Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München beim FC Viktoria Köln. Olaf Janßen, Trainer der Kölner, setzt meistens auf ein System mit Dreierkette. Was erwartet die Löwen am Samstag im Sportpark Höhenberg?

FC Viktoria Köln – TSV 1860 München lautet das Duell für die Löwen am 13.Spieltag. In bisher acht Pflichtspielen ist die Bilanz der beiden Teams ausgeglichen. Jede Mannschaft konnte drei Siege für sich verbuchen, zwei Begegnungen endeten Unentschieden.

Beginnen wir mit der zu erwartenden Formation der Domstädter. Da dürfte sich, zumindest für den Beginn der Partie, ein 3-4-3 (3-4-2-1) auf Kölner Seite formieren.

Die Pressinglinie und die Defensivlinie gehen je nach der zu erwartenden Spielstärke des jeweiligen Kontrahenten bei den Kölnern unterschiedlich zu Werke. Bisher war es so, dass Köln gegen Mannschaften, die als eher spielstark einzustufen sind, eher tief und abwartend stehen. Gegen Teams, die sich im Aufbau eher schwer tun, wird gern hoch angelaufen. An die Herangehensweise im Pressing ist auch die Höhe der Defensivlinie angepasst.

Gehen die Kölner selbst in Führung, nimmt man vorne gegen den Ball etwas Druck raus. Liegt Köln hingegen zurück, sind die Spieler der Viktoria jederzeit in der Lage vorne – auch gegen spielstarke Teams – erfolgreich hohen Druck auf den Aufbau im Positionsspiel des Gegners auszuüben.

Bevor wir nun genauer auf die Kölner Spielweise eingehen zunächst die bisherigen statistischen Werte der Mannschaft von Olaf Janßen.

Statistische Werte des FC Viktoria Köln

  • Ballbesitz 53%
  • Passgenauigkeit 82%
  • defensive Zweikampfquote 65%
  • Flankengenauigkeit 30%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 10,96

Wie spielt die Viktoria?

Bei Ballbesitz

Köln versucht immer den Aufbau im Positionsspiel spielerisch zu gestalten. Dabei geht es meist in der Eröffnung über einen Innenverteidiger und dann im vertikalen Reißverschluss-Prinzip über Halbposition und Flügel nach vorne. Sobald sich die Kölner in der gegnerischen Spielfeldhälfte befinden, wird Luca Marseiler zum Dreh- und Angelpunkt der Kölner Angriffe.

Eigentlich in der Position der hängenden Spitze bzw. des Schattenstürmers in der Systematik aufgeführt spielt Marseiler in Janßens System eher die Rolle eines klassischen mit dem Fachbegriff Trequartista bezeichneten angreifenden Mittelfeldspielers. Er bekommt und verteilt den Ball in fast jeder Offensivsituation der Kölner.

Sein Nebenmann sowie die beiden Außenspieler formieren sich dann – sofern alles nach Plan läuft – in vorderster Reihe bei der Viktoria und einer der beiden zentral agierenden Mittelfeldakteure (meistens Henning) schiebt auf die Halbposition hinter dem Spielmacher nach vorn.

Durch diese Verschiebungen entsteht bei der Viktoria im letzten Drittel des Gegners oft die als WM-System in den Fußballjargon eingegangene eigentlich sehr alte, aber immernoch (zumindest offensiv) höchst durchschlagskräftige Formation.

Der mit sämtlichen offensiven Freiheiten ausgestattete Marseiler fügt sich je nach Spielsituation auch gerne in die vorderste Linie mit ein. Dann rückt zusätzlich der davor noch tiefer agierende zentrale Mittelfeldakteur in die zweite Reihe vor und es entsteht eine Viererkette in vorderster Linie, hinter der zwei zentral offensive Mittelfeldspieler den Druck verstärken.

Gute Chancenverwertung

Es entstehen für die Kölner im Vergleich mit den anderen Teams der Liga zwar nicht unbedingt viele Torchancen, wenn allerdings geschossen wird, erfolgt das mit hoher Präzision. Zusammen mit drei anderen Mannschaften liegen die Kölner mit bisher 19 Treffern auf Platz 3, was erzielte Tore betrifft. Lediglich Verl und Ingolstadt haben mehr Tore geschossen.

Den Weg in den Strafraum suchen die Kölner selten über Flanken von außen. Olaf Janßen bevorzugt klar das spielerische Element von außen über die Halbräume und dann steil oder diagonal aus der Tiefe in die Box zu kommen. Köln ist das Team, das bisher die wenigsten Flanken überhaupt geschlagen hat.

Gegen den Ball

Im Pressing läuft Köln meist mit zwei Spielern auf vorderster Linie und drei dahinter versetzt agierenden Spielern an, um den Aufbau des Gegners im Positionsspiel zu stören. Diese im Raum agierende 2-3 Formation wird, wenn es beim Gegner auf den Flügel geht, zu einem 3-2 verschoben, bei dem der außen pressende Spieler meist die direkte Balleroberung sucht.

Nachdem der Gegner die Pressingformation der Kölner überspielt hat, verschiebt sich das System zunächst auf eine ballfern asymmetrische 5-2-2-1 Formation. Durch diese Staffelung im Mittelfeld wird der Gegner häufig zunächst auf einen der Flügel gezwungen.

Befindet sich die Viktoria im eigenen letzten Drittel in der Defensive, entsteht durch die abkippenden Mittelfeldaußen im eigenen letzten Drittel eine ballfern asymmetrische 5-2 Formation vor der eigenen Box. Marseiler und der zweite Halbstürmer ordnen sich dabei meist verdichtend auf der ballnahen Seite mit ein, was den Gegnern oft Raum für Seitenwechsel und Diagonalbälle ins Zentrum lässt, wenn Angriffe über die Außenbahn kommen.

Wie kann man Köln knacken?

Ein Patentrezept, wie der TSV 1860 München die Viktoria besiegen kann, gibt es nicht. Dazu ist Köln offensiv wie defensiv zu variabel.

Ein wichtiger Faktor – das sehe ich wohl ähnlich wie viele andere – wird eine stabile Defensive sein. Vor allem Marseiler, der bei Angriffen der Domstädter oft mehrere Ballkontakte hat, gilt es in seinem Bewegungsradius einzuschränken.

Um selbst gegen die Viktoria Tore zu erzielen, ist es unabdinglich, die gegen den Ball mit guter Raumaufteilung im Zentrum arbeitenden Kölner durch gute diagonale und vertikale Verschiebungen in alle Richtungen aus den Positionen zu ziehen und die sich dann bietenden Räume optimal und vor allem präzise zu bespielen. Hohe Passfrequenz, hohe Laufintensität und intelligente Befreiungsaktionen aus Verdichtungssituationen auf den Flügeln können der Weg sein, um Köln zu bezwingen.

Das Umschaltspiel nach gelungenen Balleroberungen vor dem eigenen letzten Drittel und präzise Konter sind sowieso immer gute Möglichkeiten, offensiv etwas zu reißen, wenn gegnerische Mannschaften die eigene Offensive überladen.

Stärken und Schwächen des 3-4-3

Stärken

Das 3-4-3 bietet mit seiner exzellenten Tiefenstaffelung im Zusammenspiel mit taktischer Disziplin im Positionsspiel sehr variantenreiche Spielzüge im Aufbau. Gerade für spielstarke Teams ist dieses System daher eine wahnsinnig effektive Waffe. Angiffspressing und Gegenpressing können mit der Überzahl an Offensivspielern gut umgesetzt werden. Diese Überzahl verhilft der Mannschaft im 3-4-3 auch im letzten Drittel offensiv zu hoher Variabilität.

Schwächen

Die Dreierabwehrkette muss situativ immer wieder aus dem Mittelfeld heraus verstärkt werden, wenn der Gegner sich aus dem Pressing befreien kann. Das 3-4-3 stellt hohe Anforderungen an die individuelle Stärke der Spieler – sowohl mit als auch gegen den Ball. Wenn die Spieler ihre Rollen im taktischen Konzept nicht akribisch einhalten, kann das Spiel im 3-4-3 leicht zum Debakel werden. Außerdem ist es sehr konteranfällig.

Schlüsselspieler

Tor

Im Tor der Kölner steht Ben Voll (#1). Seinen Luftraum beherrscht der 1,95 m große Keeper sehr gut. Leichte Schwächen hat der 23-Jährige in eins gegen eins Situationen. Diese lässt die Abwehrkette allerdings nur sehr selten zu. Auch sogenannte unhaltbare Schüsse hält der für seine Größe sehr bewegliche und auch reflexstarke Keeper dann und wann. Alles in allem ist Voll ein Stabilitätsfaktor für die Viktoria.

Abwehr

Jeremias Lorch (#4) ist der stärkste Innenverteidiger der Viktoria. 80% gewonnene Defensivzweikämpfe und noch kein verlorenes Kopfballduell in der eigenen Box diese Saison hat der erfahrene Innenverteidiger bisher vorzuweisen. Die Spieleröffnung läuft jedoch meist über seinen zentral agierenden Kollegen Greger oder Kapitän Schultz.

Mittelfeld

Mit der Verletzung von Bryan Henning während des Pokalspiels gegen Monheim fehlt der wichtigste Aufbauspieler der Kölner. Wer für ihn aufläuft, werden wir sehen.

Luca Marseiler (#30) ist, wie ich oben schon geschrieben hatte, der Dreh- und Angelpunkt der Kölner Offensive. Nominell als Halbstürmer oder auch hängende Spitze im System aufgestellt, verkörpert er im taktischen Konzept von Olaf Janßen das, was im Fachjargon als Trequartista bezeichnet wird. Ein Spieler mit allen offensiven Freiheiten auf dem Platz. Diese nutzt er auch bravourös aus. Er spielt viele die Penetration der Box vorbereitende Pässe und gibt die meisten Schussvorlagen für seine Mannschaftskollegen. Der momentan beste Torschütze der Viktoria liegt in der Rangliste der Spieler auf seiner Position unangefochten auf Platz eins. Dribbelstark, passsicher und torgefährlich wie er ist, strahlt er bei jeder Aktion der Kölner im letzten Drittel des Gegners viel Gefahr aus. Sonderbewachung und das Bespielen mit gesunder Härte wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee. Als ehemaliger Spieler der SpVgg aus der südöstlichen Vorstadt läuft er vermutlich gegen den TSV 1860 mit höchster Motivation auf.

Sturm

Als Mittelstürmer kommt bei der Viktoria eigentlich der junge, im offensiven Mittelfeld beheimatete David Philipp zum Einsatz. Nach seiner schweren Bänderverletzung liefen zuletzt gegen Aue und Lübeck einmal Seok-Ju Hong und einmal Valdrin Mustafa auf dieser Position auf. Wer am Samstag gegen den TSV 1860 München dort für Viktoria Köln spielen wird, ist schwer vorauszusagen. Diesen Spieler dann obendrein als Schlüsselspieler zu bezeichnen, wäre fahrlässig. Lassen wir uns überraschen, welche dieser Optionen Olaf Janßen wählt.

Fazit

Das Duell FC Viktoria Köln – TSV 1860 München wird für beide Teams ein richtungsweisendes Spiel werden. Köln hat seit drei Spielen nicht mehr gewonnen, die Sechzger seit drei Spielen nicht mehr verloren. In der Tabelle stehen sie punktgleich auf den Plätzen 8 und 9.

Ich denke, es wird ein sehr schweres Spiel für unsere Mannschaft. Zuhause verlor Köln noch kein Spiel. Wichtig wird sein, die offensiven Schlüsselspieler im Mittelfeld zu kontrollieren. Gelingt das, kann Gutes möglich sein.

Was am Ende dabei rauskommen wird, traue ich mir nicht zu vorherzuorakeln. Solange die Mannschaft alles gibt, um erfolgreich zu sein, bin ich – obwohl ich mir natürlich immer Siege wünsche – ergebnisunabhängig zufrieden. Die 3. Liga ist kein Wunschkonzert – hoffen wir auf das Beste!

So könnte Köln beginnen

Datenquelle: Wyscout

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KaiKiste1860

Beim Lesen des Begriffes Trequartista war ich gedanklich zuerst bei einer eventuellen italienischen Kaffeespezialität. Den Begriff nimmt auch kaum ein Reporter in den Mund. Bernd, mal wieder vielen Dank für die perfekte Vorbetrachtung. Du hast es zwar angedeutet, wie ein Luca Marseiller in seinem Spiel eingegrenzt werden kann. Spielt Sechzig von der Grundordnung im 4-2-3-1, dann sollte sich zwischen Abwehr und den beiden Sechsern keine grossen Lücken auftun.