Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München bei der SG Dynamo Dresden. Am heutigen Abend treffen die Löwen im vermutlich ausverkauften Rudolf-Harbig-Stadion auf die Elf aus Sachsens Hauptstadt. Was kommt dort auf die Sechzger zu?

Bei der Partie Dynamo Dresden – TSV 1860 München stehen die Gastgeber unter Druck und müssen einen Dreier einfahren, um nicht vollends in die Krise zu rutschen. Trainer Markus Anfang setzt in bisher jedem Spiel diese Saison auf ein 4-3-3, dass in der Art wie Dresden es spielt vor allem über die offensiven Achterräume seine Wucht entwickeln soll und gegen den Ball sehr variabel sein kann.

Im Normalfall hoch anlaufend, aber bei der Wahl der Defensivlinie variabel je nach Spielstil des Gegners agierend, kann Dresden den Druck auf das Aufbauspiel nach Belieben anpassen. Zur Defensivlinie kann man im Allgemeinen sagen: je vertikaler der Gegner nach vorne spielt, desto tiefer stellt man sich dort nach Ballverlusten. Allerdings sieht man es extrem selten, dass Dresden gegnerische Angriffe auf einer der wirklich tiefen Linien erwartet.

Bevor wir zur genauen Spielweise der Dynamos kommen gibt es an dieser Stelle wie immer die wichtigsten, statistischen Werte der Dresdner.

Statistische Werte der SGD

  • Ballbesitz 56% (Platz zwei)
  • Passgenauigkeit 83% (Platz zwei)
  • defensive Zweikampfquote 66% (Platz eins)
  • Flankengenauigkeit 34%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 7,84 (Platz drei)

Spielweise der SGD

Bei Ballbesitz

Nach wie vor hat es Dresden im Positionsspiel nicht wirklich eilig, um nach vorne zu kommen. Die Muster über die zentralen Halbräume mit Unterstützung eines abkippenden Außenstürmers auf der ballfernen Seite und dem ballnah vorgeschobenen Außenverteidiger sind noch immer die gleichen wie im Herbst.

Nach Eindringen ins letzte Drittel entsteht über weitere Verschiebungen eine jeweils in vorderster Linie asymmetrische 4-3 oder 3-4 Offensivformation, mit der Dresden es schafft die gegnerische Mannschaft auch über längere Zeit unter hohen Druck zu setzen.

Während beim 3-4 die Halbräume und das Zentrum hinter der vordersten Linie besetzt sind und dann eher mit Flanken oder Offensivduellen von Außenpositionen nach innen gearbeitet wird, um in die Box zu kommen, sehen wir beim 4-3 meist die volle Breite der zweiten Linie besetzt. Hier liegt der Fokus für die Penetration der Box auf den inneren Achterräumen.

Die größte Wucht entsteht bei den Dresdnern jedoch nicht im Positionsspiel, sondern im Umschaltspiel. Aus diesen Situationen heraus bedienen die Dresdner gerne schnell und vertikal die offensiven Achterräume. Mit der Dreierkette in der Offensivlinie ist es das Ziel der Dynamos die Restverteidigung des Gegners hier zu düpieren. Geschwindigkeit und Präzision sind in diesen Situationen bei Dresden bis in die gegnerische Box wahnsinnig hoch. Vor allem in Heimspielen schafft es die SGD aus diesen Situationen extrem viele Abschlüsse zu produzieren.

Insgesamt feuerten die Dynamos in den vier Heimspielen seit Ende der Winterpause unglaubliche 107 Schüsse ab.

Gegen den Ball

Massiver Druck auf das gegnerische Aufbauspiel regiert die Herangehensweise vor allem in den Heimspielen. Dresden lässt dem Gegner beim Aufbau wenig Zeit und kaum Luft. Dabei werden viele der hohen Ballgewinne auch in eigene Schüsse umgemünzt. Chancen aus gewonnenen Pressing- oder Gegenpressingsituationen herauszuspielen kann keine Mannschaft der Liga so gut wie Dynamo Dresden.

Schafft es die gegnerische Mannschaft sich aus dem Pressing zu befreien, ist Dresden sehr erfolgreich dabei das Offensivspiel der Konkurrenz mit einem kompakten Zentrum gegen den Ball auf den Flügeln zu halten und dort auch zu kontrollieren. So gelingt es den Gastmannschaften in Dresden nur selten gefährlich in die Box der Hausherren einzudringen. Sowohl gegnerische Ballkontakte in der Box wie auch Schüsse des Gegners von dort begrenzen die Dynamos meist erfolgreich auf ein absolutes Minimum. Den 107 Schüssen der Dresdner seit der Winterpause zuhause stehen lediglich 24 Schüsse der Gegner gegenüber.

Stärken und Schwächen des 4-3-3

Stärken

Im Offensivspiel kann eine Mannschaft, die ein 4-3-3 praktiziert, sehr variabel auftreten. Durch die drei Stürmer wird Stress für die Abwehr des Gegners ausgelöst. Das rührt daher, dass durch die mit drei Spitzen hergestellte Variabilität in Puncto Breite oder Enge des Spiels und dem Wechselspiel beider Varianten die Angreifer schwer ausrechenbar sind. Somit können in jedem Spielzug andere Laufwege zum Tragen kommen. Die im Raum zu verteidigenden Schnittstellen überlagern sich manchmal, wodurch eine Überzahl für die Angreifer bei kreuzenden Stürmern entstehen kann.

Wenn die Mannschaft, die im 4-3-3 spielt, obendrein auf Ballbesitzfußball mit hohem Pressing gegen den Ball setzt, ist die Chance für sie andauernden Druck auf den Strafraum bzw. das Tor des Gegners auszuüben sehr hoch.

Dadurch, dass die beiden Außenstürmer mit relativ wenig Energieleistung zwischen Sturm und Mittelfeld pendeln können, ist auch eine gute Anpassung an das Spielsystem des Gegners möglich. Es kann gegen den Ball leicht eine Überzahl generiert werden, die für den Gegner (wenn die Räume gut verteidigt werden) zu Ballverlusten führen kann. Dafür müssen beide Außenstürmer gegen den Ball konsequent nach hinten mitarbeiten.

Mit drei Stürmern geht vom 4-3-3 obendrein eine hohe Gefahr für Kontergegenstöße nach Ballgewinn aus. Es kann schnell umgeschaltet werden und die Sturmreihe wird, auch wenn sich die Außenstürmer in der Rückwärtsbewegung ins Mittelfeld haben fallen lassen, schnell wieder besetzt sein, da der Außenstürmer vom Anforderungsprofil ein sehr schneller Spieler ist.

Schwächen

Wenn der Gegner schnell spielt, entstehen Lücken im Raum, die dann durch entstehende Überzahl ausgenutzt werden können. Schnelle Spieler im Mittelfeld gepaart mit vertikalem Spiel helfen den Gegnern diese Räume gegen ein 4-3-3 zu schaffen.

Im Defensivspiel gegen Positionsangriffe sind die Halbräume und/oder Außenbahnen eine Schwäche des 4-3-3, da diese mit nur drei Mittelfeldspielern ohne Unterstützung der Außenstürmer nie vollständig zugestellt werden können.

Auch gegen diagonales Spiel (Seitenwechsel) ist das System anfällig, wenn die Defensivunterstüzung durch die Außenstürmer nicht konsequent geboten wird, da in diesem Fall im Mittelfeld ein Spieler abgeht, um beide Flanken abzudecken.

Wie kann man Dresden knacken?

Sein wir ehrlich: auch wenn Dynamo Dresden momentan eine kleine Krise zu haben scheint, betrifft diese lediglich die Abschlussgenauigkeit. Für den TSV 1860 München macht das die Aufgabe nicht leichter, denn alles andere im Spiel der Dresdner hat nach wie vor Hand und Fuß. Platzt der Knoten im Sturm wieder, schießt diese Mannschaft alles, was sich ihr in den Weg stellt, kurz und klein. Wie also geht man so ein Spiel an?

Gegen den Ball

Zu verlieren hat man nichts, zu gewinnen hingegen sehr viel. Das spricht für einen defensiv wieder kompakten Ansatz, der den Gegner auf den Flügel zwingt so wie das in den letzten Spielen auch schon der Fall war und grundsätzlich gut geklappt hat. Konzentrationsfähigkeit und Positionstreue im eigenen letzten Drittel werden entscheidende Faktoren sein. Wenn die Außenstürmer der Dresdner in deren Umschaltsituationen in den Achterräumen bedient werden, gilt es dort keine Kompromisse einzugehen. Der Zug zum Tor der Dynamo-Offensive in diesen Momenten ist gewaltig und schwer in den Griff zu kriegen. Die schnellen Außen sowie Routinier Kutschke im Zentrum können jede Verteidigung in die Bredouille bringen.

Drei Spieler bei eigenen Angriffen in der Restverteidigung zu belassen und dem tiefen Sechser nicht zu viele Freiheiten nach vorne zu gewähren, sodass im Fall der Fälle zentral eine Doppelung möglich ist ohne eine andere Defensivposition zu entblößen, wäre da mein Ansatz.

Bei Ballbesitz

Umschaltspiel

Bei eigenem Ballgewinn muss dann meiner Meinung nach versucht werden schnell und vertikal zu agieren. Mit vertikal meine ich allerdings nicht den langen Hafer, sondern das vertikale Kombinationsspiel. Das setzt kreative Laufwege, hohe Passfrequenz und Präzision im Passspiel in diesen Situationen voraus. Der geparkte Neuner und ein oder zwei schnelle Spieler in der Zentrale werden dabei die entscheidenden Rollen tragen. Hier muss die Abstimmung dabei 100%ig stimmen, wer wann wohin kreuzt. Die Geschwindigkeit beim Ausschwärmen aus der Defensivformation und generelle Richtung dabei müssen richtig gewählt werden, um Dresden damit Nadelstiche zu versetzen.

Dass es von diesen Situationen nicht viele geben wird, muss jedem klar sein. Es wird für die Mannschaft des TSV 1860 München gegen Dynamo Dresden in jedem Fall eine Abwehrschlacht.

Positionsspiel

Sich im Positionsspiel aus dem Pressing der Dresdner zu befreien wird nicht leicht werden. Wenn man das aber schafft, muss das Ziel sein ähnlich wie in Umschaltsituationen schnell und ebenfalls über mehrere Stationen ins Zentrum hinter der Neun zu kommen. Der Mittelstürmer sollte dann mit Präzision in die Tiefe geschickt werden ohne das Spiel zu verschleppen. Hier wären Präzision und Geschwindigkeit die entscheidenden Faktoren.

Langes Spiel auf einen Zielspieler, um das Mittelfeld zu überbrücken, kann nur dann funktionieren, wenn die nachrückenden Spieler im Kampf um den zweiten Ball mit hohem Tempo und extremer Breite daherkommen und der Zielspieler dadurch a) schnell Hilfe aus der Tiefe erhält und b) die zur Unterstützung nachrückenden Spieler ihren Gegenspielern entkommen können, bevor diese ihre Defensivpostionen erreicht haben. Das bedeutet Präzision und Timing beim Auslösen der Attacke wäre in diesen Fällen wichtig.

Schlüsselspieler

Tor

Ersatzkeeper Kevin Broll (#35) dominiert trotz seiner nur 1,85 m bisher den Luftraum in der Box der Dynamos. Wenn er die Linie verlässt, ist die Kugel bisher zu 100% seine Beute. Leichte Defizite hat er allerdings was seine Reflexe betrifft. Im eins gegen eins macht der 28-Jährige meistens durch sein gutes Timing beim Rauslaufen eine gute Figur. Alles in allem ist Broll ein solider, aber nicht überragender und definitiv kein unüberwindbarer Rückhalt.

Abwehr

Jens Lewald (#31) ist der beste Innenverteidiger der Liga. Mit 70% Quote bezüglich defensiver Zweikämpfe und einem exzellenten Stellungsspiel macht er gegnerischen Stürmern das Leben so schwer wie möglich. Der Aufbau im Positionsspiel läuft zwar häufig über ihn, aber er ist selten der Spieler, der den Angriff auslöst, sondern derjenige, der die initiale Angriffsrichtung vor dem eigentlichen Auslösen der Attacke bestimmt.

Mittelfeld

Sowohl Niklas Hauptmann (#27) als auch Luca Herrmann (#19) in der Zentrale der Dresdner sind für die Progression der Angriffe der Sachsen extrem wichtig. Sie agieren hinter der Sturmreihe versetzt zueinander je nachdem, über welche Seite der Angriff läuft. Jeder der beiden Topspieler hat in diesem Mannschaftsteil einen hohen Anteil an den vielen Strafraumsituationen und auch am Unterbinden von Umschaltsituationen für die Gegner. Gegen das perfekt funktionierende Herzstück der Dresdner mit beiden Spielern in der Top Sieben der zentralen Mittelfeldspieler der 3.Liga muss konsequent, hart und bedingungslos verteidigt werden. Beide sind sehr dribbelstark, extrem passsicher und sorgen mit ihren Pässen in die Spitze für viel Gefahr in der Box. Gegen den Ball sind beide ebenfalls sehr einsatzfreudig und zweikampfstark.

Sturm

Mittelstürmer Stefan Kutschke (#9) ist Kapitän der Dynamos und wie es nicht anders zu erwarten war auch der bisher beste Torschütze. Zehn Treffer und vier Vorlagen hat der unangenehme Sturmtank bisher auf dem Konto. In der Liste der besten Stürmer führt ihn unser Statistikportal für diese Saison auf Platz drei. In der Rückrunde hat er jedoch bisher etwas mit einer Ladehemmung zu kämpfen. Erst ein Treffer und eine Vorlage gelangen dem 1,94 m großen Mittelstürmer seit Ende der Winterpause. Trotzdem darf man diesen Spieler nie abschreiben. Er ist ein Offensivmonster, das jederzeit zuschlagen kann und wird, wenn man ihm die Chance dazu gibt und gleichzeitig immer ein Auge für den besser positionierten Nebenmann hat.

Fazit

Kann der TSV 1860 München die angeschlagene SG Dynamo Dresden düpieren und von dort Punkte entführen? Ich sage ja. Aber damit das geschieht, muss alles passen und man darf sich gegen den Ball nichts erlauben. Wie das funktionieren kann habe ich oben beschrieben. Dass das aber auch extrem schwer werden wird, liegt auf der Hand.

Wir dürfen uns sicher sein, dass wir eine taktisch und mental top eingestellte sowie topmotivierte Löwenelf sehen werden. Ob das am Ende reicht, um die meiner Meinung nach personell am besten besetzte Mannschaft der Liga zu ärgern und aus Dresden einen oder mehrere Punkte zu entführen, werden wir sehen.

Ich bin sehr gespannt auf das Spiel. Dynamo Dresden ist definitiv der Favorit und wenn der TSV 1860 dort was holen kann, ist es ein Riesenerfolg für alle Beteiligten.

In eigener Sache

Diese Woche wurde die Sperre von drei Spielen für Marlon Frey bekannt gegeben. Eine geifernde Meute von sogenannten „Fans“ in den (a)sozialen Netzwerken hat nichts Besseres zu tun, als sich darüber zu freuen, dass ein Spieler, den sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht mögen nun drei Spiele gesperrt sein wird.

Habt ihr eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Man mag von ihm als Spieler persönlich halten was man will, aber so artikuliert man sich nicht über einen Spieler, der für den eigenen Verein spielt. Egal für wie gut oder schlecht man ihn hält.

Kommen wir zur entscheidenden Frage: Ist er tatsächlich so schlecht, wie viele ihn sehen, oder wollen diejenigen aus reiner Antipathie nur seine Fehler sehen und blenden die guten Aktionen des Spielers einfach aus?

Positionsrelevante Stats

Frey ist der Mittelfeldspieler mit den zweitmeisten erfolgreichen Defensivaktionen im Mittelfeld nach Schröter. Er ist der Mittelfeldspieler mit den meisten erfolgreichen Vorwärtspässen pro Spiel. Mit einer Erfolgsquote von 88% bei Pässen in die Box ist er der beste Spieler in dieser Kategorie im Team, wobei er hierbei pro Spiel im Schnitt lediglich einen Pass weniger als Guttau, Starke oder Schröter spielt. Obendrein ist er (ebenfalls hinter Schröter) der Akteur mit den zweitmeisten Schlüsselpässen in diesem Mannschaftsteil (Platz 4 ligaweit (!)).

Das einzige, was man an Frey tatsächlich und wenn, dann aber bitte respektvoll, kritisieren könnte, ist seine Erfolgsquote bei Kopfballduellen. Diese könnte tatsächlich besser sein sowie sein Timing bei progressiven Pässen aus der eigenen Spielfeldhälfte heraus.

In allen anderen für seine Position entscheidenden Kategorien ist Frey seit dem Ende der Winterpause einer der stabilsten Spieler der Mannschaft.

Leistungsunabhängig finde ich es unsäglich, in der Art und Weise auf einen Spieler der Mannschaft, von der man sich selbst als Fan bezeichnet, verbal sowie ohne Substanz dahinter derart unqualifiziert einzudreschen. Sich darüber zu freuen, dass ein Spieler der eigenen Mannschaft gesperrt wird oder es als “schade” zu bezeichnen, dass er nicht noch eine längere Sperre aufgebrummt bekam, ist perfide. So ein Verhalten ekelt mich an.

So könnte Dynamo Dresden gegen den TSV 1860 beginnen

Datenquelle: Wyscout

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18sexy_weiss_und_blau

Servus Bernd.
Deine Absätze zum Frey haben mich ein wenig zum Nachdenken gebracht.
Bin jetzt bestimmt kein Heiliger, was gegnerische Spieler angeht, Schiris ebenfalls und auch den ein oder anderen bei uns. Das mag man schlimm oder weniger schlimm finden, jedoch muss man ganz klar hervorheben, dass es immerhin um “die eigenen Leute” geht. Da sollte man den Ball mal eher flach halten. Werd ich mir für die Zukunft hinter die Ohren schreiben.
Weiter hat es mich doch sehr erstaunt, dass der Frey dann solche Statistiken aufweisen kann. Seh ich als Laie gar nicht und hab ihm damit schon gleich 3x Unrecht getan! Ob er selbst mein Fall ist oder nicht.
Danke für die Analyse und hoffentlich 3 Punkte für unsere Löwen!!!