Mit dem 7. Tabellenplatz in der Bundesliga hatte sich der TSV 1860 in der Saison 1996/97 die direkte Teilnahme für den UEFA-Cup gesichert und dort warteten in der 1. Runde richtige Hochkaräter: Wir träumten von Inter Mailand, Liverpool, Celtic Glasgow, Ajax Amsterdam oder dem FC Arsenal – das waren alles potentielle Gegner – und bekamen Jazz Pori zugelost. Jazz was? Jazz Pori aus Finnland und gespielt werden sollte in Tampere.

Auch wenn die Reisen im Vorjahr im UEFA-Intertoto-Cup nach Varna oder Ostrava nett und lustig gewesen waren – das ganze große Europa-Cup-Feeling sollte dort nicht aufkommen und auch bei Finnland machten wir erst einmal lange Gesichter: das klang nicht nach einem stimmungsvollen Spiel, sondern nach einer teuren Fahrt bzw. einem teuren Flug.

Noch bevor die Löwen eine offizielle Reise angeboten hatten inserierte ein findiger Löwenfan- und Geschäftsmann in der Bildzeitung mit einem Reisepaket, welches zwei Übernachtungen in Helsinki und Tampere beinhalten sollte und er hatte dies über sein eigenes Reisebüro zusammengestellt – so lernten wir den „Semmelmann“ kennen, denn von seinen gerade einmal 20 Plätzen sicherten wir uns zwei. Kurz darauf boten die Löwen dann einen Flug mit einer Übernachtung für das gleiche Geld (ebenfalls rund 600,- Mark) an – wir hatten schon einmal nichts falsch gemacht.

Bei der Anreise wäre die Reisegruppe fast schon gescheitert: Der Reiseleiter bestellte alle so zeitig an den Flughafen ein, dass noch genügend Zeit für ein Bier war… und noch eines… und noch eines… gerade lustig war es und als sich die Gruppe dann endlich zum Check-In begaben war dieser bereits beendet und es hieß, wir könnten nicht mitfliegen. Mit Engelszungen schaffte es „Semmelmann“ dass wir doch noch mitfliegen durften und so wurden wir einfach zum Boarding gescheucht und im Flieger auf freie Plätze verteilt… auch das ist heutzutage unvorstellbar, aber es war ja noch deutlich vor dem 11. September.

Die Erleichterung war groß, die Stimmung an Board noch ausgelassener – für die Crew wohl zu ausgelassen, so sperrte sie irgendwann alle Alkoholvorräte weg und in Helsinki am Gate stand erst einmal eine Einheit der Spezialpolizei. Ups… nachdem es schon spät war und am nächsten Tag zeitig weitergehen sollte, verließen wir das Flughafenhotel nicht mehr, sondern sorgten noch an der Hotelbar für gute Stimmung.

Zeitig ging es am nächsten morgen mit einer winzigen Maschine von Helsinki nach Tampere und nach einem kurzen Frühstück im Hotel erst einmal ins Stadion – es wollten ja gute Fahnenplätze gesichert und ein paar Erinnerungsbilder gemacht werden.

Die Fahnen mussten später umgehängt werden – das Fernsehen zickte schon damals wegen den Werbepartnern und so waren die ursprünglich guten Mittellinienplätze für die Katz.

Dann ging es in die Stadt und es trafen immer mehr Löwen auf den unterschiedlichsten Reiserouten und vor allem via Tagesflug ein. Dadurch dass Pori am Wasser liegt gibt es da auch einen Hafen und entsprechende Geschäfte für die Ausrüstung auf hoher See. Wir haben uns sagen lassen, dass es den Angestellten dort dann wohl doch etwas komisch vorkam, als die Deutsche Reisegruppe sich dort mit Seenotsignalen eindeckte.

Jene fanden dann auch irgendwie ihren Weg in das Stadion in Tampere und so war es an ihnen bzw. den rund 500 angereisten Löwenfans, im Stadion für Europa-Cup-Atmosphäre zu sorgen – nicht leicht an einem trüben Nachmittag in Finnland in einem Stadion, in dem sich etwas weniger als 2000 Zuschauer insgesamt befanden und ein absolut grausames Fußballspiel ansehen durften bzw. mussten.

Bemerkenswert: der bei vielen 1860-Fans bekannte Löwenbomber hatte ja bereits in den 90er-Jahren mit dem “Löwenbomber” eines der ersten 1860-Fanzines-herausgegeben und dann lange pausiert. Anlässlich des ersten UEFA-Cup-Spieles wurde wieder eine Mini-Ausgabe herausgebracht.

(Anmerkung: Heute betreibt der Löwenbomber auf Facebook das Löwenbomber-Archiv – dort findet ihr unfassbar viel über 1860 – unter anderem auch die Zeitungsartikel von damals: Löwenbomber-Archiv)

Eine erschreckend destruktive finnische Mannschaft – Löwen-Torhüter Bernd Meier beklagte sich hinterher, dass er nicht einmal einen Ball halten musste – und eine Löwen-Elf, die das Tor nicht traf – so vertrieben sich die Löwen-Fans die komplette zweite Halbzeit mit einem Dauer-Gesang eines alten Seefahrer-Liedes, welches zum dahinplätschernden Spiel passte.

Fast pünktlich mit dem Schlusspfiff erzielte Abedi Pele dann noch das 1:0, welches den Löwen natürlich eine glänzende Ausgangsposition für´s Rückspiel sicherte: Niemand konnte sich vorstellen, dass diese finnische Mannschaft auch nur irgendwie ein Tor schießen könnte. Letztlich schossen sie dann tatsächlich eines, aber bekamen dafür auch 6 Stück.

Von Löwen-Präsident Wildmoser gab es hinter der Tribüne noch zweimal je tausend Mark für eine Gruppe Löwenfans, damit diese bei den teuren finnischen Alkoholpreisen etwas ausgelassener feiern konnten – was sie auch ausgiebig taten. Immerhin bestand ja so in der nächsten Runde die Möglichkeit, mal auf einen richtigen Kracher zu treffen…

Kleiner Wehmutstropfen am Rande: Das Rückspiel im Olympiastadion wollten dann ganze 7 500 Zuschauer sehen, das Olympiastadion war gerade einmal zu etwa 10% gefüllt. Immerhin gibt es auf youtube noch einen Bericht vom Rückspiel – den findet ihr hier:

In der nächsten UEFA-Cup-Runde sollte es dann Rapid Wien werden – davon handelt der nächste Teil der Serie.

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