Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München beim FC Erzgebirge Aue. Mit sechs Punkten Rückstand auf Platz 3 ist Aue immer noch in Schlagdistanz. Was erwartet die Löwen im Erzgebirgsstadion?

Erzgebirge Aue – TSV 1860, dieses Duell findet nun zum vierten Mal in der 3. Liga statt, zwei Löwensiegen steht eine Niederlage gegenüber. Die Scharte aus dem Hinspiel werden die Sechzger versuchen auszuwetzen.

Pavel Dotchev schickt die Auer in dieser Saison immer in der allseits beliebten Grundformation 4-2-3-1 auf den Platz, wobei sich die Auer bei den offensiven Verschiebungen durchaus variabel zeigen und diese gut, dem was der Gegner auf den Platz bringt, anpassen können. Was bedeutet das für das Spiel am Samstag?

Gegen den Ball hat Dotchev seine Strategie im Vergleich zum Beginn der Saison etwas verändert. Aue attackiert den Positionsaufbau der Gegner mittlerweile oft hoch mit drei Spielern. Die Defensivlinie steht dabei ebenfalls auf höherem Niveau.

Bei eigenem Ballbesitz zeigt sich Aue variabel in den Verschiebungen, aber sehr rechtslastig beim Aufbau.

Bevor wir uns die Spielweise genauer ansehen, hier die wichtigsten statistischen Werte des FC Erzgebirge bisher.

Statistische Werte des FC Erzgebirge Aue

  • Ballbesitz: 55%
  • Passgenauigkeit: 82%
  • Defensive Zweikampfquote: 61%
  • Flankengenauigkeit: 31%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 11,59

Wie spielt Aue?

Offensiv

Der Aufbau im Positionsspiel soll grundsätzlich dem Schema aus der Abwehr heraus folgen, die in den meisten Fällen rechtsgependelt nach vorne verschiebt, über einen Sechser auf die Halbpositionen im zentralen Mittelfeld zu kommen. Wie im Angriff von dort weiter verfahren wird, ist denn sehr variantenreich. Man sieht bei Aue in diesen Varianten eine leichte Rechtslastigkeit im Verhältnis 7:5, insgesamt aber im Speziellen doch eher davon abhängig, wo der Gegner Räume offen lässt oder eben die Pressingfallen setzt.

Dringen die Auer ins letzte Drittel des Gegners ein, können wir aber mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass über die Flügel oder die äußeren Halbpositionen gespielt wird. Lediglich Duisburg verzeichnet mehr Angriffe über Flügelpositionen im letzten Drittel als die Schachter.

Ein interessantes Angriffsschema dabei ist das dosiert eingesetzte doppelte Hinterlaufen auf den Flügeln. Beim Eindringen ins letzte Drittel des Gegners hinterläuft der Außenverteidiger den Mittelfeldaußen, bekommt den Ball, zieht diagonal nach innen und wird seinerseits wieder von diesem Spieler auf der Außenbahn überholt. Gegen Mannschaften, deren taktische defensive Ausrichtung es ist, in dieser Zone von Raum auf Manndeckung überzugehen, hat diese Variante schon sichtlich zu Verwirrung dabei geführt, wer nun defensiv für wen zuständig wäre.

Kleiner taktischer Exkurs

Dieses doppelte Hinterlaufen hat bei Ballverlust auch einen kleinen taktischen defensiven Vorteil. Der hinterlaufende Defensivspieler ist dann weniger Gefahr ausgesetzt, auf seiner Position plötzlich zu weit vorn zu sein und dem Gegner dadurch doppelte Überzahl auf diesem Flügel zu ermöglichen. Sofern er in diesem Fall Boden auf seinen direkten Gegenspieler gutzumachen hätte, müsste er diesem dann eher diagonal nach außen einholen und lediglich in den selteneren Fällen hinterherlaufen. Da der Ball aber, ähnlich wie ein Springer im Schach, außen nur begrenzten Mehrwert hat, wenn es um die schnelle Penetration des gegnerischen Zentrums geht, ist das parallele Mitlaufen hier meist ausreichend, um auf den ballführenden Angreifer dort so einzuwirken, dass eventuelle präzise Anspiele auf Spieler im Zentrum deutlich gestört würden. So wird die Restverteidigung beim Umschaltspiel des Gegners entlastet.

Im letzten Drittel

Dringt Aue stabil ins letzte Drittel des Gegners ein, sehen wir, so wie mittlerweile bei vielen Teams, eine Verschiebung auf eine 2-4 bzw. 2-1-3 Formation in den vordersten Linien, die ballfern asymmetrisch und zentral doppelt besetzt ist.

Des Weiteren hat Aue das Angriffstempo in Pressingsituationen, die sie nicht lösen können, erhöht. Anstatt – wie noch zu Saisonbeginn – oft geduldig zu warten und lange im eigenen Defensivverbund den Ball zu halten, treffen die Spieler mittlerweile früher die Entscheidung, sich aus gut positioniertem Pressing des Gegners über den langen Ball zu befreien. Die Präzision hier liegt im Ligavergleich klar im vorderen Drittel und somit deutlich über dem Durchschnitt.

Defensiv

Gegen den Ball verteidigen die Auer das Positionsspiel des Gegners mittlerweile mit einer Dreierkette in der Pressinglinie und nicht mehr in der 1-3 Formation wie noch zu Saisonbeginn. Die Intensität dabei ist, solange es unentschieden steht oder wenn Aue zurückliegt, immens hoch. Hier wurde ganz klar während der Winterpause an der Stellschraube gedreht. Die indirekt proportional zu lesende Pressingintensität liegt, wenn Aue nicht in Führung ist, bei einem Wert von 6,85.

Überwindet der Gegner die Pressinglinie und spielt sich bis ins letzte Drittel der Schachter hinein, verteidigen die Auer mit zwei Linien vor der eigenen Box im 4-5-1, wobei der ballnahe Spieler in der Doppelsechs oft zwischen die Linien abkippt, um Diagonal- oder Querpässe beim Flügelspiel zu unterbinden.

Stärken und Schwächen des Systems 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege, um einen Spieler zu doppeln, relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen, wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorne ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich dadurch für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Wie kann der TSV 1860 den FC Erzgebirge Aue knacken?

Aufgrund der variantenreichen Offensive der Auer ist das A und O für jeden Gegner eine kompakte Defensive mit klaren Zuordnungen im letzten Drittel. Dabei darf man allerdings den Pressingdruck auf das Auer Positionsspiel nicht vernachlässigen, denn man hat in den bisherigen Spielen nach der Winterpause gesehen, dass Aue hier durchaus oft die Ideen beim Aufbau ausgehen. Dann gilt es, beim langen Ball gegen die guten Auer Offensivspieler die Oberhand zu behalten und über schnelles Umschaltspiel sofort präzise nach vorne zu kommen. Stellungsspiel in den Pressingsituationen und gute Antizipation, wohin der lange Ball kommt, werden in diesen Situationen eine entscheidende Rolle spielen.

Im Positionsspiel müssen die Löwen schnell agieren. Lässt der TSV 1860 da Erzgebirge Aue genug Zeit, die Defensivpositionen einzunehmen, wird das Durchkommen bis ins gegnerische letzte Drittel sehr schwer. Generell gilt es vor allem für die Spieler in der Mittelfeldzentrale, möglichst viel zu rochieren, um so das Stellungsspiel der Auer im Raum auseinanderzuziehen und so Räume zu schaffen, in die dann der ein oder andere Spieler hineinstoßen kann. Ein gewisses Risiko, in dem man Spieler “out of position” in diese Räume schickt, einzugehen, kann hier der Knackpunkt sein, um Aue zu überraschen. Im Umschaltspiel nach Ballverlust kann das für Räume sorgen, die Aue dann nutzen könnte. Hier gilt es dann, die Verhältnismäßigkeit in diesen Aktionen abzuwägen.

Schlüsselspieler

Tor

Torwart und Kapitän Martin Männel (#1) ist momentan statistisch gesehen der zweitbeste Keeper der Liga hinter dem Dortmunder Lotka. Erfahrung und Routine gepaart mit katzenartigen Reflexen und nahezu perfekter Strafraumbeherrschung, machen Männel zu einem der am schwersten zu überwindenden Torhüter in Liga 3. Wenn es hinter ihm einschlägt, müssen sich im Normalfall die Abwehrspieler den Schuh anziehen, Mist gebaut zu haben.

Abwehr

Wie im Hinspiel ist auch diesmal Eisenfuß Niko Vucancic (#4), der gegen Lübeck mit Gelbsperre pausieren musste, der Schlüsselspieler, den es bei Penetration der Box zu meiden gilt. Der schnelle Innenverteidiger hat eine defensive Zweikampfquote von 71% vorzuweisen und gewinnt überdurchschnittlich viele Kopfballduelle. Im Stellungsspiel hat der aus Düsseldorf nach Aue gewechselte Abwehrrecke seit Saisonstart allerdings etwas nachgelassen. Im Aufbau teilt er sich die Aufgabe mit seinem Nebenmann Anthony Barylla (#23).

Mittelfeld

Der Box to Box Spieler Mirnes Pepic (#10) ist nach wie vor die Schaltzentrale im Mittelfeld beim Aufbau im Positionsspiel. Übersicht und Routine sind bei ihm die ausschlaggebenden Faktoren für sein gutes Spiel nach vorne. Gegen den Ball verhält er sich mannschaftsdienlich und schließt vorhandene Lücken nach hinten zügig. Passsicher, schnell, dribbelstark und mit einem hohen Durchsetzungsvermögen ausgestattet, ist er das Herz und die Triebfeder bei Angriffen der Schachter.

Sturm

Bisher zehn Tore stehen für Marcel Bär (#15), der einst bei uns zum Torschützenkönig der 3. Liga wurde, zu Buche. Damit ist über seine Gefährlichkeit in dieser Saison alles gesagt. Auch im Hinspiel gelang dem Stürmer, den ich hier wohl nicht weiter vorstellen muss, ein Treffer. Hoffen wir, dass er diesmal torlos bleibt – sorry, Cello! Kommende Woche darfst wieder treffen.

Fazit

Dem TSV 1860 München steht beim FC Erzgebirge Aue eine schwere Aufgabe bevor. Zwei verdienten Siegen steht eine sehr unglückliche Niederlage gegen unseren Gegner vom vergangenen Wochenende gegenüber.

Wenn nicht alle Rädchen ineinander greifen, die Konzentration bei jedem Spielen nicht über die komplette Spielzeit auf 100% ist und auch nur ein µ Einsatzwille, vor allem im eigenen letzten Drittel, fehlt, wird es in Sachsen nicht viel für die Löwen zu erbeuten geben.

Nach der Erfahrung der letzten drei Spiele bin ich mir aber sicher, dass Matchplan und taktische Vorgaben dem entsprechen werden, was den Gegner in Bedrängnis bringen kann. Das umzusetzen liegt dann an der Mannschaft und deren Zusammenspiel.

Ein Punkt wäre schön, drei Punkte ein Traum. Also: Auf geht’s Löwen, lasst uns träumen!

So könnte Aue beginnen

Datenquelle: Wyscout

0 0 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
2 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Elilfant

Servus Bernd,
auch wenn das Sportliche bei uns gerade nur nebensächlich erscheint: Bekommen wir noch eine Taktiktafel Analyse zu Sandhausen?
Viele Grüße

Jan Schrader

Die ist krankheitsbedingt leider ausgefallen.