Sportwetten sind heute aus dem Profifußball kaum wegzudenken. Wer die Bundesliga schaut, wird mit Spots in der Halbzeit, Bandenwerbung oder Ärmel-Logos permanent daran erinnert, dass die Wettbranche längst ein fester Partner der Vereine geworden ist. Doch wie groß ist das Geschäft wirklich, was sagt die Forschung zu Spielsucht – und wie passt all das zu den Werten, die die Vereine im deutschen Profifußball immer wieder betonen?
Sportwetten – ein Milliardengeschäft
Zahlen zur Marktgröße wirken auf den ersten Blick wuchtig: Der Bruttospielertrag (GGR) – also das, was Anbietern nach Gewinnauszahlungen als „echter Umsatz“ bleibt und somit dem Verlust der Kunden gleichzusetzen ist – lag in Deutschland beim gesamten Glücksspielmarkt 2024 bei rund 14,4 Milliarden Euro, nachdem er 2023 etwa 13,7 Milliarden Euro betragen hatte. In Sachen Sportwetten summierten sich die Einsätze 2024 auf ungefähr 8,2 Milliarden Euro. Neben dem regulierten Markt gibt es einen erheblichen Schwarzmarkt, den die Glücksspielbehörde auf mehrere Hundert Millionen Euro GGR pro Jahr schätzt. Auch fiskalisch ist das Geschäft bedeutend: 2023 nahm der Bund durch die 5,3-Prozent-Einsatzsteuer auf Sportwetten rund 409 Millionen Euro ein.
Die Belastung für die Gesellschaft ist hoch. Nach offiziellen Erhebungen leben in Deutschland rund 1,3 Millionen Erwachsene mit einer Glücksspielstörung, weitere 3 Millionen Menschen zeigen ein problematisches Glücksspielverhalten. Besonders deutlich wird die gesellschaftliche Reichweite daran, dass 13,6 % der Bevölkerung angeben, jemanden im Umfeld zu haben, der durch Glücksspiele Probleme entwickelt hat. Damit ist Glücksspiel nicht nur ein individuelles, sondern auch ein soziales Problem. Gerade junge Erwachsene sind überproportional betroffen: In der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre erfüllt fast jeder Zwanzigste die Kriterien einer Störung, rund zwei Prozent leiden sogar an einer schweren Form.
Klare Vorgaben für Werbung…
Noch vor gut anderthalb Jahrzehnten war die heutige Werbepräsenz unvorstellbar. Der Glücksspielstaatsvertrag von 2008 untersagte Werbung im Fernsehen und Internet nahezu vollständig. Mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 wurde Werbung für erlaubte Anbieter unter Auflagen wieder möglich. Seit 2021 präzisiert der neue Staatsvertrag die Regeln: ereignisnahe Spots sind untersagt, ebenso Werbung mit aktiven Sportlern und Funktionären; Sponsoring in Sportstätten ist nur noch eingeschränkt erlaubt. Doch trotz dieser Vorgaben ist die Branche in Stadien, im Fernsehen und online omnipräsent.
Wie groß der Einfluss der Rechtslage sein kann, zeigte sich auch bei den Löwen selbst. In der Saison 2006/2007 trug der TSV 1860 München den Schriftzug von bwin (damals noch betandwin) auf der Brust. Doch die Stadt München untersagte die Werbung – private Sportwetten waren in Bayern zu jener Zeit stark eingeschränkt. 1860 musste kurzfristig reagieren und ohne den Sponsorenschriftzug auflaufen. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen und verdeutlichte, wie schnell ein lukratives Sponsoring ins Wanken geraten kann, wenn sich die Gesetzeslage verschiebt.
…die bald komplett verboten ist?
Die ökonomische Bedeutung von Wettpartnerschaften ist für viele Vereine dennoch groß. In der Bundesliga verfügen fast alle Klubs über Glücksspiel-Sponsoren, wenn auch meist nicht als Haupttrikotpartner, sondern über Banden, Ärmel oder digitale Kanäle. In England dagegen sind Trikotsponsoren aus der Wettbranche ab 2026 verboten, in den Niederlanden ist seit Juli 2025 sogar jegliches Sportsponsoring durch Glücksspielunternehmen untersagt. Deutschland geht (noch) einen milderen Weg, doch die Debatte nimmt Fahrt auf.
Aktuell ist das Thema in Giesing wieder besonders präsent: Bet3000 war in den vergangenen Jahren Exklusivpartner der Löwen. Doch im Sommer 2024 verschwand der Anbieter zeitweise von der offiziellen Whitelist der Glücksspielbehörde. Im Grünwalder wurden Logos abgeklebt und über Wochen war unklar, ob die Partnerschaft rechtlich haltbar ist. Medien taxierten den Jahreswert des Deals auf etwa 200.000 bis 250.000 Euro – viel Geld für einen Drittligisten, aber keine Summe, die das Vereinsleben alleine tragen würde. Dass einer der größten Partner von einem Tag auf den anderen ins regulatorische Abseits geraten kann, zeigt die Fragilität solcher Abhängigkeiten. Aktuell ist Bet3000 übrigens ein Premiumpartner.
Diskussion um Wettanbieter als Partner der Vereine
Parallel dazu verdeutlichen Betroffene immer wieder, wie stark Werbung wirkt. In Beratungsstellen berichten Menschen mit Spielsucht, dass Spots, Banner oder Trikotwerbung regelrechte Trigger sind, die das Verlangen massiv verstärken. Auch die Forschung bestätigt: Werbung, vor allem mit Bonusangeboten oder prominenten Testimonials, steigert die Bereitschaft zum Spielen und beeinflusst die Wahrnehmung von Risiken – insbesondere bei jungen Menschen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Vereine weiter Teil dieser Maschinerie bleiben sollten. Ja, Sponsoring durch Wettanbieter bringt kurzfristig Geld in die Kassen. Aber es kostet Glaubwürdigkeit und steht in klarem Widerspruch zu Werten wie Verantwortung, Nachwuchsförderung und Bodenständigkeit. Die Mehrheit der Fans sieht Wett-Sponsoring ohnehin kritisch. Wer in seinem Umfeld erlebt, wie Glücksspiel Leben zerstört, empfindet es als schwer erträglich, dass der eigene Verein mit denselben Firmen gemeinsame Sache macht.
Am Ende geht es um eine Grundsatzentscheidung: Soll der Fußball weiterhin von einer Branche abhängen, deren Produkte erwiesenermaßen Suchtprobleme auslösen und Familien belasten? Oder ist es Zeit, sich klarer zu positionieren – auch wenn das weniger Einnahmen bedeutet? Fußball lebt von Leidenschaft, Identität und Zusammenhalt. Er braucht keine Quoten, um spannend zu sein. Das eigentliche Spiel wird nicht auf dem Wettschein entschieden, sondern auf dem Platz.











Super Talk! Hat mich voll gefesselt.
Danke, freut mich!
Ich war an dem Tag als die bwin-Trikots einkassiert wurden am TG.
Hab mir dann des Heim mit der 18 und bwin-Werbung bei subside-sports online bestellt.
Später dann des “we win”-Auswärtstrikot im Fanshop geholt.
Werder hatte damals zur gleichen Zeit auch bwin,die dann beim Auswärtsspiel bei den Roten auch “we win” drauf gehabt,soweit ich mich net irre.
Der AC Milan hat des Verbot ignoriert und musste dann Strafe zahlen
Starker Beitrag! Zur Frage im Artikel: Ja, es ist Zeit, sich als TSV 1860 München in der Frage klarer zu positionieren, auch wenn das weniger Einnahmen bedeutet. Im Islam ist Glücksspiel übrigens „haram“, also religiös verboten. Hasan Ismaik sollte dem also nicht entgegen stehen.
Diese assozialen Unternehmen gehören aus dem Stadion und klassischen Medien verbannt. Neben den oben erwähnten sozialen Problemen sind es zudem höchst zwielichtige Unternehmen. Stichwort Malta, Zypern etc.
Hab es satt in der Kurve die ganze Zeit mit seltsamen Wetten auf Eckenverhältnis oder andere Spiele von meinen Nachbarn angesprochen zu werden.
Ein sehr interessanter und informativer Beitrag. Gebe ehrlich zu, dass mich das Thema nicht sehr interessiert, vermutlich weil ich 0,0 davon betroffen bin. Wir schmeißen einmal im Jahr, beim gemeinsamen Schauen des CL Finale jeder einen Zehner in den Topf.
Wesentlich problematischer ist doch der Umgang mit Alkohol und der allgegenwärtigen Werbung und Verfügbarkeit der Volksdroge. Im Bereich Fußball ist es doch eher so, dass vor, während und nach dem Spiel gesoffen wird, zumindest von der Hälfte. Bei Auswärtsfahrten geht es ja in der Regel spätestens bei Abfahrt los, egal ob 4.30 oder 9.00 Uhr.
Frage ist halt, ob Werbung für Glücksspiel oder Glücksspiel an sich verboten werden soll. Ich sage klar nein, weil eine Prohibition noch nie Erfolg hatte.
Ich will Alkoholismus hier auf gar keinen Fall relativieren, aber: Wetten bzw. Spielsucht sind tatsächlich ein massives gesellschaftliches Problem, das unter dem Radar bleibt.
Vor allem, weil es in enormem Ausmaß bildungsferne Schichten und auch Menschen mit Migrationshintergrund trifft, die hier bewusst Ziel der Werbung sind. Spielsucht zerstört aber tatsächlich ganze Familien (auch finanziell), weil die Betroffenen oft zu Dingen wie Betrug greifen, um Geld von Angehörigen zu bekommen, um weiter zu zocken.
Es geht niemandem darum, das vollständig zu verbieten. Prohibition treibt das nur in die Illegalität, siehe Alkohol in den USA der 1920er. Aber ein Werbeverbot und strengere Regeln für die Anbieter sind überfällig.
Alkoholwerbung im Stadion ist ja auch Verboten.
Echt? Wird bei uns nicht für Hacker und eine Weinhandlung und den Löwen -Gon geworben?
Sorry, ungenau: auf den Trikots ist Werbung zumindest für harten Alkohol verboten, also auf den Sportlern selbst. Und im Fernsehen gibt es zeitliche Einschränkungen, was die Werbung auf den Trikots weniger attraktiv macht (Biersponsoren auf Trikots sind ja auch ausgestorben). Ganz so strikt wie in anderen Ländern ist es bei uns aber nicht, dort sieht man vielfach ja nur noch Werbung für alkoholfreie Varianten auf Trikots und im Stadion
Danke, das ihr dieses Problemfeld ansprecht! Die Suchtgefahr ist nicht zu überschätzen. Ich meine, sie ist viel größer, als man gemeinhin vermutet.
Das Wetten auf Sportergebnisse hat aber auch einen weiteren negativen Aspekt: Korruption. Der eine oder andere wird sich noch an Reportagen im TV erinnern, wo gezeigt wurde, wie riesig die Wettumsätze insbesondere in Asien sind. Und wer denkt, die Asiaten würden nur auf asiatische Spiele wetten, der irrt gewaltig. Gerade die deutschen Ligen werden sehr gern gewettet, wegen ihres Images von Korruptionsfreiheit. Und zwar auch (gerade) unterklassige und Nachwuchsligen. Und wenn es in einem einzigen Spiel um Millionen geht, dann ist für den einen oder anderen Spieler in Geldnot (zB. wegen Spielsucht) die Versuchung vielleicht allzu groß, auf dem Spielfeld Wünsche eines “Agenten” zu erfüllen, damit dieser Agent seine entsprechende Wette versilbern kann. Untere Ligen werden deshalb bevorzugt, weil sie nicht so genau beobachtet werden und weil die Spieler keine so großen Gehälter bekommen, also anfälliger sein könnten.
Leider habe ich nicht die Zeit, einen der entsprechenden Beiträge in den Mediatheken zu suchen. Ich denke aber, das ZDF beleuchtet diese Aspekte des Sports immer wieder auch kritisch.
Ob das etwas mit Spielen in der 3. Liga zu tun hat, weiß ich nicht. Mit Wetten aber ganz sicher.
Die Recherche dauert nicht lange:
https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/sportwetten-amateurfussball-100.html
Besten dank!
Wettwerbung tötet! Punkt.
Die offiziellen 1,3 Millionen mit einer Glückspielstörung sind nur die Spitze des Eisbergs. Das Potential liegt viel höher. Ca. 20-25% der Bevölkerung sind genetisch für Sucht anfällig. Alles in seriösen Studien nachvollziehbar. Und das ist nur eine Ursache dafür, warum man in eine Sucht schlittern kann.
Die Wett-Lobby arbeitet bisher sehr erfolgreich daran, dass noch mehr Werbung möglich wurde. Wenn die Übertragung von Spielen beginnt ist erstmal Werbung für Wetten, in der Halbzeitpause erstmal Werbung für Wetten, am Ende des Spiels erstmal Werbung für Wetten, zwischendrin(!) Werbung für Wetten, auf Trikots, Banden usw. Werbung für Wetten. Es wird der Eindruck erweckt, dass das völlig normal und gefahrlos ist. Ist es aber nicht.
Ein Teil der Bevökerung ist immer vulnerable und wir sprechen in Deutschland immer von mindestens Millionen, die es treffen kann. Es ist nur ein glücklicher Zufall, ob sie noch nicht in ihrem Umfeld mit dem Wettgift in Berührung gekommen sind und sich dann auch noch irgendwann ihre persönlichen Umstände aus irgendwelchen Gründen verschlechtern und der Belohnungssystem-“Mechanismus” immer stärker befeuert wird.
Dabei soll ja nur die Werbung verboten werden, wetten kann man dann ja immer noch! Aber die Wettanbieter wissen genauso, dass es noch viele Leute gibt, die unverhältnismäßig viel Geld an sie weitergeben würden, wenn sie sie nur erreichen würden. Also möglichst viel Werbung. Und alle verdienen mit, der Staat, die Vereine, die Lobbyisten,…
Wer glaubt, es reicht dass man den Leuten sagt, sie sollen sich halt einfach zusammenreißen, der will es nicht an sich ranlassen. Noch besser ist zu denken “die sind doch selber schuld”. Das sind die Reste des Denkens das 1933-1945 geprägt wurde. Empathielos, menschenverachtend, soziopathisch. Es sich einfach machen, is ja nicht mein Problem. Noch nicht!
Also der letzte Absatz ist völlig an den Haaren herbeigezogen und ich finde NS Vergleiche zu 99% daneben. Dieser hier gehört mit Sicherheit nicht zu dem einen Prozent!
Du darfst das so sehen, wie du willst. Fakt ist aber, dass damals auch die Opfer zu Tätern gemacht wurden.
Top Artikel! Diese Maschinerie zeigt einmal mehr Profit > Mensch