Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel des TSV 1860 München beim FC Ingolstadt. Die nach gutem Saisonstart momentan auf Platz vier liegenden Ingolstädter erwarten die kriselnden, punktlosen Löwen.

FC Ingolstadt – TSV 1860 München, das oberbayerische Duell geht in eine weitere Runde. Zum 23. Mal treffen die Löwen und der FCI in einem Pflichtspiel aufeinander. Neun Siege, sechs Niederlagen und sieben Unentschieden stehen aus Löwensicht bisher zu Buche. Worauf müssen wir uns am Samstag einstellen?

System

Sabrina Wittmann, Trainerin der Ingolstädter, lässt ihr Team grundsätzlich im 4-4-2 antreten. Welche Variante dieses Systems Frau Wittmann am kommenden Samstag wählt, werden wir sehen. Bisher gab es einmal das offensive 4-1-3-2 und zweimal das 4-4-2 mit Doppelsechs zu sehen. Große direkte Auswirkungen auf die Spielweise der Ingolstädter gibt es dadurch nicht. Es ändern sich lediglich die Abläufe bei den Verschiebungen ein wenig. Im Fluss der jeweiligen Spielrichtung macht das aber keinen Unterschied. Vor allem deshalb, weil in allen drei Fällen das Personal im Mittelfeld dasselbe war.

Linien

Im bisher einzigen Heimspiel der Schanzer gegen Waldhof Mannheim waren die Linien zu Beginn extrem hoch gewählt. In den beiden Auswärtsspielen hingegen ließ man zunächst den Gegner auf sich zukommen. Beide Ansätze waren auch schon von Erfolg gekrönt. Welchen Ansatz die Ingolstädter Trainerin wählen wird, ist noch unklar. Sowohl gegen konsequentes Pressing als auch gegen tiefstehende Abwehrformationen hat unsere Mannschaft noch keine großen Kabinettstückchen offensiver Art gezeigt. Von daher ist es eine Art von Blindflug, welche Marschrichtung die Trainerin der Gastgeber bezüglich der Linienwahl für Pressing- und Defensivlinie ausgeben wird.

Während des Spiels dürfen wir dann mit situativ wechselnden Mustern, sowohl bei der Linienwahl als auch beim Anlaufverhalten, rechnen.

Bevor wir zur Spielweise der Ingolstädter kommen, wie gewohnt, die bisherigen statistischen Werte der Gastgeber.

Statistische Werte des FC Ingolstadt 04

  • Ballbesitz 53%
  • Passgenauigkeit 80%
  • defensive Zweikampfquote 64%
  • Flankengenauigkeit 33%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 8,63

Wie spielt Ingolstadt?

Bei Ballbesitz

Auch wenn der Großteil der Ingolstädter Angriffe über einen der beiden Flügel eingeleitet wird, fühlen sich die Schanzer, wenn es um die Offensive im Positionsspiel geht, in den Halbräumen am wohlsten. Dabei läuft der Aufbau aus der Defensive heraus sehr variabel, sowohl die Zonen über die die Eröffnung läuft, als auch der auslösende Spieler variieren situativ, mit einer leichten Tendenz zur rechten Seite hin.

Es kann allerdings im Positionsspiel etwas Zeit in Anspruch nehmen bis die Mannschaft aus der Audistadt auf Touren kommt. Allerdings nicht deshalb, weil es den Schanzern an Ideen fehlen würde, sondern weil sie die Tempoverschärfungen gut dosieren und exzellent timen. Als würde eine Startschusspistole erklingen, bewegen sich, in vielen Situationen, wenn die Ingolstädter das Tempo anziehen, alle offensiven Spieler fast gleichzeitig. Einerseits um in einen sich öffnenden Raum einzudringen, andererseits um durch Verschiebung oder Abkippen diesen Raum zu öffnen. Gelingt es Ingolstadt dann das verschärfte Tempo beizubehalten und den Gegner so in den Reaktionsmodus zu bringen, dass keine proaktiven Unterbrechungsaktionen mehr erfolgen, wirken die Spielzüge der Schanzer teilweise derart flüssig, als wären sie choreografisch einstudiert.

Im letzten Drittel kommt von Ingolstadt relativ selten Gefahr aus dem Zentrum. Nichtsdestotrotz erspielen sich die Schanzer über den Zehnerraum bisher die gefährlichsten Angriffe. Am häufigsten kommt die Mannschaft von Sabrina Wittmann jedoch über die Halbzentrale und die Flügel.

Verschiebungen

Die Verschiebungen aus dem 4-4-2 heraus erfolgen über die rechte Seite. Es entsteht aus dem 4-4-2 zunächst ein 3-4-3. Im letzten Drittel entsteht wegen des – meist auf der Ballfernen Seite – nachrückenden Box to Box Spielers eine ballfern asymmetrische 3-4 Formation bei der der Ballferne außen mit in den Sechzehner einrückt.

Die generell recht ballsicher agierenden Ingolstädter zeigen diese Tugend auch im gegnerischen Strafraum. Hat Ingolstadt die Kugel innerhalb dieser kleinen Rechtecke, ist äußerste Konzentration gefordert. Die Schanzer haben mehrfach gezeigt, dass sie im Getümmel gute Lösungen finden.

Im Umschaltspiel gilt bei Ingolstadt das Credo: Tempo vor Genauigkeit. Allerdings wird dieses Tempo bei richtigem läuferischen Einsatz, trotz leichter Ungenauigkeiten, oft belohnt. Die pragmatischen Schanzer finden dabei schnell die freien Räume und gehen, wenn der Umschaltmoment gelingt, mit aller Konsequenz und schnörkellos nach vorne, um möglichst schnell in Abschlussposition zu kommen.

Gegen den Ball

Im Spiel beim FC Ingolstadt erwartet den TSV 1860 München grundsätzlich variables und der Situation, bzw. dem Ergebnis, angepasstes Pressingverhalten mit der möglichen Tendenz Zuhause, zu Beginn, eher viel Druck auf den Gegnerischen Aufbau auszuüben. Die Defensivlinie wird von den Schanzern an die Höhe der Pressinglinie angepasst. Diese wird allerdings gegen das Positionsspiel des Gegners bei unentschiedenem Spielstand oder Führung, selbst wenn die Pressinglinie hoch stehen sollte, nur in seltenen Fällen ebenfalls hoch aufgestellt.

Mit zwei Viererreihen verteidigen die Schanzer ihren Sechzehner gegen das Positionsspiel der Gegner. Der konservative Ansatz im letzten Drittel, vor allem in Ballnähe, immer sehr nah am Gegenspieler und im besten Fall leicht tiefer zu stehen als dieser, bewirkt, dass sich die Gegner der Ingolstädter im Positionsspiel sehr schwer tun, spielerische Lösungen zur erfolgreichen Strafraumpenetration zu finden.

Im Gegenpressing nach Ballverlust agiert Ingolstadt Reaktionsschnell und giftig, wenn nötig auch mit taktischen Fouls.

Stärken und Schwächen des 4-4-2 (mit Doppelsechs)

Stärken

Es wird zunächst eine starke, doppelte Abwehrkette aufgebaut. Dadurch wird es möglich den Gegner auf den Flügeln zu doppeln und trotzdem im Zentrum kompakt zu stehen. So zwingt man den Gegner oft Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Passwege können aufgrund der guten Staffelung in Tiefe und Breite leicht zugestellt werden. Das 4-4-2 Doppelsechs deshalb als defensives System zu bezeichnen, wäre zu einfach.

In der Offensive liegen die Stärken klar auf den Außenpositionen. Sowohl die Außenverteidiger als auch die Mittelfeldaußenspieler können für großen Druck auf den Flügeln sorgen.

Von den beiden defensiven Mittelfeldspielern im Zentrum übernimmt ein Spieler den offensiven Part (Box-to-Box Spieler) und der Andere bleibt auf seiner absichernden Position. So kann man die Lücke im Zentrum zu den Stürmern schließen.

Wenn das Zusammenspiel der Mannschaftsteile gegen den Ball so funktioniert, wie es in diesem System gewollt ist, zwingt man den Gegner oft auf die Flügel, sodass dieser mit Flankenläufen und hohen Bällen agieren muss, um den Ball ins Zentrum vors Tor zu bringen.

Schwächen

Die große Schwäche in diesem System ist normalerweise die Lücke zwischen Mittelfeld und Sturm. Sowohl bei eigenem Ballbesitz, aber auch nach einem Ballverlust ist es wichtig diesen Raum schnell zu schließen.

Es fehlt ein Kreativspieler im Zentrum. Deshalb ist das zentrale offensive Mittelfeld ein Schwachpunkt. Offensive Kreativität entwickelt sich im 4-4-2 mit Doppelsechs vornehmlich auf den Außenpositionen.

Durch das Fehlen des „Zehners“ wird dem Box-to-Box Spieler eine hohe Laufleistung abverlangt, damit sowohl offensiv als auch defensiv die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen schnell geschlossen werden.

Wie kann der TSV 1860 den FC Ingolstadt knacken?

Bei Ballbesitz

Die größten Chance in Ingolstadt etwas zu holen, liegt im Ausnützen von Umschaltmomenten. Schnelles, direktes, vertikales Spiel nach Ballgewinn, schnörkellos mit direktem Zug in Richtung gegnerischem Strafraum.

Im Positionsspiel wird es gegen Ingolstadt eher eine zähe Angelegenheit werden. Der Ansatz, den Ingolstadt, gegen den Ball im eigenen letzten Drittel, wählt, nämlich sehr Mannorientiert zu verteidigen, führt bei der angreifenden Mannschaft oft zu statischen Situationen auf dem Spielfeld.

Diese statischen Momente dann produktiv aufzulösen, Dynamik zu erzeugen und dem Spiel auch in der Tiefe wieder Tempo zu geben, das haben die Sechzger diese Saison noch nicht geschafft. Darum sind Umschaltmomente, sowie Präzision und Geschwindigkeit beim ausnutzen derselben, vermutlich die besten Hebel, um in Ingolstadt etwas Zählbares zu holen.

Gegen den Ball

Die variablen und durchaus dynamischen Schanzer mit hohem Pressing in Schach zu halten, halte ich für riskant. Darum denke ich, dass eine defensive tief gestaffelte Ausrichtung mit Kompakter Zentrale und asymmetrischer Kette gegen den Ball im Positionsspiel ein gutes Mittel ist. Immer unter der Voraussetzung, dass man das Umschaltspiel präzise und schnell gestalten kann.

Im Gegenpressing nach Ballverlusten hingegen, darf man gegen Ingolstadt keine Kompromisse eingehen. Lieber ein Foul riskieren, als den Überzahlmoment im Umschaltspiel.

Vorsicht!

Achtung, bei allen strafraumnahen Standards der Schanzer ist erhöhte Vorsicht geboten. Drei Standards konnten die Schanzer in den drei Spielen schon zu Toren ummünzen. Jeweils eine Ecke, einen Freistoß und einen Einwurf konnte der FCI schon verwerten.

Schlüsselspieler

Tor

Marius Funk (#1) im Tor der Schanzer ist reflexstarker Keeper, der auch in den Bereichen Strafraumbeherrschung und hohe Bälle wenig Anlass zur Kritik gibt. Er ist ein kompletter Torhüter, der, wenn er das Leder aus dem Netz holt, selten die Schuld bei sich suchen muss. Lediglich in Eins-gegen-Eins-Situationen ist Funk im Vergleich mit seinen Kollegen etwas unsicherer und lässt da mehr zu als der Ligadurchschnitt.

Abwehr

Wie im Rückspiel der Vorsaison ist auch im Hinspiel der diesjährigen Saison Simon Lorenz (#32) der Mann in der Innenverteidigung. Der einst beim TSV 1860 München spielende Innenverteidiger ist der Stabilitätsfaktor in der nach wie vor durchaus anfälligen Defensivreihe der Schanzer. Vergangene Saison hatte Lorenz drei Viertel seiner Defensivzweikämpfe gewonnen. Weiterhin ist sein Timing bei Kopfballduellen extrem gut. Die Spieleröffnung der Schanzer erfolgt, wie oben schon erwähnt, variabel und nicht zwingend über einen der Innenverteidiger.

Außenverteidiger Marcel Costly (#22) ist als offensiv eingestellter Außenverteidiger mit seiner Geschwindigkeit und seinem technischen Können grundsätzlich immer, aber vor allem in Umschaltsituationen, auf seiner Seite ein extrem gefährliches Element.

Mittelfeld

Lucas Fröde (#35), Kapitän und zentrale Anspielstation in allen Lagen, agiert als erfahrener Leader und strategisch gestaltend in der Mittelfeldzentrale. Er agiert als tiefer Sechser, der bei eigenem Ballbesitz jedoch auch als zurückgezogener Spielmacher die Fäden zieht und den Spielzügen im Positionsspiel die Richtung vorgibt.

Sturm

Mit zwei Treffern und einer Vorlage ist bisher Sebastian Grönning (#11) der Offensiv-Mann der Stunde beim FCI.

Der 1,88m große Däne ist Kopfball-stark und extrem Schuss-genau. Sein ligaübergreifender Karrierewert, was die Schussgenauigkeit betrifft, liegt bei 46%. Das ist ein extrem guter Wert. Gegen den Ball glänzt Grönning mit vornehmer Zurückhaltung.

Fazit

Ich erwarte nach der Leistung des TSV 1860 München der vergangen Woche am Samstag gegen den FC Ingolstadt eigentlich gar nichts. Darum lass ich das Fazit heute sehr kurz und hoffe auf eine biblische Wunderheilung und einen Befreiungsschlag in der Krise.

So könnte der FCI beginnen

Datenquelle: Wyscout

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