Darf Co-Trainer Stefan Reisinger nach geltendem Verbandsrecht des DFB die Löwen nun trainieren, oder darf er nicht? In den Medien gibt es hierzu derzeit verschiedene Ansichten zu lesen. Wir haben uns einmal mit den DFB-Statuten befasst.

Welche Lizenz muss ein Cheftrainer in der Dritten Liga haben?

Die Vorgaben, unter welcher Lizenz eine Person Cheftrainer in der Dritten Liga sein darf, ist in der Spielordnung des DFB geregelt. Genauer: in Abschnitt C) I. Ziffer 4.a) der Statuten für die Dritte Liga. dort heißt es:

4. Personell-Administrative Zulassungsvoraussetzungen

a) Verpflichtung eines verantwortlichen Trainers für die Mannschaft der 3. Liga mit Pro-Lizenz (UEFA-Pro-Lizenz). Endet die Tätigkeit des Cheftrainers vor Ende der Spielzeit, kann übergangsweise für höchstens 15 Werktage ein Trainer ohne die erforderliche Lizenz beschäftigt werden. Für Aufsteiger aus der 4. Spielklassenebene gilt § 11 Nr. 5. der DFB-Ausbildungsordnung.

Ein Cheftrainer in der Dritten Liga muss also grundsätzlich die “UEFA-Pro-Lizenz” (zu Deutsch: Fußball-Lehrer”) vorweisen können. Diese hat Stefan Reisinger nicht. Er absolviert jedoch gerade den erforderlichen Lehrgang.

Ausnahmen von der Regel: Übergangsvorschriften

Jedoch gibt es natürlich selten einen Grundsatz ohne Ausnahme. Die Norm hält derer gleich zwei bereit: Bei Ausscheiden eines Cheftrainers mit UEFA-Pro-Lizenz (wie Michael Köllner), darf für eine Übergangsfrist von 15 Werktagen ein Trainer ohne die erforderliche Lizenz an der Seitenlinie stehen. Stefan Reisinger hätte also ca. 3 Wochen nach Michael Köllners Beurlaubung nach Abschnitt C) I. Ziffer 4.a) Satz 2 der Statuten für die Dritte Liga an der Seitenlinie offiziell coachen dürfen.

Die zweite Ausnahme bezieht sich auf Trainer ohne die erforderliche Lizenz, die einen Aufsteiger aus der Regionalliga trainieren: sie dürfen nach Satz 3 der vorzitierten Ziffer länger in der Dritten Liga coachen. Wie lange, genau, das regelt Abschnitt B) I. Nr. 1 a) § 11 Nr. 5 der DFB-Ausbildungsordnung, welcher besagt:

Trainer, die mit ihrer Mannschaft in eine Spielklasse aufgestiegen sind, für die die nächsthöhere Ausbildungserlaubnis erforderlich ist, können diese Mannschaft ohne zusätzliche Genehmigung (Nr. 4.) höchstens für eine Spielzeit weitertrainieren; (…)

Dies war im Falle 1860 die “Causa Bierofka”, dieser durfte die Löwen nach dem Aufstieg in die Dritte Liga weitertrainieren, begann im Juni 2018 den Lehrgang zum Fußball-Lehrer und schloss diesen nach weniger als einem Jahr im März 2019 in Hennef ab. Für Stefan Reisinger gilt diese Regelung jedoch nicht, da die Löwen letzte Saison nicht von der Regionalliga in die Dritte Liga aufgestiegen sind und selbst wenn dies so wäre, wären sie mit Michael Köllner aufgestiegen und der TSV 1860 könnte sich nicht auf die Regelung berufen.

Die nächste Ausnahme: Fußballtrainer, die den erforderlichen Lehrgang bereits begonnen haben

Co-Trainer Stefan Reisinger besitzt nach Kenntnissen unserer Redaktion die DFB A-Lizenz und nicht die UEFA-Pro-Lizenz. Jedoch absolviert er hierfür derzeit den Ausbildungslehrgang in Frankfurt am Main. Für derartige Konstellation kennt die DFB-Ausbildungsordnung in Abschnitt B) I. Nr. 1 a) § 11 Nr. 2 Satz 2 eine Lösung:

Für die Vereine und Tochtergesellschaften ergibt sich aus den in
Nr. 1 geregelten Berechtigungen der Trainer mit B-, DFB-Elite-Jugend-,
A- oder Fußball-Lehrer-Lizenz die Verpflichtung, entsprechend der Spielklassen der Mannschaften nur Trainer mit der entsprechenden Lizenz bzw.
Trainer, die den entsprechenden Lehrgang bereits begonnen haben, verantwortlich zu beschäftigen. Die Alleinverantwortung soll vertraglich abgesichert und nach außen erkennbar sein.

Nach geltenden DFB-Statuten wäre Stefan Reisinger also aus rechtlicher Sicht ohne Weiteres befugt, als Teilnehmer des Ausbildungslehrgangs zum Fußball-Lehrer die Löwen hauptverantwortlich zu trainieren, solange dies vertraglich abgesichert wäre und nach außen erkennbar (z.B. über die Website und/oder eine Pressemitteilung).

Die Regelung steht auch nicht im Widerspruch mit der “15-Tage-Regel”, die weiter oben beschrieben wurde. Denn die 15-Tage-Regel muss dahingehend verstanden werden, dass für 15 Tage IRGENDEIN Trainer (mit irgendeiner Lizenz) auf der Bank Platz nehmen darf, um in der Kürze der Zeit ein komplettes Vakuum auf der Position des Cheftrainers zu vermeiden.

Ein Trainer, der bereits mit der Ausbildung zur UEFA-Pro-Lizenz begonnen hat, ist per se durch in der Ausbildung bereits gewonnene Erkenntnisse als höher qualifiziert einzustufen – zudem ist das Ende seiner Ausbildung absehbar (ca. 1 Jahr später) und die UEFA-Pro-Lizenz dann vorhanden. Erwirbt er die UEFA-Pro-Lizenz nicht (durch Nichtbestehen der Prüfungen etwa), befindet er sich nicht mehr im Lehrgang und ist somit nicht mehr nach Abschnitt B) I. Nr. 1 a) § 11 Nr. 2 Satz 2 befugt, einen Drittligisten zu trainieren.

Also alles klar? Wo liegt das Problem?

Natürlich kann es aber auch neben den rechtlichen Vorgaben Gründe – seitens des TSV 1860 oder von Reisinger selbst – gegeben haben, Stefan Reisinger nicht zum (Interims-)Cheftrainer zu berufen.

Günther Gorenzel wartet nach eigenen Aussagen noch auf eine entsprechende Bestätigung des DFB, ob Reisinger offiziell Trainer an der Grünwalder Straße 114 sein darf: “Stand jetzt kann mir das vom DFB keiner rechtsbindend beantworten, was auf uns zutrifft. Ich erwarte mir im Laufe des Nachmittags auch eine schriftliche Stellungnahme dazu. Wir beziehen uns hier auf Fakten: Wir beziehen uns auf die DFB-Ausbildungsordnung – und das ist der neuen Ausbildungsordnung zwar so geregelt ist, aber in der Spielordnung ist das noch nicht klar geregelt. Aufgrunddessen wird das gerade intern diskutiert.”

Nach Studium der Spielordnung des DFB (das ist ein eigenes Dokument, welches insbesondere die Spielberechtigung für Fußballspieler*innen regelt und NICHT mit den Statuten für die Dritte Liga gleichzusetzen) durch unsere Redaktion wurde keine entsprechende Diskrepanz entdeckt.

Titelbild: Screenshot der DFB Statuten 3. Liga als Bildzitat

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Julian

Ich bin ja, in großen Teilen, auch der Meinung, von Jan Schraders Kommentar.
Nur muss man schon sagen, das hätte man früher prüfen können.
Das muss er sich leider vorwerfen lassen. Da gibt es auch keinen Punkt der ihn entlasten könnte.

andreas de Biasio

ganz abgesehen davon ob er jetzt darf oder nicht. ich würde nie den co (noch dazu mit dieser sportlichen Vergangenheit bei uns) auch wenn diese schon Jahre zurück liegt jetzt dann zum alleinigen Cheftrainer für 14 Spiele oder länger befördern. das ist keiner wo die Spieler Respekt haben werden. noch dazu war er bei Michael Köllner und Günther Gorenzel schon dabei.

Kraiburger

Kann man bitte zukünftig vor Verwendung des Namens “Reisinger” ein Vornamenskürzel veranstalten? Die Situation beginnt zunehmend, mich zu irritieren!

Last edited 1 Jahr zuvor by Kraiburger
Alex64

Sorry, aber die Ausbildungsordnung wurde vor drei Jahren entsprechend geändert, die Spielordnung aber nicht.

Leonie60

Aber die Spielordnung sagt doch
Endet die Tätigkeit des Cheftrainers vor Ende der Spielzeit, kann übergangsweise für höchstens 15 Werktage ein Trainer ohne die erforderliche Lizenz beschäftigt werden, sonst nix dazu.
Was gilt denn dann? Die Spielordnung oder die Ausbildungsordnung?

Redaktion Sechzger.de

Die Spielordnung verweist aber auch auf die Ausnahmetatbestände der Ausbildungsordnung. Insofern muss diese natürlich mit all ihren Punkten gelten.

Und man kann es auch so sehen: “Trainer mit UEFA-Pro-Lizenz” ist in der Spielordnung nicht definiert. Die Definition findet sich in der Ausbildungsordsnung, und diese stellt hinsichtlich der Frage, wer einen Drittligaclub trainieren darf, einen Trainer, der gerade die UEFA-Pro-Lizenz erwirbt (sich in Ausbildung befindet) dem Trainer gleich, der diese bereits besitzt.

Sprich: 15-Tage-Regel gilt nur für Trainer, die die Lizenz nicht haben und sich nicht in entsprechender Ausbildung befinden und steht somit der Regelung aus der Ausbildungsordnung nicht entgegen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Redaktion Sechzger.de
Leonie60

Das ist eure Interpretation oder gibt es das vom DFB schriftlich?

Redaktion Sechzger.de

Das ist unsere rechtliche Auslegung der verschiedenen Normen, natürlich ohne Gewähr, dass der DFB das auch so sieht. Aber dann hätte er tatsächlich ein Problem. Fest steht für uns: Der TSV 1860 hätte kein Problem bekommen, wenn er Stefan Reisinger als Trainer installiert hätte. Denn: die Spielordnung hat gar keine Vorschrift zu Trainern in entsprechender Ausbildung, die Ausbildungsordnung eben eine sehr detaillierte und das gilt dann im Zweifel.

Leonie60

hmm, ich befürchte ja, dass der DFB die Ausbildungsordnung geändert hat und die Spielordnung schlichtweg vergessen hat zu ändern. Hätte ich nach der Sache mit der gelben Karte / Neudecker damals, mir als 1860 / Gorenzel auch lieber abgesichert.
Aber gut ist ja jetzt rum, auf 3 Punkte heut