Für viele Löwen ist der Trip nach Leeds noch heute ein Höhepunkt ihrer Fankarriere mit dem TSV 1860 und auch ich denke immer wieder gerne an die Tage in Yorkshire und Umgebung zurück. Ich nutzte die attraktive (wenn auch sportlich sehr undankbare) Auslosung, um eine Woche in England zu verbringen und mir noch ein paar weitere Matches anzuschauen. Insgesamt wurden fünf Spiele an fünf Tagen besucht, die Champions League-Quali an der Elland Road war der würdige Abschluss eines rundherum gelungenen Ausflugs.

Joggingstyle im Jahr 2000

Mein Flug ging von München nach Manchester, wo ich mich in einem günstig gelegenen Youth Hostel einquartierte und erstmal die Stadt erkundete. Ich war schon des Öfteren in England gewesen, jedoch noch nie in Manchester und das Erste, was mir auffiel, war, wie viele Leute im Hochsommer in Jogginghose und Trikot rumliefen. Dass Joggingstyle heute wieder trendy ist, ist eh klar, aber das war vor 23 Jahren. Aber mei, war halt auch das entsprechende Klientel…

Natürlich standen Abstecher nach Old Trafford und an die Maine Road (altes Stadion von City) auf dem Programm, Fußball wurde dort jedoch jeweils nicht gespielt und so folgte bereits am zweiten Tag der erste Ausflug: per Bus quer durch den Peak District National Park nach Huddersfield, wo die Terriers just auf Leeds United trafen. Es war also direkt mal eine gute Gelegenheit, sich den kommenden Gegner anzusehen und die Peacocks taten das, was sie zu der Zeit am besten konnten: gnadenlos effektiv zuschlagen. United war keineswegs besser als die Gastgeber, nutze seine Chancen aber eiskalt und gewann mit 2:0.

Dreimal Leeds zur Vorbereitung

Tags drauf verschlug es mich zu Oldham Athletic und siehe da, der Gegner hieß erneut Leeds United! Diesmal durfte jedoch eine verstärkte Reserve-Elf ran, die beim 1:3 gegen den unterklassigen Gegner nicht gerade gut aussah. Nette Anekdote am Rand: Ich hatte meinen 1860-Rucksack dabei und stand gerade in der Schlange, um mir mein Ticket zu kaufen, als mir ein älterer Herr auf die Schulter klopfte, mir erklärte, dass er Leeds abgrundtief hasse, Glück fürs Spiel wünsche und ach ja, er sei der Vater eines der Spieler von Oldham und hätte noch ne Freikarte übrig. So muss das sein.

Am folgenden Tag stand Match 3 auf dem Programm und auch diesmal ging es nicht ohne Leeds United. Diesmal trat die U19 bei der Herrenmannschaft von Salford City an. Der Club aus dem Vorort vom Manchester kickte damals noch jenseits von Gut und Böse (jetzt League Two, also viertklassig), ließ den Jungs aus Leeds jedoch nicht den Hauch einer Chance und siegte mit 5:2. Damals war der Verein noch sehr sympathisch, spätestens mit dem Einstieg mehrerer Manchester United-Legenden (u.a. die beiden Neville-Brüder, Ryan Giggs, Paul Scholes und David Beckham), der Veränderung der Klubfarben und des Wappens änderte sich dies jedoch nachhaltig. Schade eigentlich.

Athletic in Stockport – irgendwie grotesk!

Tag 4, Match 4 – und diesmal tatsächlich ohne die Peacocks! Die Begegnung war indes irgendwie grotesk, denn der unterklassige Verein Stockport County hatte Athletic Bilbao zu Gast, um so das Testimonial eines seiner Spieler zu begehen. Zur Erklärung: In England ist es Usus, dass Vereine ein Freundschaftsspiel gegen einen attraktiven Gegner veranstalten, wenn einer der Spieler seit 10 Jahren im Club ist, wobei die Einnahmen komplett dem Spieler zugute kommen. Warum es in diesem Fall jedoch ausgerechnet die Basken sein sollten, konnte mir keiner erklären. Die Gäste bekleckerten sich nicht gerade mit Ruhm und gewannen nur durch ein Eigentor glücklich mit 2:1.

TSV 1860 zu Gast an der Elland Road

Und dann kam der Tag der Tage! 09.08.2000, Qualifikation zu Champions League, Elland Road!

Erneut stieg ich in den Bus, diesmal nach Leeds und dort angekommen wurde ich von einem Bauarbeiter (Look: Althool), der am Busbahnhof beschäftigt war, mit erhobener Mörtelkelle und den reizenden Worten “We’ll stab you!” empfangen. Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus. Dies sollte aber tatsächlich die einzige unschöne Situation bleiben, ansonsten war das Verhältnis zwischen Löwen und Peacocks durchaus kameradschaftlich und sowohl tagsüber in der Stadt als auch später im Stadionumfeld wurde gemeinsam getrunken und gefeiert.

Rund 1200 Löwenfans (oder wie es Herr Lorant ausdrückte: “ein paar Hanseln”) fanden sich auf der Hintertortribüne ein, wo leicht überfordert wirkende Stewards darauf bestanden, dass man die Sitze auch ihrer Bestimmung folgend nutzen sollte. Pro forma kam man der Aufforderung nach, bei der nächsten Gelegenheit stand man aber wieder auf und so wiederholte sich dieses Spielchen immer und immer wieder. Der Support war alles in allem grandios, man hörte (außer bei den Gegentoren) quasi nur Sechzig. Dass dies selbst den Heimfans imponierte, bekam man bei den Post-Match-Bierchen wiederholt zu hören.

Paul Agostino mit dem Hoffnungsschimmer

Aufs Spiel selber will ich gar nicht groß eingehen, weil das vermutlich eh jeder schon gesehen hat. Der Schiedsrichter hatte nicht seinen besten Tag, Leeds führte bis tief in die Nachspielzeit mit 2:0 und der Traum von der Champions League schien bereits nach dem Hinspiel ausgeträumt. Ein letzter Angriff, eine letzte Flanke und Paul Agostino schraubt sich hoch, kommt zum Kopfball und versenkt den Ball unhaltbar zum Anschlusstreffer. Ekstase pur, der Löwenblock explodiert und die Hoffnung ist mit einem Schlag wieder da. Ein Moment, den ich nie vergessen werde. Selbst heute, 23 Jahre später, läufts mir eiskalt den Buckel runter, wenn ich daran denke. Danach gings im Pub natürlich entsprechend euphorisch und beschwingt weiter, aber darüber breiten wir den Mantel des Schweigens…

Wie und wann ich zurück nach Manchester kam, weiß ich gar nicht mehr, aber am Tag drauf stand auch schon wieder der Heimflug auf dem Programm, weil wiederum einen Tag später die Amateure in Elversberg kickten und da durfte ich natürlich nicht fehlen…

Heimniederlage im Oly besiegelt das Aus

Dass das Kapitel Champions League zwei Wochen später dennoch endete, ist allseits bekannt. Trotz einer beeindruckenden Leistung und zahlreicher Großchancen unterlag man im Rückspiel im Olympiastadion vor 56.000 Zuschauern (nicht ausverkauft!) mit 0:1 und durfte fortan im UEFA-Cup teilnehmen, während Leeds bis ins Halbfinale der Champions League vordrang.

Doch auch für United folgte keine goldene Zukunft – ganz im Gegenteil! Wir hatten Euch die traurige Geschichte im Rahmen unserer Reihe “Investoren-Desaster” bereits erzählt. Nachdem Leeds zwischenzeitlich sogar drittklassig war, kehrte der Club unter Trainer-Legende Marcelo Bielsa in die Premier League zurück, stieg jedoch in der abgelaufenen Saison wieder in die Championship ab.

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Posicelli

Ich wünsche dem Schiri noch heute die Kretze an den Arsch. Der hat uns schön verschaukelt.

Bruck Löwe

Beim Aussteigen aus dem Bus wurden wir noch gewarnt vor den Leedsfans.Ein Schalverkäufer wollte mit mir tauschen: Wollte mein Anti-Bayern-Schal gegen ein Anti-Manchester United-Schal tauschen.War ihm schwer zu vermitteln,das dies für mich nicht in Frage kommt angesichts des CL-Finals ’99.

andreas de Biasio

einfach unglaublich wie wir die Rampe zu den Plätzen hoch gefahren sind. die hatten einen eigenen Aufenthaltsraum für Rollstuhlfahrer wo man vor dem Spiel etwas zu essen und trinken bekam. das mit dem Aufenthaltsraum gibt es in ganz Deutschland nicht. eine Freundlichkeit uns gegenüber, ganz ganz toll.

Aschlegel

Ich war nur beim Rückspiel im Oly dabei. Was waren wir erwartungsfroh, aber trotz allem Anrennen, reichte es einfach nicht. Nach dem Freistoß an den Pfosten von Icke Hässler kamen mir schon große Zweifel. Und dann noch kurz darauf dieses Slapstick-Gegentor, das so was von saublöd war. Aber das war einfach so ein Tag, wo es einfach nicht passte. Leeds hat ja seitdem auch keine großen Bäume mehr ausgerissen, sind letzte Saison abgestiegen und spielen ja gerade in der zweiten englischen Liga. As time goes by … 😉

Kraiburger

Naja, zweischneidiges Schwert …

Einerseits wars natürlich ein cooler Trip.

Andererseits tu ich mir natürlich etwas schwer zu akzeptieren, dass die schönsten Erlebnisse der letzten 30 Jahre Niederlagen waren.

Drittens wäre es wohl dennoch geiler gewesen, wenn wir uns Leeds erspart hätten. Schließlich war der Club 6 Wochen vorher noch im UEFA-Cup-Halbfinale ausgeschieden und war somit wahrscheinlich das schwerste Los.

Hätten wir irgendeine anderes Los gezogen, dann wären wir in der Gruppenphase anstatt Leeds nach Barcelona und zum AC Mailand gefahren.

Viertens war ja Leeds und die Siege gegen Bayern der Anlass, zu denen KHW endgültig übergedreht ist.

Und fünftens wars wirklich ein verdammt cooler Trip!

Bruno Brüller

Ich war damals in einem der drei Busse, die von München nach Leeds gefahren sind. War eine legendäre Auswärtsfahrt!

Bruck Löwe

Ich war auch in einen der drei.
Helmut’s Reisen.Beim Eishockey waren Fahrten mit diesen Bussen selten pannenfrei.
So auch bei der Fahrt von Leeds zurück.Als irgendwo vor Karlsruhe (bin mir nicht mehr sicher) der Tank leer war.Zwei der drei Fahrer des Busses durften dann mit Kanister in der Hand zur nächsten Tanke laufen.

Klaus Huegle

Sit down, Sit down, Sit down…

Klaus Huegle

Nette, kleine Episode am Rande: Untergekommen bin ich im Hotel Old Lion, ich hatte das Zimmer No. 18 und gekostet hat das Ganze 60 Pfund. Ich war der Meinung: Zuviel des Guten..

United Sixties

Unvergesslicher Ausflug. 3 Wochen nach meinem Hochzeitsurlaub in Kalabrien flogen wir zu dritt ( Innstadt-Löwen-Mitgründer u. Trauzeuge Robert und JJ aus Wasserburg ) nach London und mussten mit dem Zug weiter nach Leeds, was uns eine Nacht in Soho und Bahnhof Kings Station einbrachte. Eine Hotel-Nacht in Leeds und dann in die Pubs und zum legendären Spiel. Wohl Einzigartig für Löwenfans unserer Generation, wie die gesamte Saison 99/2000 mit den zwei Derbysiegen über die roten Seitenstrassler.

Steffen Lobmeier

Schöne Erinnerungen. War ein klasse Trip damals!