Fast dreieinhalb Jahre (von November 2019 bis Januar 2023) war Michael Köllner  Cheftrainer beim TSV 1860. Dies bedeutet nicht nur die längste Amtszeit als Löwendompteur seit Werner Lorant. Der Oberpfälzer war während der Drittligzugehörigkeit von Münchens großer Liebe mit den Plätzen acht und zweimal vier auch der sportlich erfolgreichste Coach. Und dennoch blieben nach Ende seines Engagements in Giesing einige offene Fragen. Eine davon betrifft die Stimmung unter den Spielern während seines Wirkens.

Nun hat sich Köllner in dieser Woche beim Darmstädter Lilienblog zu genau diesem Thema geäußert. Hintergrund ist der Wechsel des ehemaligen 1860-Akteurs Leon Klassen zu Darmstadt 98. Im Raum stehen Mobbingvorwürfe gegen ältere Spieler im Löwenkader der Jahre 2019 bis 2021. Leon Klassen gehörte zu den Opfern dieses Mobbings und verabschiedete sich im Juli 2021 – auch auf Anraten Köllners – nach Wattens zur WSG Tirol. Erst über fünf Monate später, im Dezember 2021 wurde einer der mutmaßlich für das Mobbing Verantwortlichen, Stürmer Sascha Mölders, von Michael Köllner aus dem Kader gestrichen.

Unser Gastautor August Flamm ist irritiert über das Interview Köllners im Lilienblog und wirft ihm in seinem Kommentar mangelnde Führungsqualität vor.

 

Köllner – der Trainer, der nur zusah

Michael Köllner spricht von Gewalt, Mobbing und Angst in der Kabine des TSV 1860 München. Und wieder einmal spricht er über andere – nicht über sich.

Wenn ein ehemaliger Trainer von “brutalen” Szenen in der eigenen Mannschaft erzählt, von jungen Spielern, die gedemütigt, ja fast schon gefoltert werden, dann müsste eine Frage im Raum stehen: Warum haben Sie nichts dagegen unternommen, Herr Köllner?

Doch diese Frage stellt Michael Köllner sich nicht. Stattdessen berichtet er über “die Alten”, die “die Jungen extrem gemobbt” hätten. Über Szenen, “die man eigentlich gar nicht erzählen kann”. Und über einen jungen Leon Klassen, der an dieser Atmosphäre beinahe zerbrach. Für Köllner war das eine “Herkulesaufgabe”. Für Klassen war es offenbar schlicht ein Martyrium.

Köllner macht, was er gerne macht: Er analysiert. Mit betroffenem Ton, mit Nachdenklichkeit, mit großem Vokabular. Nur eines fehlt: Verantwortung.
Er war Cheftrainer. Die Kabine war sein Raum. Wer dort systematisches Mobbing duldet, wer weiß, dass ein junger Spieler gefesselt im Aufzug herumgefahren wird – und dann Jahre später sagt, das sei eben ein schweres Umfeld gewesen –, der hat seinen Job nicht gemacht. Und auch keine Entschuldigung verdient.

Statt Haltung: Rat zum Vereinswechsel. Statt Eingreifen: Abwarten. Statt Konsequenz: Rückblickende Betroffenheit. Köllner erkennt das Problem, stellt sich aber nie selbst hinein.

Es ist ein altbekanntes Muster. Wenn es schlecht läuft, sind es die Spieler, das Umfeld, die Struktur – nie er selbst. Jetzt, wo Klassen den Durchbruch geschafft hat, betont Köllner, wie sehr er sich für ihn freue. Das mag stimmen. Aber wem es wirklich um junge Spieler geht, der schützt sie, wenn es zählt. Nicht erst Jahre später in Interviews.

Michael Köllner hat vieles gesehen. Zu viel vielleicht. Vor allem aber hat er eines nie getan: geführt.

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rast1812

Erstklassiger Kommentar, den ich zu 100% teile!
Jedes weitere Wort zu dieser Person behalte ich in diesen Zeiten besser für mich…

Last edited 13 Tage zuvor by rast1812
Da Bianga

Danke für diesen Gastbeitrag, dem ist nichts hinzuzufügen. Chapeau !

tomandcherry

War ich zu Beginn seines Engagements bei 60 überzeugt, dass er hier “was bewirken” könnte, muss ich rückwirkend feststellen, irgendwann ist MK gewaltig in die falsche Richtung abgebogen.

Und was er mit diesem Interview angerichtet hat, spottet wirklich jeder Beschreibung.

Ich zitiere: “Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fr**** halten.”

Linksblau

Von einem Trainer erwarte ich mehr als Fußballsachverstand.
Der Prediger hat sich völlig disqualifiziert, so jemanden darf man keine jungen Menschen mehr anvertrauen.

tsvkoksa

Fettes Eigentor Herr Köllner. Artikel bringts 100% aufn Punkt. Dampfplauderer is er und ein moralischer tiefflieger.

Alexander Schlegel

Oh mei, der oberpfälzische Dampfplauderer war wieder im Pipi-Langstrumpf-Modus. Und euer Merkwürden kapiert noch nicht mal, dass er nur seine eigene Unfähigkeit noch mal unter Beweis stellt..

1860ZELL

Schönen Gruß in die Oberpfalz: hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph (Trainer) geblieben

Alexander Schlegel

So isses.

1860ZELL

Bei dieser Aktion war wohl Aaron Berzel involviert:

Dazu schreibt die tz am 25.01.2022: “Berzel: Genau, erstens ist das noch zu Bieros Zeiten passiert. Und zweitens waren da viel mehr Spieler beteiligt als Sascha und ich, sogar ein paar aus dem Staff. Jeder im Team weiß, dass alles im Spaß passiert ist. Wir haben ihn im Schlaf überrascht, gefesselt und zweimal im Fahrstuhl hoch- und runterfahren lassen.”

Wenn das gegen den Willen von Leon Klassen geschah, dann sollte man das nicht als Mobbing bezeichnen, denn das könnte eine Straftat der Freiheitsberaubung gewesen sein.

Folgt man Köllner, so war die Fahrstuhltat nicht das einzige Vergehen: “Da waren Szenen in der Kabine – auch gewalttätige – die kann man eigentlich gar nicht erzählen. Das war brutal.”

Auch wenn ich ansonsten wenig Zustimmung für das Auftreten von Michael Köllner habe, er scheint aber wenigstens Leon Klassen nicht gänzlich ohne Betreuung gelassen zu haben.

Aber was bisher nicht thematisiert wurde: Freiheitsberaubung und gewaltätige Szenen hätten Bierofka und Köllner zwingend den Geschäftsführern der KGaA melden müssen, die qua Amt für Maßnahmen gegen solches Fehlverhalten verantwortlich waren. Was haben Scharold, Pfeifer und Gorenzel unternommen?

Last edited 14 Tage zuvor by 1860ZELL
Christian Jung

“…er scheint aber wenigstens Leon Klassen nicht gänzlich ohne Betreuung gelassen zu haben…”

Das ist aber verdammt wenig für einen leitenden Angestellten mit dieser Verantwortung für eine Mannschaft, oder?
Und dann noch im Zusammenhang, wie er sich selbst in dieser Kausa darstellt.

Und nochwas: Pfeifer war doch da noch gar nicht im Amt. Klassen ist ja schon im Juli 2021 auf und davon. Nach Mölders Aus ist es in der Kabine ja dann wohl wieder ruhiger geworden, bzw. gab es halt andere Themen
.

Dennis M.

Nicht Klassen war zu schwach, sondern Köllner. Wer Mobbing und Brutalität toleriert, hat hier nichts verloren.

Viel Glück in Darmstadt, Leon!

Panthera-Leo

Richtig ist, dass sich vor allem Mölders hier sehr negativ hervorgetan hat. Das ist aber alles ein alter Hut.

Unverständlich, dass sich gerade jetzt Köllner damit wichtig macht, denn er war damals verantwortlich und hat nicht nur dabei komplett versagt.

Und Nachtreten gegen Sechzig um jeden Preis spricht auch nicht für diesen Bauernfünfer. Ebensowenig, dass ihn kein Proficlub mehr haben will, zu Recht.

Steffen Lobmeier

Ob der Flamm ihn auch bald 100 Mal am Arsch lecken kann?

MalikShabazz

Volle Zustimmung zu diesem Kommentar. Es ist überfällig, dass das Bild zurechtgerückt wird, das Michael Köllner heute von sich selbst zeichnet – als eine Art moralischer Mahner und sportlicher Mentor von Leon Klassen.
Tatsächlich war er weder das eine noch das andere.
Sportlich spielte Klassen unter Köllner zuletzt kaum noch eine Rolle – er stand in der Saison vor seinem Abgang regelmäßig nicht einmal mehr im Kader. Und wenn Köllner sich heute rühmt, er habe ihm “zum Wechsel geraten”, dann klingt das weniger wie Fürsorge – und mehr wie das bequeme Abschieben eines Problems, das man selbst nicht in den Griff bekam.
Dass er sich jetzt, Jahre später, mitfühlend über das Kabinenklima äußert, ändert nichts daran, dass er als Trainer dafür verantwortlich war. Und statt sich selbstkritisch zu hinterfragen, sagte er damals zur tz über Klassen:
„Er war mental nicht stark genug.“
Ein Satz, der entlarvender ist als jede nachträgliche Empathie.
Ein Spieler wird klein gemacht – und der Trainer inszeniert sich als sein Förderer. Diese Erzählung ist einfach nur falsch!

Thomas Enn

Der Vorfall mit Klaassen ist mir noch sehr gut in Erinnerung und ich habe mich schon damals sehr über Köllners Sichtweise gewundert:

Einmal, so erzählt man sich, sei Klassen von den (Ex-)Platzhirschen gefesselt und eine Stunde lang im Fahrstuhl hoch- und runtergefahren worden. Köllners Eindruck: „Er war mental nicht stark genug. Ich habe zu ihm gesagt: Du musst Sechzig verlassen.“

Quelle: https://www.tz.de/sport/1860-muenchen/tsv-1860-muenchen-leon-klassen-wechsel-wsg-tirol-spartak-moskau-abloesesumme-zr-91232944.html

Christian Jung

Im Lilienblog stellt er sich nun als großer Förderer von Klassen dar. Das ist schon brutal!

Stefan Kranzberg

“Er war mental nicht stark genug.”

Wahnsinn.