Kurz vor dem Jahresfinale messen sich die Löwen nun innerhalb von vier Tagen mit zwei – sich ganz und gar nicht freundschaftlich gesonnenen – Traditionsvereinen aus dem Südwesten der Republik. Heute Nachmittag kommt Waldhof Mannheim nach Giesing – am Dienstag Abend geht es dann auf den Betze zum 1. FC Kaiserslautern.

Nachdem es am vergangenen Wochenende noch danach aussah, dass an diesem 15. Spieltag ein ziemlich euphorisierter, seit fünf Spielen ungeschlagener SV Waldhof, der zuletzt den Tabellenführer aus Saarbrücken mit 4:1 vom Thron stieß, beim seit fünf Spielen sieglosen und – darf man der Münchner Medienlandschaft glauben – in tiefer Depression versunkenen TSV 1860 antreten würde, änderte sich dieses Stimmungsbild unter der Woche zumindest in der Quadratestadt ein wenig: Die Mannheimer unterlagen am Dienstag Abend im Nachholspiel der 9. Runde mit 0:2 in Meppen (davor noch Tabellenletzter) und konnten ihre eklatante Auswärtsschwäche nicht überwinden. Sie warten weiter auf ihr erstes Auswärtstor seit acht(!) Wochen. Im Unterschied zur vergangenen Saison gehören die 07er heuer zu den schwächsten Teams der Liga an Gegners Platz. Dennoch kommt heute eine Mannschaft zu uns, die mit absoluter Vorsicht zu genießen ist, wie unser Bernd Winninger gestern bereits in seiner TAKTIKTAFEL erläutert hat. Spektakuläre Ergebnisse wie ein 4:4 gegen Türk Gücü Anfang Oktober, ein 5:2 gegen Magdeburg am Ende desselben Monats, ein 4:1 gegen Ingolstadt vor vier Wochen sowie das schon angesprochene gleiche Resultat gegen den 1. FCS vor einer Woche belegen: Wenn der Waldhof aufläuft, ist meist was los. Und wehe, wenn sie losgelassen…

Das letzte Aufeinandertreffen mit “die Buwe” im Sechzgerstadion war das drittletzte Vor-Corona-Heimspiel vor Zuschauern auf Giesings Höhen und endete am 8. Februar mit einem Remis. Nachdem die Löwen in der Hinrunde dem Aufsteiger noch sang- und klanglos mit 0:4 unterlegen waren, zeigten sie im Rückspiel ein ganz anderes Gesicht und setzen das am damaligen 23. Spieltag – ganz anders als in dieser Saison – auswärts noch ungeschlagene Team mächtig unter Druck. Am Ende bejubelten die Gäste ihren Punktgewinn, wie auf obigem Titelfoto zu erkennen ist.

In der 3. Liga versuchen die Löwen heute demnach im dritten Duell den ersten Sieg gegen diesen Kontrahenten einzufahren. Eine Liga höher gab es zwischen 1974 und 1994 insgesamt 14 Aufeinandertreffen. Zwei Niederlagen (beide im alten Stadion am Alsenweg erlitten) und vier Unentschieden (ebenfalls alle auswärts erzielt) stehen acht Siege gegenüber! Die Heimbilanz ist mit sieben Erfolgen und einem Torverhältnis von 15:4 für Sechzig in der 2. Liga also makellos. Der DFB-Pokal schmälert die hervorragende Gesamtbilanz ein wenig: In Spielen der 2. Hauptrunde bedeutete Waldhof Mannheim im Oktober 1975 und genau sechs Jahre später zweimal das vorzeitige Aus für den TSV 1860 – jeweils als Zweitligakonkurrenz.

Obwohl Waldhof Mannheim insgesamt sieben Jahre der 1. Bundesliga angehörte, kam es auf der höchsten Spielebene nie zu einem Duell mit dem TSV 1860. Die große sportliche Zeit der Kurpfälzer fällt genau in die tiefste Depression der Münchner Löwen: Nach rund dreißig Jahren fast ununterbrochener Zweitklassigkeit stieg man 1984 unter dem weithin bekannten – und angesichts einer kommunalen NPD-Kandidatur in den 1960er-Jahren nicht unumstrittenen – Trainer Klaus Schlappner als 36. Verein in die 1. Bundesliga auf und sorgte dort für Furore: So fügte man beispielsweise im Herbst 1984 dem Verein aus der Seitenstraße, der damals während der Wiesn-Zeit – nach eigener Selbstüberschätzung – angeblich unschlagbar war, eine peinliche Heimniederlage zu, über die sich damals ganz Deutschland amüsierte. Am Ende jener Saison verpasste der Waldhof nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz den Einzug in den UEFA-Cup. Die Heimspielstätte des SVW war in jenen Bundesligajahren übrigens nicht in Mannheim zu finden, sondern auf der anderen Seite des Rheins und somit gar in einem anderen Bundesland: Im Südweststadion Ludwigshafen. Der Ligakonkurrent 1. FC Kaiserslautern war über diesen Spielort der neuen Bundesligakonkurrenz gar nicht glücklich und befürchtete nach dem Umzug der 07er eigene Zuschauerverluste. Und tatsächlich pilgerten in der ersten Erstligasaison durchschnittlich fast 7.000 Zuschauer mehr ins Südweststadion zum SV Waldhof, als zum FCK auf den Betzenberg. In den folgenden Jahren ging der Zuschauerzuspruch für das Mannheimer Team aber dann spürbar und kontinuierlich zurück. In der letzten Saison im Oberhaus wurden die Heimspiele wieder im heimischen Stadion am Alsenweg durchgeführt – vor durchschnittlich 11.800 Besuchern. Im Jahr der deutschen Wiedervereinigung, dem verflixten siebten Jahr seiner Erstligazugehörigkeit endete für den SV Waldhof das Abenteuer Bundesliga. Und weitere sieben Jahre später – in welchen auch vier Duelle mit dem TSV 1860 auf dem Zweitligaspielplan standen, eines davon im neu gebauten Carl-Benz-Stadion – ging es noch eine Etage tiefer in die damalige Regionalliga Süd. Im Herbst 1998 begrüßten wir Löwen dann wieder einmal Waldhof Mannheim im Sechzgerstadion – mit unseren Amateuren! Und das nicht zum einzigen Mal. An einige von insgesamt acht Duellen der Amas mit den „Baracklern“ auf Regionalliga-Ebene erinnert sich der eine oder andere Löwenfan sicher noch sehr lebhaft, da es rund um diese Partien neben dem Platz mehrfach zu massiven Spannungen zwischen den Fanlagern kam.

Doch zurück zum Mannheimer Werdegang nach der Jahrtausendwende: Vor dem – finanziell bedingten – Absturz in die damals viertklassige Oberliga Baden-Württemberg 2003 kehrte der SV Waldhof nochmal für vier Jahre in die 2. Liga zurück. Dann wurde es für viele Jahre sehr still um den Mannheimer Fußball. Als der DFB 2008 die 3. Liga aus der Taufe hob, quälten den Verein wieder einmal finanzielle Schwierigkeiten, die 2010 zu einer Lizenzverweigerung für die Regionalliga führten, sodass man 2010/11 in der nun nur noch fünftklassigen Oberliga Ba-Wü angekommen war. Einige Jahre nach der sofortigen Rückkehr in die Regionalliga Südwest entwickelten sich die Waldhöfer Mitte der 2010er-Jahre zur tragischen Figur dieser Liga, als sie dreimal in Serie am Nadelöhr Aufstiegsrelegation scheiterten: 2016 als Meister gegen die Sportfreunde Lotte, 2017 als Staffelzweiter im Elfmeterschießen gegen den SV Meppen und 2018 wieder als Zweiter – parallel zu unserem Relegationskrimi gegen Saarbrücken – am KFC Uerdingen. 2019 – der DFB hatte die Aufstiegsregularien inzwischen geändert – gelang durch die Meisterschaft in der Regionalliga Südwest dann endlich der ersehnte direkte Aufstieg in die 3. Liga. Nicht auszudenken, welches Trauma ein viertes Scheitern in Serie in einer Relegation zur Folge gehabt hätte.

Ambitionen in Richtung einer Rückkehr in die 2. Bundesliga – immerhin gehörte man dieser Spielklasse seit deren Gründung insgesamt 20 Jahre an – sind nicht zuletzt aufgrund des enthusiastischen und gleichzeitig leidensfähigen Publikums in der Quadratestadt durchaus vorhanden. Nach einem Umbruch vor dieser Saison – u.a. wurde auf der Trainerposition nach zweieinhalb Jahren Ex-Löwe Benhard Trares von Patrick Glöckner abgelöst – übernahm der SV Waldhof in der Liga die Funktion der Wundertüte – keiner weiß so Recht, was wirklich drinsteckt. Wollen wir hoffen, dass Michael Köllner und seine Schützlinge heute Nachmittag auf Mannheimer Überraschungen vorbereitet sind. Verfolgen kann man dies – heute wieder einmal – im BR und natürlich ergänzend im sechzger.de-Liveticker.

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