Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels SC Verl – TSV 1860 München. Der späte Siegtreffer des TSV 1860 war für Verl natürlich unglücklich. Betrachtet man aber die offensive Gesamtleistung beider Mannschaften, geht das Ergebnis absolut in Ordnung.

SC Verl gegen den TSV 1860 hieß die Begegnung an diesem heißen Samstagnachmittag im ostwestfälischen Paderborn. Michél Kniat, Trainer der Verler, schickte den SC wenig überraschend im 4-3-3 offensiv auf den Platz. Ebenso wenig überraschend war, dass Michael Köllner dem wie üblich das flexible 4-1-4-1 entgegenstellte.

Dass allerdings Erik Tallig auf der linken Verteidigerposition aufgestellt wurde und dort Phillipp Steinhart vertrat war – zumindest für mich – dann doch überraschend. Damit hat Michael Köllner eine weitere Möglichkeit gefunden den Kader auf einer Position intern zu verbreitern. Ich hatte tatsächlich damit gerechnet, dass Lannert, der links wie rechts in der Viererkette spielen kann, dort auflaufen würde und Deichmann auf der rechten Abwehrseite eingesetzt wird.

Die Verler verschoben das 4-3-3 gegen den Ball über 4-2-3-1 auf 4-4-1-1. Die Sechzger spielten wie gewohnt bei Ballbesitz mit einem gependelten Außenverteidiger und variablen Verschiebungen aus dem Mittelfeld nach vorn in die Spitze. Mit Ball spielte man also 3-4-3. Gegen den Ball war Vrenezi meist der Spieler, der aus der vorderen Viererkette ins defensive Mittelfeld abkippte, um neben Rieder die 4-2-3-1 Verteidigungsformation herzustellen.

Bevor wir in die Analyse starten gibt es hier wie immer die wichtigsten statistischen Werte des Spiels.

Statistische Werte der Partie SC Verl – TSV 1860

  • Ballbesitz TSV 1860 43% – SC Verl 57%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 75% – SC Verl 81%
  • defensive Zweikampfquote TSV 1860 62% – SC Verl 50%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 11/3 – SC Verl 8/3
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 16,73 – SC Verl 9,96

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Beim Ballbesitz ist Verl zumindest in der Statistik dominant. Es ist aber wie so oft bei den Gegnern der Löwen: gegen die gute Staffelung der Defensivformation des TSV 1860 München fand Verl oft keine Lösungen, spielte deshalb viel hintenrum und agierte nach vorne relativ ideenlos mit langen Bällen – in die Pressingfallen des TSV 1860 München. Diese hohen, langen Bälle wurden meist dort, wo sie herunterkamen, von Defensivspielern des TSV 1860 München in Empfang genommen und postwendend in die entgegengesetzte Richtung geschickt.

Das Resultat aus dem hintenrum Spielen des SC Verl ist, wie so oft, die hohe Ballbesitzquote, die einmal mehr in einem Spiel des TSV 1860 nicht beherrschende Dominanz wie man vermuten könnte beim Gegner aufzeigt, sondern wie oben schon beschrieben die Ideenlosigkeit des Sport Clubs entlarvt.

Passgenauigkeit

Wer viel hintenrum spielt, macht beim Abspiel wenig Fehler. Wer beim Abspiel wenig Fehler macht, hat eine hohe Passgenauigkeit. Blicken wir also nur auf die der Offensive zuträglichen Pässe der beiden Mannschaften. Hier hat der TSV 1860 München im Vergleich mit dem SC Verl klar die Nase vorn. In allen Kategorien, die hier wichtig sind, haben unsere Löwen bessere Quoten als der Gegner. Man sieht wieder einmal, dass weder Passgenauigkeit noch Ballbesitz etwas über die Dominanz der Mannschaft aussagen, solange man nicht unterscheidet, wo der Ballbesitz und Pässe stattfanden. Viele Gegner hatten in der Vergangenheit bei diesen statistischen Werten die Nase vorne, wenn sie gegen den TSV 1860 spielten. In der Analyse der Partien waren jedoch meistens die Löwen sowohl spielbestimmend als auch siegreich.

Defensive Zweikampfquote

Die offensichtliche Dominanz des TSV 1860 in dieser Statistik findet sich nicht nur in den relativen Werten, sondern auch in absoluten Zahlen wieder. Im eigenen letzten Drittel verlor der TSV 1860 München nur sechs Zweikämpfe am Boden und kein einziges Kopfballduell. In der gesamten eigenen Spielfeldhälfte verloren die Spieler von Michael Köllner nur sieben direkte Duelle am Boden und zwei in der Luft. Das war ohne Frage gegen eine so gerne offensiv auftretende Mannschaft wie Verl eine absolute Topleistung.

Schüsse

Viele Schussversuche gab es auf beiden Seiten nicht. Das Schussverhältnis von 11:8 spiegelt den Spielverlauf besser wider als Ballbesitz oder Passgenauigkeit. Beide Mannschaften brachten den Ball gleich häufig so auf den Kasten, dass er dem Torhüter Arbeit verschaffte. Marco Hiller hielt was zu halten war, sein Kollege Thiede hatte in der Nachspielzeit das Nachsehen und musste hinter sich greifen, um den Ball aus den Maschen zu holen.

Erfreulich ist, dass die Positionen der meisten Schüsse die der TSV 1860 aus dem Positionsspiel heraus absetzte in der Box des SC Verl waren und nicht davor. Abschlusssituationen im Strafraum sind also weiterhin in der Mehrzahl gegenüber den Schüssen aus der zweiten Reihe.

PPDA

Der PPDA Wert von 16,73 ist einer der höchsten, den die Sechzger in einem Ligaspiel unter Michael Köllner erspielt haben. Nicht vergessen, hier gilt: je niedriger, desto besser.

Dieser statistische Wert soll die Pressingintensität einer Mannschaft aufzeigen. Das tut er im Normalfall auch relativ gut. Was bedeutet Normalfall? Normalfall bedeutet, dass direkt angelaufen wird und die Mannschaft versucht den Ball über Zweikämpfe in der gegnerischen Hälfte wieder in die eigenen Reihen zu bekommen.

Das war aber am Samstag nicht das Ziel der Sechzger. Die Löwen pressten im Raum und nicht gegen den Mann. Ziel des ganzen war dem SC Verl das kurze Abspiel im Aufbau zu nehmen und die Verler zu langen Bällen, die dann abgefangen werden, zu zwingen.

Dieses Konzept ging perfekt auf. Weit weniger als die Hälfte aller Versuche des Sport Clubs den langen Ball zu spielen kamen an. Diese langen Bälle endeten folglich bei einem Spieler unseres TSV 1860 oder im Aus.

Lediglich gegen Ende der ersten Halbzeit ließ der TSV 1860 München dem SC Verl auch im Aufbau Raum. Dies war die beste Phase des Sport Clubs, in der sie sich mehrere gute Gelegenheiten erspielen konnten.

Zusammenfassend kann man über die statistischen Werte wieder einmal sagen: Ohne das Spiel gesehen zu haben, helfen sie nicht bei der Analyse der Partie.

Das Tor

Bei einem Angriff, der durch die Mitte beginnt, legt Willsch den Ball in der Spielfeldhälfte der Verler zurück auf Deichmann, der zentral im Mittelkreis in Ballbesitz kommt. Deichmann spielt dann das Leder auf die rechte Seite zu Lannert. Dieser kann begleitet von Bürger, ohne von diesem angegriffen zu werden, auf der rechten Außenbahn Tempo aufnehmen und schlägt eine Flanke an den Rand des Fünfers wo Skenderovic, dessen Gegenspieler Berzel ihn auf Höhe des langen Pfostens mutterseelenallein lässt, den Ball per Kopf ins Tor bringt.

Anzusehen ist es hier in der Zusammenfassung von Magenta Sport.

Was fiel auf?

Tallig als Verteidiger hat ein tolles Spiel gemacht. Nur einen Zweikampf hat die Nummer acht des TSV 1860 München gegen den Ball verloren. Der verlorene Zweikampf führte allerdings in der 37. Minute zu einer Topchance für Verl durch Probst, die Hiller am Ende zunichte machte. Elfmal eroberte er den Ball. Fünfmal fing er einen Pass ab. Das war Alles in Allem eine Topleistung auf einer für Erik Tallig ungewohnten Position.

Wie jeder Gegner bisher (außer Dynamo Dresden) hatte Verl Probleme Lösungen für das eigene Offensivspiel zu finden. Die Staffelung gegen den Ball beim TSV 1860 funktioniert von Spiel zu Spiel immer besser.

Skenderovic erlöst die Fans mit einem späten Tor. Auch bei ihm ist also der Knoten geplatzt. Das Fehlen von Marcel Bär wird von Spiel zu Spiel weniger zum Thema. Das macht einen weiteren Neuzugang vor dem Ende des Transferfensters in zwei Wochen immer unwahrscheinlicher.

Was die Abwehrspieler nicht verteidigen können klärt Hiller. Zum dritten Mal in Folge spielt er zu null!

Elfmeter ja oder nein? Hätte Verl bei einem Zweikampf in der Box der Sechzger spät in der zweiten Halbzeit (91.) einen Elfmeter bekommen müssen? Ich denke nein. Meiner Meinung nach war der Ball bereits weg als Grodowski, der genau wie Lannert in dieser Situation nicht ganz sauber spielt, zu Fall kommt. Aber darüber lässt sich bestimmt auch streiten. Wäre dieser Elfmeter gepfiffen worden, hätte sich vermutlich keiner wirklich beschwert. Generell ist die Szene nicht einfach zu bewerten, weil die Perspektiven, die Magenta hier anbietet, nicht für 100%ige Klarheit sorgen. Doppelt bitter für Verl: Im Gegenzug fiel der Siegtreffer für den TSV 1860.

Fazit

In einem umkämpften Spiel hatte der TSV 1860 München am Ende vielleicht etwas glücklich, aber absolut verdient die Nase vorn und besiegte den Gegner aus Ostwestfalen in der Nachspielzeit mit 1:0.

Die Verler waren in ihren Angriffsbemühungen aufgrund der Ideenlosigkeit nicht effektiv und wurden meist vor der roten Zone des TSV 1860 gestellt. Nur acht Ballkontakte hatte Verl in der Box des TSV. Ein einziger davon war in einer zentralen Position. Die sieben anderen Ballkontakte der Verler waren alle an den seitlichen Rändern der Box des TSV.

Bei den Löwen greifen die Rädchen immer besser ineinander. Die Mannschaft wird auch am Ende einer umkämpften Partie nicht nervös. So gewinnt man diese Spiele nun offensichtlich mit Routine und Willen.

So darf es gern weitergehen. Wir freuen uns auf den kommenden Freitag, wenn Halle im Sechzgerstadion zu Gast sein wird.

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Reinhard Erler

Mein Fazit vom Spiel: Aaron Berzel verfügt halt immer noch über die blauen Gene 💙🦁💙

Darock

Lustigerweise habe bei Berzel´s Einwechslung zu meinem Spezl gesagt: “Pass auf de schießt das Tor für Sechzig.”

coeurdelion

Hei Bernd! wie gewohnt eine gute Aufschlüsselung des Spiels; interessant, ich hab Tallig li. hinten als verschenkt eingestuft,aber er hats wohl trotzdem top gemacht; gefehlt hat er mir dafür im Mittelfeld, Koby+ Vrenezi waren mir da viel zu blass, Ersteren hab ich überhaupt nicht bemerkt, Vrenezi hat (noch) keinen Blick für die Mitspieler, er verlangsamt unser Aufbauspiel bei schnellen Kontern deutlich
PS: ich glaube, du meintest unser spätes Siegtor war “glücklich”…oder (s.o.)