Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München beim VfB Lübeck im Stadion an der Lohmühle. In der Hansestadt wartet ein Tabellennachbar, der ebenfalls mit Rückenwind durch einen Sieg ins zweite Spiel nach der Winterpause geht. Was dürfen wir vom kommenden Gegner erwarten?

VfB Lübeck – TSV 1860, in der englischen Woche die längste Anreise des Jahres für Mannschaft und Fans. Wem so etwas einfällt, möchte ich gerne wissen. Egal.

Hier geht es aber jetzt nicht um die Anreise und deren Strapazen, sondern um die gegnerische Mannschaft und das, was wir von Lübeck unter Florian Schnorrenberg, der seinen Dienst bei den Hanseaten am 28.12 letzten Jahres antrat, erwarten dürfen.

Beginnen wir mit den Grundlagen: Schnorrenberg, dessen Lieblingssystem wie bei vielen anderen Trainer auch das 4-2-3-1 ist, muss gegen die Löwen auf sechs Verletzte und den gelbgesperrten Janek Sternberg verzichten. Am härtesten trifft die Lübecker wohl im Moment die erst am Samstag erlittene Muskelverletzung von Linksaußen Farrona Pulido.

Ob die Spielanlage ähnlich sein wird wie am Samstag, werden wir sehen. Neuer Trainer, neues Glück – auch beim VfB und deshalb kann ich nur mit diesem einen Spiel als Grundlage für das, was Lübeck spielen könnte, arbeiten.

Nach den Erkenntnissen vom Samstag dürfen wir von den Lübeckern unangenehmes Pressing erwarten, wenn die Löwen sich im Positionsspiel befinden. Des Weiteren auch konsequentes Gegenpressing nach Ballverlusten und schnelle Versuche umzuschalten, wenn sie bei der Balleroberung in den pressingrelevanten Zonen erfolgreich sind.

Im Positionsspiel überwog am Samstag vertikales Spiel und lange Bälle mit Fokus auf Gewinn zweiter Bälle tief in der gegnerischen Hälfte.

Personelle Probleme im Kader

Der VfB Lübeck steht gegen den TSV 1860 München vor Problemen auf der linken Seite. Mit der Verletzung von Offensivspieler Farina Pulido und der Gelbsperre des linken Verteidigers Janek Sternberg muss Schnorrenberg dort kreativ werden, denn es stehen keine Spieler zur Verfügung, die diese Positionen als sogenannte Hauptpositionen im Portfolio haben. Eine Möglichkeit wäre, mit Dreier- respektive Fünferkette spielen zu lassen und Thiel als Schienenspieler links einzusetzen. Die andere ist, das System beizubehalten, Thiel auf die Verteidigerposition zu stellen und Velasco von rechts nach links zu verschieben.

Was es letztendlich werden wird, sehen wir am Abend. Ich gehe für diese Taktiktafel von der letzteren Variante aus. Denn das ist das, was ich – ohne Lübeck wirklich gut zu kennen – aus meinem Bauchgefühl heraus machen würde. Mit Thiel auf der linken Abwehrseite und dem torgefährlichen Velasco als Mittelfeldaußenspieler hätten die Hanseaten links eine offensiv starke Kombination, die auf dieser Seite mit variantenreichen Positionswechseln gehörig für durcheinander auf der dortigen Abwehrseite der Sechzger sorgen könnte. Defensiv wäre diese Variante durch die doppelte Besetzung auf der Außenbahn vermutlich auch stärker, als aus der Fünferkette heraus lediglich mit einem Schienenspieler zu agieren.

Bevor ich da etwas genauer drauf eingehe, wie immer die bisherigen statistischen Werte des VfB Lübeck.

Statistische Werte des VfB Lübeck

  • Ballbesitz: 44%
  • Passgenauigkeit: 75%
  • Defensive Zweikampfquote: 59%
  • Flankengenauigkeit: 37%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 11,46

Wie spielt Lübeck?

Offensiv

Lübeck ist bemüht, im Positionsspiel einen modernen Ansatz zu finden. Mit einem ballfern gependelten Außenverteidiger wird versucht, Überzahl im Mittelfeld herzustellen. Der generelle Plan ist, über schnelles direktes vertikales Spiel dort, wo der Gegner Räume anbietet, über mehrere Stationen zügig ins letzte Drittel des Gegners vorzustoßen. Dort sehen wir dann eine Verschiebung aus dem Mittelfeld nach vorne, sodass bis zu vier Spieler auf der vordersten Linie agieren. Der Mittelstürmer und der Zehner knapp dahinter leicht versetzt und beide Mittelfeldaußen sind im Normalfall diese vier. Wobei der Außen auf der ballfernen Seite auf die Halbposition einrückt und ballnah der Flügel vom Außenspieler besetzt bleibt.

Finden die Lübecker die nötigen Räume für diese Art des Aufbaus nicht, spielt der lange Ball und hoher Einsatz beim Kampf um zweite Bälle tief in der gegnerischen Hälfte eine wesentliche Rolle. In diesen Situationen agieren die Spieler der Lübecker sehr aggressiv und giftig auf den Ballführenden und schalten nach gelungener Balleroberung kollektiv schnell um.

Den Weg in die Box sucht Lübeck dann mit allen erdenklichen Mitteln und über die gesamte Breite des Spielfelds. Auch wenn Lübeck im Vergleich eher selten zum Abschluss kommt, haben sie zumindest am Samstag und auch schon im letzten Spiel vor der Winterpause gezeigt, dass sie den Kasten treffen können.

Gegen den Ball

Auch hier muss ich mich natürlich hauptsächlich auf das, was Lübeck im ersten Spiel unter Florian Schnorrenberg gezeigt hat, verlassen. Zu Beginn setzte Lübeck mit hohem Pressing auf der gesamten Breite des Feldes die Mannheimer oft unter Druck, sodass noch vor der Mittellinie Umschaltsituationen generiert werden konnten. Um dem Pressing und der Gefahr die aus dem Umschaltspiel dann entsteht zu entgehen, entschied sich Mannheim nach einer gewissen Zeit, den Aufbau konservativer anzugehen, und man sah häufig lange Abschläge des Keepers der Buwe.

Man sollte nicht davon ausgehen, dass sich die Lübecker hier gegen Sechzig ein anderes Rezept einfallen lassen. Ob und wie das dann funktioniert, sehen wir am Abend.

Schafft es der Gegner der Lübecker die Pressingreihe zu durchbrechen, setzen die Lübecker auf direkte Zweikämpfe mit hoher Intensität.

Dringt der Gegner ins letzte Drittel ein, verteidigt Lübeck mit einer Fünferkette vor der Viererkette, also im 4-5-1.

Stärken und Schwächen des 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege, um einen Spieler zu doppeln relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen, wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorne ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich durch dessen Fehlen für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Wie kann man Lübeck knacken?

Schnelles Spiel über viele Stationen, leicht vertikal, dabei häufige Positionswechsel der Spieler ohne Ball mit den Nebenleuten und diagonales Kreuzen im Zentrum des letzten Drittel, um den kompakten Defensivverbund auszuhebeln, kann ein Mittel für den TSV 1860 München sein, das die Spieler des VfB Lübeck vor Probleme stellt. Die direkte Herangehensweise in der Defensive birgt da für Lübeck durchaus Gefahren.

Wenn man sich ansieht, wie gut manche Spielsituationen von den Löwen gegen Duisburg gelöst wurden, sollte man auf diese Muster vertrauen.

Gegen den Ball wird es für die Löwen wichtig sein, ähnlich engagiert und im Stellungsspiel den gegnerischen Formationen angepasst zu agieren wie am Samstag, sodass bei Misslingen einer Defensivaktion das Übernehmen des ballerobernden Spielers für Mannschaftskameraden kein Vabanquespiel wird.

Lübeck hoch anzupressen wird vermutlich nicht über die gesamte Spieldauer gelingen, sollte aber auf jeden Fall versucht werden, um das lange Spiel so oft wie möglich zu provozieren.

Aufpassen muss man bei Standards; da hat Lübeck einige Waffen, die den Torerfolg bringen können.

Schlüsselspieler

Tor

Philipp Klewin (#1) ist ein erfahrener Keeper mit leichten Defiziten was seine Reflexe betrifft. Seinen Strafraum beherrscht der 1,92 m große Torhüter relativ gut und auch im eins gegen eins bewahrt er die Ruhe und behält häufig die Oberhand. Alles in allem ist der ehemalige Auer ein solider Rückhalt, der aber nicht ganz oben in der Riege der Drittligatorhüter anklopfen kann.

Abwehr

Innenverteidiger Jannik Löhden (#20) mit seinen 2,01 m Größe ist ein Schlüsselfaktor bei strafraumnahen defensiven wie offensiven Standards. Ob er wieder den Vorzug vor Mannschaftskapitän Gruppe erhält, muss man abwarten. Der eigentliche Schlüsselspieler in der Innenverteidigung ist jedoch Sören Reddemann (#27). Der Neuzugang vom Halleschen FC sucht und findet mehr Zweikämpfe als seine Kollegen in der Abwehr, hat ein fast optimales Stellungsspiel und auch in der Spieleröffnung häufig die richtige Lösung parat.

Mittelfeld

Mit Ulrich Taffertshofer (#20), Florian Egerer (#8) und Tarik Gözüsirin (#25) haben die Lübecker eine gute zentrale Achse im Mittelfeld, bei der der technisch gute Topscorer – drei Treffer, sieben Assists – Gözüsirin besonders heraussticht. Er ist ein echter Wirbelwind am Ball. Unser Statistikportal führt ihn als drittbesten offensiven Mittelfeldspieler der Liga. Damit ist alles gesagt, was man über ihn wissen muss. Schwächen hat der 1,76 m große Gözüsirin nur bei Kopfballduellen.

Sturm

Cyril Akono (#14) ist mit drei Treffern aus 17 Spielen etwas hinter den Erwartungen zurück. Schlüsselspieler ist der junge, technisch gute Stürmer deshalb noch nicht wirklich, wird aber vermutlich dennoch auflaufen. Alternativen im Sturmzentrum sind Pascal Breier (#39), der bisher zwei Treffer zu Buche stehen hat, und Mats Facklam (#29) mit ebenfalls drei Toren für den VfB.

Fazit

Weiterhin gilt die Devise “Punkte müssen her” – egal wie! Das müssen sich die Spieler des TSV 1860 München auch gegen den VfB Lübeck hinter die Ohrwaschl schreiben. Am besten natürlich drei. Wenn die Mannschaft kämpft und zusammenspielt wie am Samstag, ist mir nicht bang, dass es zumindest für einen Punkt im hohen Norden der Republik reichen wird.

Die Löwen müssen schnell Lübecks letztes Drittel eindringen, um die Umschaltmomente gut ausnutzen zu können, bevor der VfB seinen schwer zu durchdringenden Abwehrblock im letzten Drittel positionieren kann. Dann wäre es möglich, im Zentrum ähnlich zuzuschlagen wie gegen Duisburg.

Lübeck wird zu keinem Zeitpunkt ein Spiel verloren geben, auch wir mussten das im Sommer schon schmerzlich erleben. Darum muss nicht nur der Kampfeswille und die Laufbereitschaft, sondern auch die Konzentration über die gesamte Spielzeit auf Topniveau bleiben.

Das Rezept zum Punkt oder Sieg haben die Spieler des TSV 1860 bestimmt in der Tasche. Hoffen wir, dass der VfB Lübeck den Löwen nicht in die Suppe spuckt.

So könnte Lübeck beginnen

Datenquelle: Wyscout

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