Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels TSV 1860 – 1.FC Saarbrücken. Entgegen dem, was Trainer Koschinat in den letzten vier Spielen systematisch auf den Platz gestellt hatte, kam der 1.FC Saarbrücken diesmal wieder mit einer Viererabwehrkette in der Anfangsformation aufs Feld. Der TSV 1860 München wurde von Michel Köllner im flexiblen 4-1-4-1 ins Match geschickt.

Sowohl bei Saarbrücken als auch beim TSV 1860 rückte im Positionsspiel meist der rechte Außenverteidiger mit ins Mittelfeld vor. Man spielte also auf beiden Seiten mit einer einseitig gependelten Kette. Bei den Saarländern, die im 4-2-3-1 antraten, entstand durch die Verschiebungen weiter vorne so im letzten Drittel vor dem Tor der Löwen eine Formation mit Doppelspitze, bei der jeweils der ballferne Mittelfeldaußenspieler zu Jacob ins Zentrum nach vorne verschob.

Beim TSV 1860 waren die Verschiebungen im letzten Drittel etwas anders angelegt. Der ballnahe Mittelfeldaußenspieler rückte auf die Halbposition hinter der vordersten Linie, um ein Hinterlaufen durch den Außenverteidiger zu ermöglichen. Der ballferne Mittelfeldaußenspieler und einer der beiden zentralen Mittelfeldspieler versuchten Marcel Bär im Sturmzentrum zu unterstützen.

So entstand im Positionsspiel bei den Saarländern in der Offensive ein 3-5-2, während die Löwen es im letzten Drittel mit 3-4-3 versuchten.

Bevor wir uns dem Spiel widmen, ein Blick auf die statistischen Werte der Partie.

Die wichtigsten Statistischen Werte

  • Ballbesitz: TSV 1860 47% – 1.FCS 53%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 72% – 1.FCS 74%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 48% – 1.FCS 61%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 14/3 – 1.FCS 9/2
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 6,49 – 1.FCS 6,09

Analyse der Werte

Ballbesitz und Passgenauigkeit

Fast ausgeglichener Ballbesitz bei den beiden Mannschaften. Beim Zusehen wirkte es jedoch eher, als hätte der TSV ein kleines Übergewicht beim Ballbesitz und nicht der FC Saarbrücken. Wie erklärt sich das? Wieder einmal sind es die Rückpässe in der Defensive der Gäste, die das Zünglein an der Waage spielen. Ganze sieben Rückpässe innerhalb der Defensivreihe plus Torhüter stehen hier bei den Löwen zu Buche. Saarbrücken hingegen hat hier 22 Rückpässe zu Buche stehen. Wenn wir auf die Rückpässe schauen, müssen wir uns natürlich auch die Querpässe innerhalb der Defensivreihen ansehen. Das sind bei den Löwen 63 und bei Saarbrücken 62 Pässe, die keinerlei offensiven Raumgewinn gebracht haben.

Alles in allem sieht die Bilanz bei den Pässen defensiverer Natur für die Löwen wie in den meisten Spielen klar besser aus als die des Gegners. Mit diesen Werten wäre die geringfügig höhere Ballbesitzquote und auch die leicht bessere Passgenauigkeit zugunsten der Saarländer aufgelöst.

In den anderen Passkategorien sind die Werte der beiden Teams relativ nah beieinander, sodass man hier keine großen Unterschiede – sowohl in Anzahl der Pässe als auch in der Passgenauigkeit – ausmachen kann. Bei den wichtigen Pässen, nämlich jenen ins letzte Drittel, haben die Löwen in der Quote leicht die Nase vorn, bei den langen Pässen der 1. FCS.

Stark ist allerdings ein fast 13%-iger Genauigkeitsvorteil für die Löwen bei den sogenannten progressiven Pässen. Das sind Pässe, die für mehr als zwanzig Meter Raumgewinn sorgen.

Defensive Zweikampfquote

Nur 48 Prozent gewonnene Defensivzweikämpfe, obwohl man ja eine grundsätzlich starke Defensivleistung der Löwen gesehen hat, die im Endeffekt nur neun Schüsse des Gegners zugelassen hat. Wie passt das zusammen? Auf den ersten Blick gar nicht und auch ich hab erst einmal geschluckt, als ich die Spielstatistik der Partie angesehen habe.

Wenn wir allerdings ins Detail gehen, sehen wir, dass in den entscheidenden Zonen in der eigenen Hälfte die Zweikämpfe entweder gewonnen wurden oder aber im Nachgang nach einem verlorenen Zweikampf für eine Balleroberung im Folgeduell oder durch ein unsauberes Abspiel gesorgt hatten.

So hat die Mannschaft von Michael Köllner in den nicht pressingrelevanten Zonen nur elf defensive Zweikämpfe überhaupt verloren, davon lediglich zwei im eigenen Strafraum. Während in den pressingrelevanten Zonen nur sieben defensive Zweikämpfe gewonnen werden konnten.

In diesen Zonen ist es nicht unbedingt ausschlaggebend, ob man die Zweikämpfe gewinnt, sondern wie man den Gegner im Spielaufbau, durch den Zweikampf, den man führt, stört. Die Saarbrücker spielten aufgrund dieser Störungen oft vor allem auf den Außenpositionen im Spielaufbau überhastete Pässe, die dann von einem der schnellen Spieler auf den Flügeln bei den Sechzgern abgefangen werden konnten, bevor der Adressat den Ball annehmen konnte.

Die Majorität der verlorenen Defensivzweikämpfe des TSV 1860 fand also in den Zonen statt, in denen Saarbrücken dem Löwentor nicht gefährlich werden kann. Von daher sieht die Zahl bei diesem statistischen Wert auf den ersten Blick zwar katastrophal aus, ist aber – wenn man es genauer betrachtet – sicherlich kein derartiges Desaster wie es zunächst wirkt.

Schussstatistik

Die Überlegenheit der Löwen in dieser Partie spiegelt sich durch die Schussstatistik wunderbar wieder. Leider aber haperte es an der Schussgenauigkeit. Nur dre von vierzehn Schüssen gingen aufs Tor, einer davon auch hinein. Sechs Schüsse des TSV 1860 konnte Saarbrücken blocken, fünf gingen über oder neben das Tor.

Saarbrücken schoss neunmal; davon wurden vier Schüsse geblockt, zwei gingen daneben, einer an die Latte und zwei auf den von Kretschmer gehüteten Kasten. Einer dieser beiden Schüsse war leider ein Treffer.

Pressingintensität

Die PPDA, der Indikator für die Pressingintensität, ist bei beiden Teams sehr gut. Man sieht aber, dass sich die Sechzger aus den Pressingsituationen eindeutig besser befreien konnten als die Gäste. Schon allein die niedrige Zahl der oben schon angesprochenen Rückpässe im Vergleich mit der des Gegners zeigt auf, dass das Pressing der Saarbrücker zwar vorhanden, aber nicht sonderlich effektiv war.

Auch die Anzahl der zu Ende gespielten Positionsangriffe der beiden Mannschaften im Vergleich zeigt, dass der TSV 1860 München einerseits die klar überlegene Mannschaft in diesem Spiel war und andererseits das Saarbrücker Pressing für den TSV keine Rolle gespielt hat.

Leider hat den Sechzgern die Effektivität vor dem Kasten diesmal ein Schnippchen geschlagen. 68 % mehr zu Ende gespielte Positionsangriffe als Saarbrücken stehen für die Löwen zu Buche. Aus so einer Überlegenheit muss man mehr machen.

Das Spiel TSV 1860 – 1.FC Saarbrücken

Über beide Halbzeiten hinweg hatte der TSV 1860 München die Mannschaft aus Saarbrücken grundsätzlich gut im Griff. Gegen das schnelle, variable Spiel der Sechzger hatten die Gäste meist erst im eigenen letzten Drittel etwas entgegenzusetzen. Immer wieder gelang es den Löwen, auf den Flügeln mit tiefen Läufen zu brillieren und die Kugel von außen in die Box zu bringen. Wie oben schon beschrieben haperte es leider an der Effektivität im Strafraum.

Acht der vierzehn Schüsse des TSV 1860 München wurden innerhalb der Box von Saarbrücken abgefeuert. Saarbrücken brachte es nur auf vier Schüsse innerhalb des Münchner Sechzehners. Auch bei den Ballkontakten innerhalb der gegnerischen Box hatte der TSV 1860 München gegenüber den Gästen klar die Nase vorne. 66 Prozent mehr Ballkontakte in der Box hatte der TSV 1860 München gegenüber den Gästen aus Saarbrücken in diesem Spiel.

Der 1.FC Saarbrücken konnte, wenn überhaupt, nur mit zufälligen Aktionen, die Fehlern der Gastgeber entsprangen, oder mit Ecken und Freistößen in die gegnerische Box eindringen. So ist es absolut nicht verwunderlich, dass die Löwen bei den Ballkontakten im Strafraum klar die Nase vorne haben. Aus dem Spiel heraus hatte Saarbrücken genau sieben Ballkontakte im Sechzehner der Sechzger. Das Positionsspiel der Saarländer war so gut wie nicht vorhanden. Aus dem Pressing des TSV 1860 mussten sich die Saarbrücker immer wieder mit langen Bällen befreien, die dann im weiteren Verlauf des Spielzugs meist zu Ballverlusten im Mittelfeld zugunsten des TSV 1860 München führten.

Spät fielen dann die Tore.

Die Tore

Das 1:0

Nach einem Einwurf von der rechten Saarbrücker Angriffsseite etwa auf Höhe der Sechzehnerbegrenzung des TSV 1860 kam der Ball nach etwas Gestocher, an dem sowohl Spieler des TSV als auch welche von Saarbrücken beteiligt waren, zu Becker. Dieser spielte dann einen langen Pass nach vorne, der jedoch bei Leandro Morgalla landete. Unser Youngster spielte den Ball sofort wieder nach lang vorn und somit Bär auf der halblinken Seite in den Lauf.

Bär drang, verfolgt von Boeder, in die Box der Saarbrücker ein und setzte sich robust gegen seinen Gegenspieler durch. Aus der Halbposition auf der linken Seite der Box etwa sieben Meter von der Torauslinie entfernt, spielte er den Ball ins Zentrum vor den Strafraum zum mitgelaufenen Tallig. Dieser nahm den Ball an, verarbeitete das Leder, zog diagonal nach links in Richtung Strafraumbegrenzung, spielte Zeitz, der per Grätsche vor dem Sechzehner noch klären wollte, aus und zog von der Sechzehnmeterlinie ab hinein ins Glück. Batz im Saarbrücker Tor hatte bei diesem Schuss keine Chance.

Das 1:1

Nach einer Ecke von der linken Saarbrücker Angriffsseite köpfte zunächst Belkahia den Ball aus der kleinen Box klärend in Richtung Sechzehnmeterlinie. Dort setzt Neudecker seinerseits zum Kopfball an, um das Leder über Müller hinwegzuspielen. Das hat aber nicht so funktioniert wie Neudecker das gerne gehabt hätte. Der Ball landet bei Müller, der das Spielgerät sofort zurück in den Strafraum bugsierte. Dort kam an der linken Strafraumbegrenzung dann Krätschmer an den Ball, der die Kugel hoch in die kleine Box schlägt. Kerber verlängerte per Kopf auf den langen Pfosten. Mit einem regelwidrigen Schubser brachte dort Gouras Greilinger zu Fall und köpfte den Ball in den Fünfmeterraum wo Jacob zum 1:1 abstauben konnte.

Diesen Treffer anzuerkennen ist eine bodenlose Sauerei. Andererseits muss man auch sagen, wenn Neudecker, anstatt des misslungenen Versuchs einen Konter einzuleiten, das Leder einfach auf die Tribüne bolzt, passiert vermutlich nicht mehr viel in dieser Partie.

Fazit

In einem Spiel, das man dem Spielverlauf nach klar und deutlich gewinnen muss, ergattert die Mannschaft des TSV 1860 München gegen die Elf aus Saarbrücken nur einen Punkt. Weiterhin kommt man in der Tabelle nicht von der Stelle. Diese Punkteteilung hat verschiedene Ursachen. Einerseits ist da die wieder einmal fehlende Effektivität vor dem gegnerischen Tor. Andererseits ein Schiedsrichter, der entweder einen rabenschwarzen Tag erwischt hat, oder dem die Brisanz dessen, was er auf dem Feld tut, einfach nicht bewusst ist.

Selten hat man in einem Spiel häufiger die die Worte “Schwarze Sau” von der Tribune hören können als am Samstag. Zwei mögliche Elfmeterentscheidungen, die zumindest beim Handspiel, wo im Fernsehen eine klare Bewegung des Armes in Richtung Ball zu sehen ist, zum Pfiff für den TSV 1860 hätte führen müssen, wurden vom Mann in Schwarz mit dem FIFA Wappen auf der Brust, nicht gegeben. Mehrere grenzwertige Fouls der Saarbrücker, die Karten in diversen Farben verdient gehabt hätten, wurden nicht als solche gesehen.

Hätte allerdings Richy Neudecker nach der Ecke in der Nachspielzeit den Ball einfach auf die Tribüne gedroschen, könnte uns die Leistung des Mannes in Schwarz wohl ziemlich egal sein.

Hätte hätte Fahrradkette. Lamentieren hilft nichts. Die Leistung in diesem Spiel kann jeden, der das Spiel gesehen hat, nur positiv stimmen. Kommenden Sonntag in Freiburg gibt es wieder drei Punkte für den Sieger. Jetzt geht es darum, die Partie vom Samstag abzuhaken und sich mit voller Konzentration auf das nächste Spiel zu fokussieren. In der momentanen Form wird es für jede Mannschaft schwer, gegen Sechzig zu bestehen – da kann kommen, wer will. Wenn die Sechzger es schaffen, die Effektivität in der gegnerischen Box zu erhöhen, wird der TSV in dieser Saison keine Punkte mehr verlieren. Die Mannschaft spielt offensiv wie aus einem Guss und lässt seit zwei Spieltagen gegen den Ball aus dem Spiel heraus die wenigsten Chancen für den Gegner überhaupt zu.

Dass man in zwei Spielen nacheinander von Schiedsrichtern so dermaßen benachteiligt wird, dafür kann das Team von Michel Köllner nichts.

Datenquelle: Wyscout

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Aschlegel

Vielen Dank wieder einmal für die ausführliche und tolle Analyse. Ich bin genau so wie Du von der negativen Zweikampfquote überrascht. Das kann irgendwie nicht sein, in keiner Zone des Spiels. Mich würde sowieso mal interessieren, wer da wo das ganze Zeugs mitzählt. Sitzt da einer im Stadion oder machen die das auch nur am Bildschirm? Weißt Du da was?