger und Willsch zu Belkahia auf der halbrechten Seite. Nachdem Willsch den Ball zu Belkahia zurückgelegt hatte, setzte sich auf einmal das gesamte Kollektiv der Sechzger in Bewegung nach vorn. Drei bis vier ausladende Schritte des 1,93 m großen Innenverteidigers reichten für einiges an Raumgewinn. In dem Moment als Belkahia dann von der Mittellinie aus einen genialen Steilpass nach vorne schlägt, ist Lex bereits auf gleicher Höhe mit Kraulich. Und als der Ball mit Lex auf gleicher Höhe ist, ist Lex schon dabei halbrechts in die Box einzudringen. Dank seiner Schnelligkeit konnte er sich ein wenig absetzen und einen Pass nach links in den Fünfmeterraum spielen. Diesen erreichte Marcel Bär vor Schneider und traf für den TSV 1860 München zum 1:0.

Das 0:2

Im Positionsspiel erkämpfte Greilinger links im Mittelfeld die Kugel und gab weiter nach vorn auf die halblinke Position nahe der Mittellinie, wo Bär den Ball in Empfang nahm und ihn schnell verarbeitete. An der Mittellinie dann schlägt nun Bär einen Steilpass auf Lex, der aus dem Zentrum diagonal auf die halblinke Seite der Box zuläuft. Schneider, Innenverteidiger der Kickers, spekulierte auf Abseits, aber verspekulierte sich damit. Dieser kurze Moment reichte Lex, um sich abzusetzen. In halblinker Position befindlich umkurvte er den fallenden Torhüter Bonmann in der Box und schob aus etwa acht Metern links vorm Tor zum 2:0 ein.

Das 0:3

Auf der linken Seite etwa fünf Meter neben dem Mittelkreis stellte sich Dressel einem Pass der Würzburger in den Weg. Der von seinem Fuß abgeprallte Ball kam zu Lex, der links hinter der Mittellinie in der eigenen Spielfeldhälfte postiert war. Lex schlug sofort einen hohen langen Ball ins Zentrum vor die Box der Kickers. Diesmal war es wieder Bär, für den der Ball gedacht war und der nach kurzem siegreichem Offensivzweikampf mit Kraulich aus elf Metern einen Meter rechts vom Punkt links an Bonmann vorbei ins Tor vollendete.

​Fazit zum Sieg des TSV 1860 bei den Würzburger Kickers

Solche Spiele muss man erstmal gewinnen. Mit unglaublich hoher Effizienz, einer tollen Leistung von Torhüter Marco Hiller sowie einiger genialer Momente, in denen die Bälle derart gekonnt in die Schnittstellen gespielt wurden, dass man nur mit der Zunge schnalzen kann beim Betrachten dieser Bilder. Mannschaftsdienliches Spiel vor dem Tor und eine lange nicht gekannte Kaltschnäuzigkeit beim Verwerten der Chancen waren weitere Faktoren, sehr positive Faktoren, die zum Sieg beigetragen haben.

Der Reporter auf Magenta TV sprach die Worte: “..im Stile einer Spitzenmannschaft…” und meinte damit die eiskalte Verwertung der wenigen sich bietenden Chancen. Wenn das mit der Chancenverwertung auch nach der Winterpause so bleibt und man zudem defensiv wieder zulegt, kann im neuen Jahr nicht nur der Stil spitze sein, sondern auch das Team an selbiger stehen. Vielleicht nicht ganz vorne. Aber wer weiß das schon? Was man weiß ist: “Alles ist möglich in dieser verrückten Liga.”

Ich bin zuversichtlich was die Entwicklung anbelangt. Mit dem frei gewordenen Mölders Gehalt kann man vielleicht in der Winterpause auch noch über die ein oder andere Verstärkung nachdenken. Der Systemwechsel würde die Entscheidung der Position diesbezüglich auch relativ leicht machen, sollte noch jemand geholt werden. Aus meiner Sicht ist die jüngste sportliche Entwicklung und auch die in naher Zukunft positiv.

Ich wünsche allen Lesern fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins Jahr 2022.

Datenquelle: wyscout

 

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coeurdelion

ich hab mir grad am Anfang der Partie gedacht,der Trainer hat deine Taktiktafel gelesen und wegen der beschriebenen fehlenden Kreativität der Wü´s in die Spitze denen das Spiel im MF überlassen in dem fesaten Glauben, dass das gutgeht! je länger das Match aber ging , desto mehr hat mich das Ganze an Schwimmunterricht erinnert 😉
ok, mit den sehr schön herausgespielten Toren hat sich das Spiel zu unseren Gunsten beruhigt; hätte aber auch böse in die Hose gehen können, erstaunlich war trotzdem die halbgare defensive Interpretation im Vergleich zum BVB II;
gut, durch die fehlenden Kreativen war die Entlastung nach vorne nicht sooo gut umsetzbar, da entstand wenig bis gar kein Gegendruck und die Besetzung der 10 mit Linsbichler war erst mal nix…..deine Analyse zeigt halt sehr präzise auf, was da über 90 min geboten wurde, und das war durch das klare Ergebnis schöngefärbt!
3 Arbeitspunkte….wichtig…erledigt

Michael

Messerscharf analysiert. Habe die Seite leider erst vor kurzem gefunden, bin seit dem aber Stammgast. Weiter so! 5 Sterne von mir.