Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels TSV 1860 gegen den SC Verl. Verls Trainer Michél Kniat ließ seine Verler unter Flutlicht auf Giesings Höhen wie erwartet im 4-3-3 antreten. Dem stellte Michael Köllner das flexible 4-1-4-1 entgegen. Nach neunzig Minuten lautete das Endergebnis am Freitag Abend 2:0 für die Sechzger. Ein von Beginn an gut aufgelegter und engagierter TSV 1860 München ließ Verl von Beginn an wissen, wer Herr im Haus ist.

In dieser Systematik sah das Spiel TSV 1860 gegen Verl so aus, dass Quirin Moll wieder auf der Sechser Position aufgeboten wurde. Diesmal stand Merveille Biankadi ihm gegen den Ball als Box to Box Spieler zur Seite. Dennis Dressel, der in den letzten beiden Partien diese Position innehatte, musste sich zu Beginn nach zwei kräftezehrenden Spielen mit dem Platz auf der Bank zufrieden geben. Damit ergab sich bei den Löwen gegen den Ball eine flache 4-4-1-1 Formation mit Neudecker als Verbindungsglied hinter Bär für Umschalt- und Konterspiel.

Bei Verl verschob sich das offensive 4-3-3 gegen den Ball zum 4-5-1. Verl musste in beide Richtungen so zwar weniger verschieben, die Wege für die Spieler waren aber länger, so ergaben sich vor allem außen und in den Halbpositionen immer Räume für die Spieler des TSV 1860, die Verl nicht schnell genug zustellen konnte.

Wie immer werfen bevor, wir zur Analyse schreiten, einen Blick auf die wichtigsten Statistiken des Spiels.

Die wichtigsten Statistiken des Spiels TSV 1860 – SC Verl

  • Ballbesitz: TSV 1860 42% – SC Verl 58%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 70% – SC Verl 78%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 64% – SC Verl 63%
  • Schüsse / aufs Tor TSV 1860: 13/6 – SC Verl 11/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 18,74 – SC Verl 7,17

Die statistischen Werte in der Analyse

PPDA

Es fällt sofort ins Auge, dass die PPDA mit 18,74 zugelassenen Pässen pro Aktion gegen den Ball in den pressingrelevanten Zonen extrem hoch ist. Das würde ja im Umkehrschluss, wenn man das Spiel nicht gesehen hat, bedeuten, dass sie Sechzger kein gutes Pressing auf den Platz gebracht hätten. Diese Annahme wäre aber falsch. Es wurde nur sehr viel im Raum gepresst, also der Passweg nach vorne zugestellt und nicht direkt und aggressiv der ballführende Spieler angegangen. Dadurch hatte Verl natürlich die Möglichkeit, im eigenen Defensivverbund relativ ungestört den Ball zirkulieren zu lassen, für die Offensive der Verler kam dabei logischerweise nicht viel rum. Aus diesem Verhalten im Anlaufen bei den Löwen lässt sich auch ableiten, warum sowohl Passgenauigkeit, als auch Ballbesitz für Verl besser aussehen als beim TSV 1860.

Ballbesitz

Schauen wir zunächst auf den Ballbesitz. 16 % weniger haben die Löwen hier im Vergleich zu Verl in den neunzig Minuten plus Nachspielzeit. Hat also Verl das Spiel gemacht oder gar bestimmt? Die Antwort ist ein klares Nein. Erstens hatte Verl auf der einen Seite zwar viele Phasen mit langem Ballbesitz, in denen die Gäste auch viele genaue Pässe anbringen konnten. Dieser Ballbesitz fand hauptsächlich in der eigenen Spielfeldhälfte statt und dort wiederum viel im eigenen letzten Drittel oder knapp davor.

Daraus folgt – wenn man sich ansieht, welche Pässe wo gespielt wurden – dass Verl im eigenen Abwehrverbund inklusive defensivem Mittelfeldspieler weit mehr Pässe spielen musste als der TSV 1860 München. Verl fand in den meisten Fällen keine Lösungen, um das eigene Spiel so schnell nach vorne zu bringen, dass es für das System 4-3-3 in dem Maße zuträglich wäre, dass das effektiv funktioniert. So verpuffte der hohe Ballbesitz, den Verl hatte, in vertaner Zeit beim eigenen Aufbauspiel. Wer sich so viel Zeit lässt, um die Kugel in einem auf Schnelligkeit ausgelegten Spielsystem in die Spitze zu bringen, braucht sich nicht wundern, wenn der Gegner dann im Stellungsspiel gegen den Ball so steht, dass die Angriffe abgefangen werden können. Uneffektiver Ballbesitz treibt also die Ballbesitzquote für Verl stark nach oben.

Passgenauigkeit

Aus diesem uneffektiven Ballbesitz leitet sich nun die höhere Passgenauigkeit ab. 30 % aller gespielten Pässe der Verler waren Quer- und Rückpässe innerhalb des eigenen Defensivverbundes, also Torwart, Viererkette und defensives Mittelfeld. Im Vergleich dazu spielte der TSV 1860 München nur 15 % seiner Pässe dort, wo keine Effektivität für das Spiel nach vorn gegeben ist. Wenn wir von den relativen Prozentwerten hier zu den reellen Zahlen schauen, ist das Verhältnis 138:47. Der TSV 1860 München hat also gegenüber Verl 91 Pässe weniger innerhalb der eigenen Defensive gespielt als Verl.

Bei Pässen, die für die eigenen Offensivbemühungen zählen, liegen der TSV 1860 München und Verl in etwa gleich auf. Der Unterschied bei der Passgenauigkeit hier liegt bei unter zwei Prozent, und die Anzahl der Pässe, die beide Vereine nach vorne gespielt haben, differiert um genau neun zugunsten des SC Verl. Neun Vorwärtspässe Unterschied zwischen zwei Mannschaften in einem Spiel, in dem insgesamt 767 Pässe gespielt wurden. Ich denke dieser Unterschied ist vernachlässigbar.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Statistik beim ersten Blick lügt, ist die Anzahl der Schüsse. Hier führt der TSV 1860 gegenüber dem Gast aus Verl sowohl bei der Anzahl der abgesetzten Schüsse, als auch bei der Schussgenauigkeit.

Das Spiel

1. Halbzeit

Eine Abtastphase zu Beginn gab es nicht. Verl war in den ersten Minuten sehr offensiv unterwegs und wollte sichtlich früh dem Spiel den eigenen Stempel aufdrücken. Außer zwei Chancen für Akono in der dritten und in der sechzehnten Minute hatte der Sport Club allerdings keine guten Möglichkeiten, um auf die Siegerstraße zu gelangen.

Als Akono in der Anfangsphase zentral vor dem Tor aus etwa sieben Metern den Ball über das Löwengehäuse setzte, musste man kurz die Luft anhalten. Ebenso bei seinem Schuss nach einer guten Viertelstunde, als Hiller rettend eingreifen musste.

Aus siebzehn Versuchen der Verler, den Ball in die Box der Löwen zu bekommen, resultierten lediglich sechs Ballkontakte im Strafraum. Während der ersten Halbzeit verlor der TSV 1860 München keinen einzigen Defensivzweikampf im eigenen Sechzehner. Offensivgefahr hat eindeutig ein anderes Gesicht.

Im eigenen letzten Drittel spielte die Mannschaft des TSV 1860 so konzentriert, dass nur sieben Defensivzweikämpfe dort überhaupt verloren gingen. Sechs davon auf den Flügeln, einer auf der linken Halbposition etwa 29 Meter vor dem eigenen Kasten. Die Defensivarbeit gegen den Mann war aber nicht so entscheidend für das Spiel wie das gute Stellungsspiel des TSV 1860. Fast 50 % mehr abgefangene Bälle sind ein klares Indiz, wie effektiv die Mannschaft von Michael Köllner die Räume zugestellt hatte. Von allen abgefangenen Bällen wurden deutlich mehr als die Hälfte zwischen der Mitte der eigenen Spielfeldhälfte und dem gegnerischen letzten Drittel erobert.

Dominanz der Löwen

Gegen den Ball trat der TSV von Beginn an dominant auf. Wenn die Spieler der Sechzger in Defensivzweikämpfe verwickelt wurden, konnten in der Anfangsphase knapp acht von zehn zu Gunsten der Löwen entschieden werden. Nach vorne spielten die Sechzger in den eigenen Positionsangriffen schnell und direkt. In der zehnten Minute hätte Bär einen Pass von der rechten Seite möglicherweise lieber für Kapitän Lex durchlassen müssen, anstatt selbst den Abschluss zu suchen.

In der letzten Sekunde der 25. Minute konnte Verl dann die starken Löwen nicht mehr stoppen und Biankadi besorgte das verdiente 1:0. Nur kurze Zeit später erhöhte Bär nach einem Konter zum 2:0 und besorgte damit bereits den Endstand.

In der Folge nahmen sich die Sechzger dann etwas zurück. Das bedeutete aber nicht, dass man mit dem Spielstand schon zufrieden gewesen wäre. Man muss jedoch bedenken, dass viele der Spieler bereits das dritte Spiel innerhalb von sieben Tagen bestritten. Da muss man natürlich auch an den Kräftehaushalt denken. So wurden die weiteren Angriffe nicht mit allerletztem Risiko durchgeführt.

Die Zweite Halbzeit

Wie Verl zu Beginn des ersten Durchgangs, hatte nun der TSV 1860 die Gelegenheit, in der Anfangsphase der Halbzeit auf 3:0 zu stellen. Ein Schuss von Bär nach einem Konterangriff durchs Zentrum konnte von Thiede im Tor mit einer Glanzparade entschärft werden. Lex, der im Hintergrund mitgelaufen war, jagte das Leder dann im Nachschuss leider über den Kasten.

Verl, das in der Halbzeitpause mit zwei Wechseln neue Impulse setzen wollte, kam nicht wirklich ins Rollen. Die Sechzger agierten weiterhin dominant im Stellungsspiel gegen den Ball, und aggressiv bei den defensiven Zweikämpfen. Im Spiel nach vorn spielte Sechzig nach wie vor schnell und direkt. Allerdings arbeiteten die Löwen nun mit etwas anderen Verschiebungen. Das war dem Umstand geschuldet, dass nun der Fokus auf ökonomischem Spiel und Kräfteschonung lag. Frühe Wechsel und Spiel ohne Risiko aus der eigenen Abwehr heraus war von nun an die Maxime beim TSV.

So endete die zweite Halbzeit weitestgehend ereignislos. Marco Hiller musste im zweiten Durchgang genau einen Ball halten, des Weiteren pflückte er drei Flankenversuche aus der Luft. Das spricht für die gute Defensivarbeit der Spieler TSV 1860. Natürlich versuchte Verl, den Druck auf die Löwen zu erhöhen. Das gelang bis vor das letzte Drittel der Löwen auch relativ gut. Dann war aber für die Ostwestfalen Schluss. Lediglich fünf Ballkontakte bei zwanzig Versuchen, in die Box der Sechzger zu spielen, sprangen für Verl in der gesamten zweiten Halbzeit heraus. In der eigenen Box verlor der TSV 1860 auch in der zweiten Hälfte keinen einzigen defensiven Zweikampf.

Kleine Konzentrationsschwächen, die aber den Spielverlauf nicht sonderlich beeinflussten, gab es hüben wie drüben. Es bleibt festzuhalten, dass ideenlos und behäbig spielende Verler – abgesehen von der Viertelstunde zu Beginn – den Löwen in keiner Phase des Spiels wirklich etwas entgegenzusetzen hatten.

Die Tore

1:0

Einen langen Diagonalpass der Verler auf die rechte Seite der Löwen fing Deichmann an der Seitenauslinie einige Meter in der eigenen Spielfeldhälfte ab. Er spielte das Leder sofort nach vorn zu Tallig, der ebenfalls an der Seitenausline klebte. Tallig verarbeitete den Ball und spielte Neudecker den Ball zu. Neudecker, in der Halbposition außen auf der Mittellinie stehend, sah den durchgestarteten Deichmann, der die Seitenauslinie hinaufjagte. Neudecker spielte Deichmann nun einen langen Steilpass in den Lauf. Ohne angegriffen zu werden, konnte Deichmann bis zur Grundlinie durchgehen und von dort eine passgenaue Flanke auf Merveille Biankadi spielen.

Biankadi versenkte den Ball volley mit einem – wie Daniel Wein es bezeichnete: “Weltklasse-Schuss” – hinter Thiede in die Maschen.

Man muss hier Ex-Löwe Aaron Berzel extrem dankbar sein. Hätte er Deichmann angegriffen, um die Flanke zu verhindern, anstatt diszipliniert die Innenverteidiger-Position zu halten, hätte Verl diesen Angriff möglicherweise verteidigen können.

2:0

Einen Freistoß nach einem taktischen Foul von Belkahia von der halblinken Seite des SC Verl am Mittelkreis, köpft zunächst Marcel Bär abwehrend aus dem eigenen Strafraum auf die rechte Vereer Angriffsseite. Die dann von Belkahia per Kopf abgewehrte Verler Flanke von deren rechter Seite, kam zu Neudecker. Der wollte sofort Bär auf die Reise schicken. Sein Pass blieb jedoch bei Baack hängen. Geistesgegenwärtig sprang Lex hier in die Bresche und luchste der Nummer 5 der Verler das Leder wieder ab.

Mit dieser Aktion zum Ballgewinn legte Lex die Kugel gleichzeitig zu Biankadi auf die aus Löwensicht linke Halbposition etwa 30 Meter von der Torauslinie entfernt. Biankadi sah den aus der eigenen Spielfeldhälfte gestarteten Bär und spielte ihm die Kugel mustergültig in den Lauf. Bär war seinen Gegenspielern entwischt. Der hinterhersprintende Pernot hatte keine Chance, Marcel Bär auf seinem Weg in den gegnerischen Strafraum noch einzuholen. Von der halblinken Position in der gegnerischen Box aus etwa sieben Metern versenkte Bär das Leder im langen Eck rechts hinter Thiede. Fast hätte der Verler Goalie noch die Pranke an den Schuss gebracht hätte.

Fazit

Nur zu Beginn der Partie war das Spiel kurzzeitig ausgeglichen. Der TSV 1860 München zeigte dem SC Verl klar die Grenzen auf. Beim Zusehen im Stadion hatte man nie das Gefühl, als könnten die Verler tatsächlich gegen die Löwen ein Tor erzielen.

Konzentriert, einsatzfreudig und leidenschaftlich spielende Löwen zeigten dem Sport Club aus Ostwestfalen, wer auf Giesings Höhen das Zepter schwingt und im Sechzgerstadion regiert.

Sieben Tage, neun Punkte. So weit so gut. Jetzt gilt es für jeden einzelnen Akteur, weiterhin auf dem Boden zu bleiben. Bereits am Freitag gilt es auswärts bei der Berliner Viktoria an die zuletzt gezeigten Leistungen anzuknüpfen.

Eine ganze Woche Pause vor diesem Spiel wird den Löwen sicherlich gut tun, um in der Bundeshauptstadt auch wieder erfolgreich sein zu können.

Datenquelle: Wyscout

5 3 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments