Eine – das muss man hier so deutlich sagen – miserable Saison der Löwen ist zu Ende. Nun ist es Zeit, auf die Einzelleistungen der Spieler zu blicken. Heute geht es um die Torhüter und Abwehrspieler.
Eine Leistungsauswertung ist meistens etwas Subjektives, außer man hat Zahlen und Fakten zur Hand, die zum Vergleich mit anderen in derselben Leistungsklasse dienen. Wie sehen diese Zahlen und Fakten in der Leistungsauswertung 23/24 aus? Obwohl eine Mannschaft an sich nicht performt hat, wie man sich das so vorstellt, gibt es immer Spieler, die in die eine oder andere Richtung auffällig geworden sind. Entweder wegen besonders guter oder besonders schlechter Leistung – oder weil sie von gewissen Leuten oder durch gewisse Ereignisse ins Zentrum der Kritik oder des Lobes gerieten. Ich ziehe nun ein auf Statistiken basierendes Fazit einiger Spieler entweder im Liga- oder im internen Vergleich oder auch beides.
Leistungsauswertung 23/24 Torhüter
Marco Hiller, die zwischenzeitlich von Ex-Coach Jacobacci demontierte Nummer 1, wird ja auch von vielen Fans im Vergleich mit Ersatzkeeper Richter bei gewissen Bereichen des Torwartspiels kritisch gesehen. Schauen wir uns das mal für die Leistungsauswertung 23/24 genauer an.
Im ligainternen Ranking haben beide Keeper genügend Spielminuten auf dem Buckel, um gewertet zu werden. Das hilft schon mal bei der Einschätzung der Leistung der Torhüter. Die Platzierung hier ist allerdings eindeutig. Marco Hiller belegt im Ligavergleich aller Keeper den 2. Platz und verweist damit nicht nur Richter, sondern auch andere Top-Torhüter der 3. Liga wie den äußerst talentierten Marcel Lotka von Dortmund II, Jakob Golz von Rot-Weiss Essen oder Reaktionswunder Felix Gebhardt von Regensburg auf Plätze hinter ihm.
Lediglich Münsters Maximilian Schulze Niehues hat eine bessere statistische Bilanz als Marco Hiller. Welche Kriterien nutzt man eigentlich, um das Torwartspiel statistisch zu bewerten und zu vergleichen? Woraus setzt sich die statistische Bilanz bei den Torhütern zusammen?
Kriterien
Die Statistik setzt sich zusammen aus den Faktoren Fangquote, Gegnerische Schüsse aufs Tor im Schnitt pro 90 Minuten, Reflexparadenquote, Gegentore pro 90 Minuten, verhinderbare Gegentore pro 90 Minuten (das sind die Gegentore, denen ein Torwartfehler vorangeht), Abwehrquote bei Luftduellen mit Gegenspielern und der Passquote bei langen Abschlägen. Ein Aspekt, der hier leider nicht mit ins Ranking fällt, den ich aber gleich gesondert betrachten möchte, ist die Strafraumbeherrschung. Um hier einen belastbaren statistischen Wert zu bekommen, benutzen wir den durchschnittlichen “Leaving the Line” Wert pro Spiel, also wie oft sich der Torhüter im Schnitt pro Spiel von der Linie wegbewegt, um eine Abwehraktion zu setzen und bringen das in Abhängigkeit zur Quote gewonnener Luftduelle.
Interner Vergleich
Pro 90 Minuten Spielzeit verlässt David Richter die Linie im Schnitt 1,84 Mal, Marco Hiller im Schnitt 1,54 Mal. Richter hat also ein etwas mutigeres Strafraumspiel als Hiller.
Bei der Fangquote, wenn Richter die Linie verlässt, ist auf ihn 100%ig Verlass. In der vergangenen Saison hatte Richter bei jedem seiner Ausflüge, um Flanken zu pflücken, die Oberhand gegenüber seinen Gegenspielern. Stammkeeper Marco Hiller hat mit 93% Abwehrquote beim Verlassen der Linie hier nicht ganz so gute Arbeit geleistet. Wie sieht es dabei mit Kopfballgegentoren aus? Marco Hiller musste in 27 Spielen acht Kopfballgegentreffer hinnehmen, David Richter in elf Spielen deren drei. Das bringt die beiden statistisch wieder sehr nahe zusammen. Marco Hiller kassiert alle 3,4 Spiele ein Kopfballgegentor, David Richter lässt sich pro zugelassenem Kopfballgegentor mit 3,7 Spielen ein wenig mehr Zeit.
Abgesehen von diesen Kategorien, in denen Richter jeweils einen hauchdünnen Vorsprung hat, wird er von Hiller statistisch bei jedem anderen relevanten Wert klar geschlagen.
Das gilt auch für die Spieleröffnung, bei der Hiller – ja, ich war auch überrascht – eine um acht Prozent höhere Genauigkeit aufweist als Richter und das nicht nur im kurzen Abspiel. Auch bei den langen Abschlägen ist Hiller präziser als Richter gewesen. Lediglich beim Tempo der Spieleröffnung könnte man hier für Richter einen Vorteil sehen. Da ich dazu keine Zahlen habe, muss ich mich da von meinem Gefühl leiten lassen, aber das hat mich ja schon bei der Präzision im Stich gelassen; von daher ist auch dieser Eindruck mit Vorsicht zu genießen.
Fazit zu den Torhütern
Wer in den eigenen Augen der bessere Torhüter ist, darf natürlich gerne jeder für sich selbst entscheiden. Unter Berücksichtigung aller relevanten Zahlen ist allerdings für mich Hiller in der Leistungsauswertung 23/24 klar die Nummer 1. Und auch wenn der Eindruck in der ein oder anderen Situation vielleicht Richter favorisiert, ist die bessere Gesamtbilanz von Marco Hiller nicht wegzudiskutieren.
Wer als Keeper eines Teams, das auf Platz 15 die Saison beendet, statistisch zweitbester Torhüter der Liga ist, kann schon rein von der Logik her nicht der schlechtere im eigenen Team sein. Vor allem dann, wenn es a) belastbare Zahlen zum Konkurrenten gibt, welche die Qualität der Nummer 1 im Vergleich zur Nummer 2 belegen, und es b) bis auf die leichten Vorteile bei der Strafraumbeherrschung – und das auch nur in Nuancen – keine weiteren Argumente gibt, die für einen Wechsel auf dem Torhüterposten sprächen.
Leistungsauswertung 23/24 Abwehr
Kapitän Jesper Verlaat ist der einzige Spieler des TSV 1860 München, der aus dem Abwehrverbund in der Top 20 seiner Position ligaweit auftaucht. Genauer ist der Innenverteidiger in dieser Saison im Vergleich zu seiner Konkurrenz auf Platz 13 gelandet.
Jesper Verlaat
Verlaat zeichnete sich in dieser Saison durch ein starkes Stellungsspiel und eine extrem hohe Quote beim Abfangen von gegnerischen Pässen aus. Seine Zweikampfbilanz ist mit 72% ebenfalls nicht zu bemängeln. Die Zweikampffrequenz mit 4,84 geführten Zweikämpfen gegen den Ball pro 90 Minuten ist allerdings verbesserungswürdig. Der Ligadurchschnitt liegt hier pro Spieler bei 5,63 geführten Zweikämpfen über 90 Minuten. Der Topwert diese Saison bei Spielern, die mindestens 1000 Spielminuten absolviert haben, liegt bei 10,91.
Die beiden im Zweikampf giftigsten Löwen mit den meisten Zweikampfaktionen gegen den Ball pro Spiel waren Fabian Greilinger und Kilian Ludewig mit Werten zwischen 8,47 und 9,06.
Ebenfalls weit vorne liegt unser Kapitän bei der Erfolgsquote, wenn es um Kopfbälle in der eigenen Box geht. Mit Rund 72% gewonnener Kopfballduelle im eigenen Strafraum rangiert Verlaat hier auf Platz 7 im Vergleich mit den anderen Spielern der Liga. Und um diese 72% gleich noch auf ein stabileres Fundament zu setzen und Platz 7 bei diesem Wert ein größeres Gewicht zu geben, muss man gleichzeitig einen Blick auf die tatsächliche Anzahl der Kopfballduelle im eigenn Sechzehner blicken. Verlaat hat im Vergleich mit der Ligakonkurrenz die viertmeisten Kopfballduelle in der eigenen Box geführt. Von den Spielern, die quotenmäßig vor Verlaat stehen, hat nur Michael Schultz von Viktoria Köln mehr Luftduelle im eigenen Strafraum bestritten. Schlussfolgernd daraus ist Verlaat nach Schultz der Spieler, der ligaweit die zweitmeisten gegnerischen Flanken entschärfen konnte.
Michael Glück
Michael Glück, in der Rückrunde zum Stammspieler auf der zweiten Innenverteidiger Position avanciert, hat mit 70 % gewonnener Defensivduelle ebenfalls eine gute Quote aufzuweisen und das bei einer höheren Zweikampffrequenz im Vergleich mit Verlaat. Seine Abfangquote bei gegnerischen Pässen ist etwas niedriger als die des Kapitäns. Bei Glück haben wir diesbezüglich noch einiges an Entwicklungspotential.
Die generell stabile Defensivabteilung wird durch die Außenverteidiger, von denen sich allerdings keiner in der Top 20 der Liga wiederfindet, komplettiert. In einigen für die Wertung wichtigen Einzelkategorien haben aber die dort eingesetzten Löwen positionsbezogen gute Werte erzielt. Der statistisch beste Außenverteidiger diese Saison im Löwentrikot war Fabian Greilinger, der defensiv vor allem durch seine Giftigkeit in direkten Duellen gegen den Ball besticht, beim Spiel nach vorne aber ein wenig die Präzision und Kreativität vermissen lässt.
Fazit
Insgesamt ist die komplette Hintermannschaft des TSV 1860 München der Garant für den Klassenerhalt gewesen. Um das zu erkennen, reicht tatsächlich auch ein Blick aufs Torverhältnis. Im Vergleich zu den Absteigern, die ja letztendlich diese Saison die direkte Konkurrenz waren, kassierten unsere Sechzger deutlich weniger Tore. Mit einem Torverhältnis von +16 im Vergleich zum diesbezüglich besten Absteiger Duisburg, zeigt sich, dass die Abwehr Sechzigs Lebensversicherung in der Liga gewesen ist. In der Offensive hatten die Löwen nur gegenüber Lübeck oder Freiburg die Nase vorn, was erzielte Tore betrifft.
Im nächsten Teil der Reihe Leistungsauswertung 23/24 werde ich die Mittelfeldzentrale sowohl defensiv als auch offensiv – unter die Lupe nehmen.
Datenquelle: Wyscout
Möglicherweise liegt die unterschiedliche Wahrnehmung auch daran, dass man sich an die Gegentore erinnert (zumal wenn sie Punkte kosten) und nicht an die, die die Abwehr/Torwart verhindert hat.
Wenn wir uns dagegen die versemmelten Chancen von Laki und Co anschauen würden, wären wir alle froh sämtliche Stürmer los zu werden.
Da bleibt dann aber eher das entscheidende 1:0 in Erinnerung.
Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast…
Nein, ein Teil dieser Auswertungen ist schon okay, doch mit Vorsicht zu genießen. Ein Kwadwo hat eine überragende Saison gespielt und taucht in der Bewertung praktisch nicht auf. Ähhh?
Ich mag den Greilinger, aber dass seine Leistung statistisch gesehen besser sein soll als die “Daten” von Kwadwo, das kann nur ein schlechter Scherz sein.
Schöne Spielerei diese Datenanalyse, spiegelt die tatsächlich auf den Platz gebrachte Leistung meiner Ansicht nach definitiv nicht wider.
Statistik ist neutral. Deine Meinung nicht.
Und du hast von Fußball überhaupt keine Ahnung.
Ich hab lange mit wyscout gearbeitet. Die Daten sind maximal ein grober Richtwert.
Wie du richtig erkannt hast, sieht es auf dem grünen Rasen oftmals ganz anders aus.
Statistiken sind schön und gut, aber man darf nicht nur die Zahlen anschauen und bewerten, wie es oft gemacht wird. Es gibt zig Spiele wo man anhand der Zahlen sagen wird hey der Frey hat doch ein ordentliches Spiel gemacht, wenn du aber den Mann dann 90 Minuten lang beobachtest, dann kannst dir nur an Kopf langen und die guten Passwerte liegen daran, dass er null Peil von Spielaufbau, Kreativität, Zug nach vorne hat. Aber ein erfolgreicher, unbedrängter Pass zu einem Verteidiger ist halt nunmal laut Statistik ein erfolgreicher Pass … Um nur ein Beispiel zu nennen.
Mit der Definsive können wir zufrieden sein. Die Tiefe/Höhe der Verteidigung bei Ballbesitz und gegen den Ball ist verbesserungswürdig. Mit einem besseren Ballverteiler in der Zentrale und einem besseren Bomber im Sturm könnte sich dies aber auch positiv auf das stellungsspiel und die Tiefe bei ballbesitz auswirken. Derzeit bin ich neutral bis positiv gestimmt wenn es um den Kader für die nächste Saison geht. Mit Hiller Verlaat, Glück, Hobsch verspreche ich mir mehr Identifikation und Kampf und freue mich aufs erste Spiel 👍
Danke für die Analyse, Bernd. An der Abwehr hat’s weiß Gott nicht gelegen. Aber auf die Detailanalyse der Offensivkräfte freue ich mich nicht wirklich, das wird eine trostlose Lektüre.
Eine wichtige Statistik ist dir aber durchgerutscht: wir haben weniger Tore kassiert als die dummen Roten in Liga 1!! Weiß nicht, wann das das letzte Mal der Fall war. 🙂
Danke, hilft mir enorm bei der Einschätzung