Einige von euch kennen “WBS” bereits, für die anderen könnte dieser Text eine Bildungslücke schließen! Im Folgenden lest ihr einen hochinteressanten und persönlichen Rückblick des aktuellen Sportlichen Leiters des “TSV Weiß-Blau Sechzgerstadion” (kurz: WBS) über das Jahr 2020!

Vorfreude ist nicht die schönste Freude!

Es ist Anfang März 2020, die Vorfreude auf den Saisonauftakt der Royal Bavarian Liga ist ungebremst. Über Monate hinweg haben wir uns drum bemüht, die Qualität in unserem Kader weiter auszubauen und wollen jetzt groß aufspielen. Der Aufstieg für uns mindestens genauso möglich wie bei der 1. Mannschaft der Löwen.

Der TSV Weiß-Blau Sechzgerstadion

Wir sind der TSV Weiß-Blau Sechzgerstadion e.V., wir sind quasi die 5te Mannschaft der Löwen, sozusagen die Auswahl der Fanszene. Fast ausschließlich Leute aus der Kurve, die eine Hälfte aktive Ultras, die andere Hälfte lässige Normalos. Der Transfermarkt ist also bewusst limitiert, aber nicht minder spannend. Es geht vielmehr um Überredungskunst im richtigen Moment. Ziel ist es hierbei, seriöse Kicker, denen aus familiär-, alters-, berufs- oder alkoholbedingten Gründen der Vereinssport beim BFV zu viel wird, für jene Hobbyliga zu begeistern. Derlei Gespräche ergeben sich teils beim Pissen auf Auswärtsfahrten, manchmal auf Arbeit aufgrund eines Löwentattoos, auf Krücken an der Bande von hiesigen Amateurplätzen, meist aber leicht angesoffen am Rande von Heimspielen auf Giesings Höhen.

Die Anfänge

Manchen muss man noch kurz unsere Geschichte entschleiern. Wir sind ein Verein, der 2003, also kurz vor den mitunter dunkelsten Stunden des TSV, zum Erhalt des abrissbedrohten Grünwalder Stadions gegründet worden ist. Verortet in der Royal Bavarian Liga, zeitweise auch in den unteren Klassen des Bayerischen Fußballverbandes. Dann, 2011, forcierte der damalige Abteilungsleiter von 1860 München und heutige Präsident Robert Reisinger zusammen mit WBS-Gründungsmitglied Sloggy eine Spielgemeinschaft von Weiß-Blau Sechzgerstadion und 1860 München III & IV. Heute, längst wieder disjunkt, ist die 1. Mannschaft von WBS ambitioniert, solide und durchaus auch fit. Inklusive Spielern, die damals wie heute dabei waren. Mir fallen ad hoc der Dietl und der Ludwig ein, die an der Stelle sicher auch einiges zu erzählen hätten. Ferner haben wir auch eine gewitzte AH-Truppe. Wer also allen voran nur Spass an der Freude haben will, oder nach der Auswechslung sofort ein Bierchen braucht, der kickt ebendort bei de Oidn um Reiti & co.

Endlich wieder Fußball!

Wieder zurück zum Anfang. Die Saison steht vor der Tür und ich, in meiner Funktion als Sportlicher Leiter und Spielertrainer, kümmere mich gerade eifrig um die Spielansetzungen. Ich schreibe dem Platzwart von Grasbrunn, ein Kautz bei dem ich einen derart schweren Stand habe, als hätte ich ihm als adoleszenter C-Jugend-Spieler in den Mittelkreis geschissen. Ich weiß es wirklich nicht, weder habe ich etwas dergleichen getan, noch kennt er mich überhaupt. Naja, ich mag ihn trotzdem… Ich bleibe cool und setze beim Telefonat alles auf ein einsichtiges Konjunktiv-Bairisch und koche ihn mühselig weich. Denn es ist uns wichtig, die Mannschaft will dort unbedingt den Saisonauftakt bestreiten. Dort gibt es
nämlich mitsamt dem Spielfeld kleine Holzhütten, ideal für nen frühlingshaften Grillabend, bei dem man sich in nebst Maisfeldern in idyllischer Lage den Helm lackieren kann. Er stimmt „in Gott‘s Nam‘“ zu. Übereinkunft. Unsere ortskundigen Jungs um Poldi übernehmen im Verbund mit „Kastenwart“ Galle die Organisation. Kurzum ein vielversprechender Freitagabend den man entgegenfiebert. Das sind die Freuden des kleinen Mannes.

Oder doch nicht?!

Und dann geht es los mit dieser ganzen Corona-Scheiße. 10. März, vollmundig gebe ich im Team-Chat die letzten beiden Transferhammer bekannt. Da Wagner aufgrund einer Schambeinentzündung länger ausfällt, werden Hagi und Flexx unsere sogenannten Vereinsspieler, denn zwei davon darf man melden. Trotz des einen schwerwiegenden Ausfalls ist die Freude im Team groß ob dieser beiden Unterschiedsspieler. Doch Vorstand B.W. und Magenta-Moderator Oskar drücken auf die Stimmungsbremse und vermitteln kritisch Corona-Bedenken, die vollkommen richtig sind, die aber keiner hören will. Trotzig mache ich parallel die Kaderabfrage, unterbewusst in der Hoffnung, den Virus
dadurch in seiner forschen Vorgehensweise auszubremsen. Franky, Oeffling, die Brüder Sam & Eli, die Brüder Maxi & Korbi, Schauer, Dirscherl, Mario, Basti, Joni, usw., alle sagen sofort und schamlos zu. Doch schon 5 Tage später ist alles für die Katz.

Lockdown bei den Löwen

Der Breitensport wird auf Eis gelegt, Drittligaspiele werden ausgesetzt, Boazn schließen – alles was uns heilig ist steht still. Wir gehen erstmalig in unserem Leben in einen Lockdown. Nach anfänglichen Spassetteln und den damals noch vertretbaren optimistisch-naiven Gegenargumenten, wird sich nun jeder dem Ernst der Lage bewusst. Verständnis
und Informiertheit macht sich breit, auch bei uns. Aber auch Existenzängste und Panik prägen den Alltag. Unser verdienter Aufstiegs-Spielertrainer Jackson meldet sich mal wieder zu Wort und weist auf die Spendenaktion von Löwen-Abwehrboss Aaron Berzel hin. Alle finden diese gute Sache gut, wir spenden 618,60€ an Bedürftige und leisten damit den höchsten Spendenbeitrag. (Lieber Aaron, falls du das lesen solltest: bitte kehre nach deinem ungenießbaren Intermezzo bei dieser zweifelhaften GmbH eilends zurück zum TSV – Du bist einer von uns!).

Back on track

Im April groovt sich die Covid-19 Pandemie ein und wir gleiten emotionslos von Beschränkung zu Beschränkung. Doch nun kommt der Sommer, es lockert sich! Trainings sind wieder erlaubt, die Biergärten voll. Das Leben macht wieder Freude. Und aufgrund vergangener, exorbitanter Langeweile mitsamt einer gewissen Insichgekehrtheit stehen wir da wie die Einser. Braun, schlank, fit und klar in der Birne. Also die meisten zumindest… Wann geht’s also endlich los? Die RBL gibt bekannt, dass ab September unter strengen Hygienevorschriften eine verkürzte Saison, bzw. eher eine Art Cup, ausgetragen wird. Ich kehre zurück zu meiner Kernkompetenz und kümmere mich nach der Auslosung euphorisch um Spielstätte und Gegner.

Wie beim ersten Mal

Wir haben Schaum vorm Mund. Hals über Kopf stürzen wir uns ins erste Testspiel gegen Casa Latina, eine kolumbianische Auswahl, einem leicht favorisierten Gegner. Ich will es nicht dramatisieren, aber innerlich ist man den Tränen nahe, so schön ist es, wieder aufm Platz zu stehen, zu spielen, zu grätschen, zu pöbeln, zu jubeln. Wir gewinnen sage und schreibe 7:6 durch ein Tor in der letzten Spielminute durch unseren hochkarätigen Neuzugang David! Brutal! Das ist Working Class Ballett!

Der ganz normale Corona-Wahnsinn

Kurz darauf starten wir in die Gruppenphase mit einem Handicap wie es schlimmer nicht sein könnte: Unser neuer Torwart fällt kurzerhand aus! Quarantäne! Scheiße, stimmt, da war ja noch was! Wir improvisieren auf der Linie, aber trotz allem verlieren wir die ersten beiden Spiele gegen spielerisch unterlegene Gegner. Nun wussten wir, dass wir die zwei letzten Partien deutlich gewinnen müssen, um noch eine Chance aufs Weiterkommen zu haben. Aus demütiger Euphorie wurde schnell Angespanntheit und Wettkampfmodus. Denn wir hatten uns doch so viel vorgenommen, noch dazu mit all unseren Neuzugängen. Voller Fokus auf das bevorstehende Saisonfinale. Die Stammkräfte lassen alles (Frau, Kinder, Arbeit, Urlaub) liegen und stehen um am Start zu sein. Und wieder holt uns dieses gottverdammte Corona ein! Ein ums andere Mal kurzfristige Quarantäne. Manchmal sogar nur Stunden vorm Spiel. Teilweise schreibe ich die Aufstellung 5-6 mal neu. Es ist jeden Spieltag ein nervtötendes Hinundher. Aber wir wären keine Löwen, würden wir uns von sowas aus der Ruhe bringen lassen. Samma Löwen oder samma koane?

Am Ende (fast ganz) oben auf!

Bockstark gewinnen wir diese wichtigen Endspiele völlig verdient und sichern uns einen guten, zweiten Tabellenplatz, sowie das Weiterkommen in die K.O.-Phase. Ein herrlich-sonniger Altweibersommer-Sonntag, stolz und glückselig, wir klatschen uns ab und reden blöd daher. Ein mehr als würdiger Abschied vom superkurzen Fußballjahr 2020. Klar, niemand kann versprechen wie und wann wir wieder einen sorgenfreien Alltag erleben dürfen. Auch wenn ich mir nicht anmaßen möchte für all unsere knapp 100 Mitglieder zu sprechen, die Existenz dieses Oaschloch-Virus samt seinen grausamen Folgen lässt sich nicht leugnen und es bedarf jeder Menge Sportsgeist, selbstlos Egos zurückzufahren und geduldig einen Beitrag zur Bekämpfung dieser Pandemie zu leisten. Dank dem Impfstoff sei aber erlaubt, sich mit der Vision zu motivieren, dass wir im Frühling wieder aufm Platz stehen dürfen und vielleicht ja ab Sommer schon wieder im Stadion an der Grünwalder Straße! In der Ruhe liegt die Kraft – und wer weiß das besser als wir?
Auf die Löwen!

Markus Sporrer, TSV Weiß-Blau Sechzgerstadion e. V.

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