Ein verregneter Dienstag Vormittag Ende September im Münchner Südosten: Martin Gräfer, Mitglied im  Vorstand von 1860-Hauptsponsor „Die Bayerische“ empfängt drei Vertreter von sechzger.de in seinem Büro in der Zentrale der Versicherung zum Gespräch – und der Mann hat eine Menge zu sagen.
Weil dem so ist, haben wir uns entschieden, den Mitschnitt des Gesprächs nur geringfügig zu kürzen und die außerordentlich interessanten Gedankengänge von Martin Gräfer mit unseren Lesern zu teilen. Nehmt Euch ein wenig Zeit und lasst Euch von den Überlegungen, den Visionen, aber auch von der Leidenschaft für den Fußballsport und das Versicherungswesen dieses kommunikationsstarken Mannes beeindrucken – wie wir.

 

Wie ist Ihre Biografie als L̦we? Seit wann sind Sie ein Blauer? Gibt es Рoder gab es vorher Рandere Vereine in ihrem Leben?

Ich bin seit gut zehn Jahren bei der Bayerischen und arbeite in München – und da meine Familie nicht aus Bayern kommt, bin ich also kein geborener Sechzger-Fan.  Vor meiner Zeit hier war ich rund 25 Jahre für ein Kölner Unternehmen tätig und hatte berufliche Stationen in ganz Deutschland. Sei es in Leipzig, Stuttgart , Köln oder eine lange Zeit in Mannheim. Aufgewachsen bin ich im Ãœbrigen in der Kurpfalz. Meine ersten fußballerischen Berührungspunkte hatte ich daher mit dem damals von dem legendären Klaus Schlappner trainiertem Waldhof Mannheim. Allerdings konnten mich die Waldhöfer nicht wirklich begeistern. Dafür aber war ich regelmäßig bei den Mannheimer Adlern und habe mich für Eishockey erwärmt.  Da meine Großeltern in Köln wohnten und Fans des 1. FC Köln waren, habe ich meine fußballerische Liebe zu den Geißböcken entdeckt – nicht immer ein Vergnügen, wenn ich das mal sagen darf. Nun bin ich in München angekommen und fühle mich hier ganz zuhause – und da führt an den Sechzgern einfach kein Weg vorbei: Leidenschaft, Tragödie, Freude und Hoffnung liegen hier so eng beieinander. Und das in Verbindung mit der besonderen Fankultur. Das geht auch mir unter die Haut.

Die Sechzger sind etwas ganz Besonderes,  auch weil ich da einen Zusammenhang sehe zu unserem Versicherungsunternehmen: Die Bayerische hatte 2008/09 auch so eine Art Abstieg (wie die Löwen 2016/2017, d.Red.). 2009, ein Jahr, bevor ich nach München kam, gab es Turbulenzen aufgrund der Kapitalmarktkrise.  Das hat dazu geführt, dass man in einer ähnlichen Situation war wie 1860 nach dem Doppelabstieg 2017: Man musste sich am eigenen Schopf aus dem Morast ziehen. Bei der Bayerischen war es nicht so, dass durch neue Aktien oder Investoren Geld zur reingeholt werden kann, denn die Bayerische gehört als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ihren Mitgliedern – genauso, wie der TSV 1860 als eingetragener Verein seinen Mitgliedern gehört. Und als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit tragen alle in der Gemeinschaft der Versicherten das Risiko im Kollektiv – und damit verteilt man Risiken auf viele Schultern, ganz nach dem Motto „Einer für alle, alle für einen“.

Wäre das im Fußball auch eine gesündere Struktur?

Ich glaube fest daran, dass man erfolgreich im Fußball nur sein kann, wenn man eine echte Anhängerschaft hat – und ja, das ist ganz sicher einer der wichtigsten Werte der Löwen. Nicht zuletzt gehören die Löwen damit zu den mitgliederstärksten Sportvereinen in ganz Deutschland. Und damit vermittelt sich ein besonderes Gefühl. Und offen gestanden ist das auch die Grundlage für den Wert des Vereins, für den Wert der Marke. Die Löwen sind dafür ein herausragendes Beispiel – trotz der wechselhaften sportlichen Erfolge sind die Löwen weiterhin eine der bekanntesten Marken im deutschen Fußball – und bei Kennern auch darüber hinaus. Und das ist wichtig für Sponsoren und Investoren. Wenn du im Stadion an der Grünwalderstraße stehst, da gehen dir die Nackenhaare hoch – ganz ähnlich wie auch in Köln. So oft findet man dieses Gefühl in Fußballdeutschland nicht. Das alleine reicht jedoch nicht, um auf Dauer professionell und erfolgreich auch in den oberen Ligen mitzuspielen. Da braucht es neben Sachverstand auch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und an dieser Stelle kommen wieder Sponsoren und Investoren ins Spiel.

Wie ging es nach dem „Abstieg“ mit der Bayerischen weiter?

Ab 2010 begann unser Wiederaufstieg. Die Idee war, dass man alles in Frage stellte und völlig neue Weg ging. Deswegen spreche ich auch immer gerne über Kreativität und das wird bisweilen ein wenig belustigt kommentiert. Aber darum geht’s doch im richtigen Leben: Wenn du Probleme hast, die du nicht mit konventionellen Mitteln lösen kannst, dann musst du es auf kreative Art tun. Dinge in Frage stellen, möglichst keine Dogmen haben. Jede Sackgasse beginnt aus meiner Sicht mit einem Dogma, indem man einfach sagt: „Es muss so sein, es kann nicht anders sein.“ Und deswegen denke ich, dass die Sechzger und die Bayerische gut zusammenpassen – nicht nur wegen der langen Historie, sondern auch wegen der jeweiligen Geschichte der jüngeren Zeit. Für uns ist das wirklich eine perfekte Verbindung. Und wenn nun wirklich alle Löwenfans sich auch noch entscheiden, der Bayerischen ihre Versicherungen anzuvertrauen, dann wäre das natürlich noch besser.

Hätten Sie denn bei ihrem Einstieg bei den Löwen im Jahr 2016 geahnt, dass diese beschriebenen Parallelen sich so schnell auftun würden?

Wenn man ehrlich ist, konnte man das durchaus ahnen. Es gab auch Stimmen bei uns im Haus, die von diesem Projekt Sponsoring zumindest am Anfang nicht so begeistert waren – und ganz ehrlich, dazu habe ich auch selbst gehört. Als wir im Jahr 2016 die Diskussion hatten, ob wir bei Sechzig einsteigen wollen oder nicht, ging es der Bayerischen wirtschaftlich schon wieder sehr gut, wir hatten 2012 die Marke geändert, aus „BBV“ wurde seitdem „die Bayerische“. Dann kam diese Idee mit den Sechzgern, die wieder mal in einer Aufbruchphase waren. Mich hat der damalige Geschäftsführer (Markus Rejek, d.Red.) sehr beeindruckt, der damals auch begann, ein Markenprofil für 1860 zu schreiben. Das hat mich total überzeugt.

Leider ist es bis jetzt noch nicht dazu gekommen, dass dieses Markenprofil umgesetzt wurde, vielleicht weil sich einige an der ein oder anderen Formulierung störten. Da war unter anderem ein Attribut für die Löwen drin: Wir sind trotzig! Und ganz ehrlich: Die Sechzger sind doch auch ein Stück weit trotzig. Nur mit Vernunft gäbe es doch zumindest vielleicht den Profifußball in dem Verein gar nicht mehr. Man braucht Emotion. Und trotzig zu sein bedeutet, ein bisschen David zu sein, sich treu zu bleiben und allem Widerstrand zum Trotz dennoch an sich zu glauben. Und da komme ich wieder zu den Parallelen: Auch wir sind in unserer Branche auch ein David. Und unser Goliath spielt in der gleichen Stadt. Aber anders als bei den Sechzgern – die es inzwischen mit der zweiten Mannschaft dieses Goliath zu tun haben – spielen wir gegen die Allianz-Versicherung am gleichen Tisch, nämlich am Tisch unserer Kunden. Wir müssen es deshalb schaffen, gegen Goliath mit Kreativität, Herzblut und einer Extra-Meile unsere Aufgaben zu lösen. So war es auch bei Sechzig und 2016 haben wir gesagt: Das passt sehr gut. Es gab damals hohe Bereitschaft des Großaktionärs zu investieren, was auch geschehen ist – mit allerdings ausbleibendem Erfolg, was ich und meine Kollegen allerdings vorher auch nicht wussten. Und vielleicht erinnert sich noch jeder daran, wie die Geschichte zwischen David und Goliath langfristig ausgegangen ist.

Was uns damals beinahe von einem Einstieg abgehalten hätte, war dieser Unfrieden, der die Jahre davor auch schon geherrscht hatte. Und der übrigens bereits vor 2011 bestanden hat, also bevor Herr Ismaik dazu gekommen ist. Unfrieden begleitet diesen Verein offensichtlich schon sehr lange. Blickt jemand weit zurück und beschäftigt sich mit der Geschichte des Vereins: Schon das Grünwalder Stadion wurde vom Verein gebaut und dann sehr schnell im Rahmen der ersten Beinahe-Insolvenz in den 30er Jahren an die Stadt München verkauft. Daher sind auch wir so froh, dass aktuell eine sehr konstruktive Stimmung zwischen allen Beteiligten herrscht. Und wir hoffen sehr, dass das noch lange so anhält.

Unser Sponsoring hat in dem ersten Jahr in der zweiten Liga sehr gut funktioniert. Wir waren sehr zufrieden mit den gemessenen Marketingwerten. Natürlich waren wir erschüttert über den Abstieg, das schlimme Spiel gegen Jahn Regensburg und dann am Boden zerstört über den Abstieg in Liga 4! Das hatten wir weder eingeplant – und offen gestanden haben wir das auch nicht für möglich gehalten. Wir haben uns dann aber sehr schnell berappelt und uns einstimmig entschieden, den Löwen treu zu bleiben, obschon unser eigentlich mehrjähriger Vertrag mit dem Abstieg aus dem Profifußball beendet wurde.

Und es war wiederum beeindruckend, wie es Daniel Bierofka gelungen ist, aus den Resten der ersten Mannschaft und gemeinsam mit den Leistungsträgern der zweiten Mannschaft ein neues Team zu formen. Ohne Daniel Bierofka wäre das damals ganz sicher nicht möglich gewesen. Die Höhe unseres Sponsorings sollte dazu beitragen, dass die Löwen so schnell als möglich, am besten noch direkt, den Wiederaufstieg in Liga 3 schaffen. Und wir haben gemeinsam mit Michael Scharold versucht, das Beste für unsere Sponsorenziele daraus zu machen. Und besonders toll war zu erleben, dass die meisten und besten Sponsoren auch an Bord geblieben sind. Ein Riesen-Kompliment an das damalige Team von Infront mit Wilson Pearce, Michael Scharold, den Geschäftsführer und natürlich an Daniel Bierofka mit seinem Team.

Aber es war auch klar, dass wir in der 4. Liga auf Dauer kein Sponsor bleiben können, weil die entsprechenden, für einen Sponsor wichtigen Kennzahlen rasch in den Keller gegangen sind. Das mussten wir dann dem Aufsichtsrat der Bayerischen rechtfertigen. Mir persönlich hat es in der 4. Liga viel Spaß gemacht, dabei zu sein, das gebe ich zu. Ich habe mehr Spiele begleitet, als ich vorher in der zweiten oder jetzt in der dritten Liga sehen konnte. Aber das war natürlich keine Perspektive für den Verein und für uns. Die fehlende mediale Präsenz wäre auf Dauer nicht hinnehmbar gewesen.

Wie ist das eigentlich hier im Haus mit der Akzeptanz für das kürzlich nochmal gesteigerte Engagement? Gibt es viele kritische Stimmen oder sieht man den Erfolg dieses Engagements?

Unterm Strich sind wir alle davon überzeugt, dass dieses Sponsoring uns natürlich etwas gebracht hat. Die Bayerische gehört zu den wachstumsstärksten Versicherern in Deutschland. Auch die Corona-Krise überstehen wir nach heutigem Stand wohl sehr gut. Das hat vielleicht nicht in erster Linie etwas mit dem Sponsoring bei 1860 zu tun, jedoch durchaus mit dem neuen Selbstbewusstsein. Und Selbstbewusstsein ist auch im Fußball wichtig. Mit Geld und überzeugenden Ideen kann man andere Persönlichkeiten für den Verein gewinnen und wenn diese Persönlichkeiten ein gesundes Selbstbewusstsein haben, dann sind sie zu anderen Leistungen in der Lage.

Natürlich haben wir in der 2. Liga deutlich mehr investiert als in den letzten Jahren. In der vierten Liga war es von der Höhe des Sponsorings grenzwertig und vielleicht nicht ganz angemessen. Aber wir wollten damals auf keinen Fall, dass der Verein in dieser Liga bleiben muss, also sollte er quasi sofort wieder aufsteigen. Der jetzige Ausbau der Investitionen ist für uns ein ähnlicher Schritt. Auch die dritte Liga bietet keine Dauerperspektive für uns als Sponsor – und wohl auch für die Sechzger nicht.

Eigentlich ist die 3. Liga für keinen Verein eine Dauerlösung – dafür ist sie schlichtweg falsch konstruiert. Diese Fehlkonstruktion ist in meinen Augen gerade vor dem Hintergrund der Attraktivität der Liga unfair und wirtschaftlich nicht zu begründen. Dies zeigt sich allein bei den Einschaltquoten im Fernsehen. Aber es kommt viel zu wenig Ertrag aus den TV-Übertragungsrechten bei den Vereinen an. Ich bin sehr kritisch, was diese DFB-Konstruktion der 3. Liga angeht. Ich bin kein Profi, aber ich könnte mir vorstellen, dass man auch diese Liga professionell in die DFL integriert und hat dann eine wirkliche Dreigleisigkeit des Profifußballs mit einer einheitlichen Vermarktung. Oder man wird sich die Frage stellen müssen, ob eine 3. Liga auf Dauer bundesweit gebraucht wird. Die Vereine haben schließlich nahezu die gleichen Kosten wie in der 2. Liga, aber deutlich darunter liegende Einnahmen.

Es wäre für die Bayerische also wichtig, dass 1860 in die 2. Liga aufsteigt?

Unbedingt! Ich habe mir kürzlich angesehen, wo wir mit unserem Sponsoring beim Vergleich der ersten, zweiten und dritten Liga eigentlich liegen. Unser Einsatz ist mit Abstand der höchste in der dritten Liga – und in der Größenordnung einiger Erstligisten wie beispielsweise Bielefeld oder Union Berlin. Wenn wir mal alles zusammennehmen, was auch unsere Tochtergesellschaften für einen finanziellen Beitrag leisten, dann wäre das in der 2. Liga auf jeden Fall ein Spitzensponsoring. Unser finanzielles Engagement soll dazu beitragen, in den nächsten zwei Jahren die ‚Mission Comeback‘ realistisch zu erreichen. Unsere Erwartungen sind da sicher nicht übertrieben.

Wir glauben, dass für uns das Sponsoring in der 3. Liga mittel- bis langfristig keinen Sinn ergibt und deswegen ist es für uns schon ein Punkt, einen Beitrag zu leisten, damit es weiter nach oben geht. Und immer zu warten, bis jetzt alle kommen und alle sich einigen und befrieden, das bringt nichts. Deswegen hatten wir die Idee, unser Sponsoring aufzustocken – und wir hatten das auch frühzeitig mit den Gesellschaftern und der Geschäftsführung besprochen. Und jetzt ist eine gute Perspektive vorhanden. Wir würden aber auch nicht unruhig werden, wenn nicht sofort in dieser Saison eine Siegesserie zu sehen wäre oder der Aufstieg sofort gelingt.

Wir haben großen Respekt vor der Arbeit des sportlichen Teams unter der Leitung von Michael Köllner und Günther Gorenzel. Und auch wenn wir die Ambition haben, dieses Ziel zu unterstützen, so haben wir weder Forderungen gestellt noch mischen wir uns in deren Arbeit ein. Wir freuen uns über jeden Sieg, jedes erkämpfte Unentschieden und sind auch begeistert, wenn man leidenschaftlich gekämpft hat, aber vielleicht doch knapp unterlegen ist. Der Erfolg im Fußball ist nicht wirklich kurzfristig planbar. Da braucht es auch Ruhe und Bedacht. Es geht nicht um eine Saison allein, es geht um einen mittelfristigen Weg.

Teil 2 dieses Gesprächs lest Ihr heute Nachmittag gegen 17.00 Uhr hier auf sechzger.de

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