Ein Kommentar von Stephan Tempel

Nur wenige Wörter standen gestern auf dem Banner bzw. den beiden Bannern, welche ein Flugzeug über dem Fußball-Trainings-Platz in Windischgarsten zeigte. Auf dem Platz hielt die Profi-Mannschaft des TSV 1860 gerade ihre Nachmittags-Trainingseinheit ab, die am Trainingsplatz zugelassenen Kiebitze schauten zu und diskutierten. Dann kam das Flugzeug mit dem Banner: In großen Buchstaben stand darauf geschrieben: „Danke Hasan“ – und auf einem etwas kleinerem Banner darunter: „You´ll never walk alone“.

Diese Wörter waren genug, um ein mittleres Online-Erdbeben auszulösen: Über 350 Kommentare auf db24 und über 60 im Kommentarbereich von Facebook auf sechzger.de gibt es auch nicht jeden Tag – und wieder mal wurde klar, was gutgemeinte Aktionen wie #VEREINenStattSpalten oder auch die warmen Worte von Hasan Ismaik in seinen letzten Postings auf Facebook bei der Basis bewirken: wenig bis gar nichts – leider.

Es hätte viel zum diskutieren gegeben an diesem Tag: Egal wer sich welches Konzept für den Stadionbesuch für Fußballfans in Corona-Zeiten ausgedacht hatte – dieses Jahr, also nahezu die komplette Hinrunde wird mit großer Wahrscheinlichkeit kein Fußballfan mehr ein Stadion von innen sehen. Die Corona-Zahlen explodieren weiter. In der NBA fallen Spiele aus, weil die Spieler dort gegen einen weiteren rassistischen Vorfall in den USA demonstrieren. Auf dem Trainingsplatz in Windischgarsten steht eine junge, hungrige Truppe, der es Spaß macht bei der Arbeit zuzuschauen.

Obwohl viel spekuliert wurde, viele Namen durch die Gegend geistern und Günther Gorenzel neben dem Trainingsplatz nahezu Nonstop mit dem Handy am Ohr zu sehen ist – es sind noch keine neuen Spieler da, entgegen der Gerüchteküche der letzten Tage (dementsprechend froh sind wir darüber, nicht darauf eingestiegen zu sein – aber das nur am Rande).

Alles vollkommen uninteressant: Lieber wurde zum gefühlten tausendsten male hervorgeholt, was Hasan für den Verein getan hat, das fiel natürlich je nach Sichtweise höchst unterschiedlich aus. Nahtlos ging es dann gleich weiter zum Präsidium – je nach Plattform mit den entsprechenden Kommentaren, garniert mit allerlei Kraftausdrücken. Entweder für einen der offiziellen – oder für den jeweiligen Diskussionspartner.

Warum eigentlich? Wenn jemand einen vierstelligen Betrag (die rund 300,- Euro Kosten für so eine Aktion die im Löwenmagazin angegeben wurden, beziehen sie auch einen entsprechenden Flug mit einem schon vorgefertigtem Banner – bei Sonderanfertigungen kommen für jeden Buchstaben mindestens 25,- Euro dazu https://sky-message.at/Preisliste.html) ausgeben möchte um Ismaik zu danken, dann ist das sein gutes Recht. Ebenso war es vor rund 20 Jahren das gute Recht der Freunde des Sechzgerstadions, ein entsprechendes Banner (“Baut das 60er aus”) über dem Olympiastadion bei einem Heimspiel des TSV 1860 kreisen zu lassen. Die Debatte, ob man das Geld nicht sinnvoller ausgeben könnte, führten die Löwenfans übrigens schon damals.

Nicht falsch verstehen: Natürlich darf man über alles diskutieren – ich habe mich selber gestern mit dem Franz Hell stundenlang über die Vergangenheit, die „vier“ und die Zukunftsaussichten der Löwen unterhalten. Vieles aus der Vergangenheit bewerten wir äußerst unterschiedlich – aber der Ton macht die Musik: Gegenseitiger Respekt ist vorhanden und wenn wir uns heute am Trainingsplatz wieder treffen, dann werden wir uns wieder gegenseitig einen guten Morgen wünschen.

Dieser gegenseitige Respekt ist vielen verloren gegangen, das hat das kleine Flugzeug gestern mal wieder eindrucksvoll bewiesen. Kleines Flugzeug – große Wirkung. Schade.

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