In meinem Leben als Löwenfan ist Köln eine ganz besondere Stadt. Komischerweise haben wir nach dem Aufstieg in Meppen bei Verwandten von Freunden von mir in Köln genächtigt. Mein 19-jähriges mehr oder weniger volltrunkenes Ich kann sich noch an eine Cousine erinnern, welche Pasta mit Zitronensauce für uns gekocht hatte. Danach ging es wieder ab ins Nachtleben und meine Erinnerungen verschwimmen. Pünktlich zu Beginn der Saison 94/95 zog dann mein guter Freund Christoph aus einem mit Maradona bemalten Wohnhaus in Neapel nach Köln, um dort zu studieren. Er quartierte sich direkt neben dem Südstadion ein, was allerdings relativ nutzlos war, weil die Löwen ja zu der Zeit in der Bundesliga gegen den FC spielten.

Als Christoph 1997 sein Studium in New York fortsetzte, zog glücklicherweise ein weiterer Freund von mir nach Köln. Markus, ein hippiemäßiger Typ, der mit Fußball so gar nichts am Hut hatte, aber trotzdem die Horden aus München mit ihren Isomatten gerne bei sich beherbergte und mit uns in den Nächten vor und nach den Spielen um die Häuser zog. Er wohnte in Kalk (Trambahnstation Kalk Kapelle) und man dachte immer, dass Hausmeister Krause mitsamt seines Dackelclubs jeden Moment um die Ecke biegen könnte. Eine meiner schönsten Erinnerungen an Kalk findet eines frühen morgens im Frühjahr 1999 auf dem Fußweg zwischen der Trambahnhaltestelle Kalk Kapelle und Markus’ Wohnung bei Schneematsch auf der Straße statt, als ich nach einer grauenhaften Niederlage am Bökelberg in Gladbach all meinen Mut zusammen nahm und das erste Mal nach der Hand meiner späteren Freundin griff und sie diesen Griff sanft erwiderte. Der Beginn von fünf wunderbaren Jahren. Geschichten, wie sie nur der Fußball schreibt!

Köln war also unsere Homebase für Spiele im Rheinland und im Ruhrpott. Wenn immer es ging, versuchten wir auf der An- oder Abreise noch andere Stadien zu besuchen. Leider war es mir nie vergönnt, ein Spiel im Flughafen Stadion zu sehen. Obwohl ich das schon wegen seines coolen Namens immer auf meiner Wunschliste hatte. Daher freute ich mich besonders auf das Osterwochenende, als unser Auftritt letzte Saison bei der Kölner Viktoria angesetzt war. Dank Corona blieb mir auch letzte Saison der Besuch versagt und über diese Saison muss ich ja keine weiteren Worte verlieren. Flughafen Stadion, wir kommen noch zusammen!

Hätte dieses Wochenende aber im Style der späten Neunziger stattgefunden, wären wir Löwen nach dem Spiel irgendwo in eine Kneipe gegangen und hätten das Spiel rauf und runter diskutiert. Meine Meinung wäre gewesen, dass man das Ding niemals verlieren darf, weil man nach 16 Minuten schon 3:0 hätte führen müssen. Da wär der berühmte Kaas also schon bissen gewesen. Aber leider versemmelten Lex und Mölders beste Chancen, nur Neudecker traf per Traumtor. Später wäre man mit den bekannt kommunikationsfreudigen Rheinländern ins Gespräch gekommen und diese hätten behauptet, dass Sechzig eben nicht 3:0 führte und die Viktoria ab der 16. Minute das Spiel weitgehend diktiert hat. Da hätte man schwer widersprechen können. Dass man dann aber in der 88. Minute noch so ein Scheiß-Tor (entschuldigt den Ausdruck) kassiert und das Spiel noch komplett aus der Hand gibt, hätte man den Kölnern gegenüber als sehr unglücklich bezeichnet, die natürlich auf einen verdienten Sieg plädiert hatten. Wahrscheinlich hätten sie sogar recht gehabt. Mittlerweile wäre es wahrscheinlich schon spät am Abend gewesen und man hätte sich in Richtung Live Music Hall aufgemacht und noch den Rest der Nacht zu Heavy Metal die Köpfe geschüttelt.

Jetzt ist aber 2020 und man kann mit Gleichgesinnten nur über Whatsapp die Spiele Revue passieren lassen. Das geht mir fast mehr an die Nieren als jede Niederlage…

Aber an die Nieren geht mir schon auch, dass die Löwen jetzt 5 Spiele in Folge nicht mehr gewonnen haben. In vier dieser Spiele konnte 1860 sogar in Führung gehen. Also in jedem, außer dem torlosen Unentschieden gegen die Uerdinger. Nach jeder Führung fiel auf, dass nicht etwa 1860 mehr Sicherheit im Spiel bekommen hätte, sondern in jedem Spiel bekam der Gegner nachdem Rückstand Aufwind und setzte die Löwen quasi sofort nach dem Tor unter Druck. Auffällig ist, wie schnell die Löwen die Gegentore nach ihrer Führung kassieren:

  • In Dresden 5 Minuten später (27. Minute 0:1, 32. Minute 1:1)
  • in Verl 19 Minuten später (20. Minute 0:1, 19. Minute 1:1)
  • gegen Türkgücü 4 Minuten später (22. Minute 1:0, 26. Minute 1:1) und
  • gestern mit 24 Minuten (16. Minute 0:1, 40. Minute 1:1) die längste Zeitspanne zwischen Führungstor und Ausgleich.

Dabei ist es auch nicht so, dass die Gegner ihre Tore aus heiterem Himmel erzielen. Bei diesen vier Spielen war es so, dass die Gegner sofort nach dem Rückstand die aktivere Rolle übernahmen und Sechzig seltsam passiv agierte. Dabei rührten die Löwen nicht etwa Beton an, wie es in der oben erwähnten Ära der Fall war, sondern sie gingen einfach im Mittelfeld nicht mehr aggressiv genug drauf und stellten vorne das Pressing ein. Dadurch konnten in allen vier Spielen die Gegner leicht bis zum Strafraum vordringen und sich Chancen erarbeiten. Hinzu kommen teilweise unerklärliche Fehlpässe im Spielaufbau. Es scheint, als ob Tore der Löwen den Gegner beflügeln und die Löwen selbst lähmen. Wie kann das sein???

Fakt ist, dass nun seit 5 Spielen nicht mehr gewonnen wurde. Statt der zwischenzeitlichen Tabellenführung steht man mittlerweile auf Platz 8. Vorderes Mittelfeld. Damit wäre man vor der Saison wahrscheinlich hoch zufrieden gewesen. Aber dieser super Start hat einfach soviel Lust auf Mehr gemacht.

Jetzt muss man erkennen, dass Sperren und Verletzungen schwerlich adäquat kompensiert werden können. Zum Glück hatten wir bisher kaum ernste Verletzungen, dafür umso mehr Sperren. In der Fairplay-Tabelle liegt man auf Platz 17 mit 33 gelben Karten, nur der SV Meppen hat eine mehr. Im nächsten Spiel gegen Waldhof sind Dressel und Wein gesperrt, das wird Michi Köllner in der defensiven Schaltzentrale vor eine besondere Herausforderung stellen. Vielleicht sollte die Mannschaft auch drauf achten, weniger gelbe Karten zu kassieren.

In der Offensive hängt zu viel von Sascha Mölders und seiner Tagesform ab. Hat er einen schlechten Tag wie gestern, rührt sich vorne kaum etwas. Leider hat es die sportliche Leitung nicht geschafft, ihm einen etwa gleichwertigen Spieler als Unterstützung an die Seite zu geben. Pusic konnte bisher nicht recht überzeugen (Ausnahme der Auftritt in Haching), nach der dubiosen Ankündigung in der Pressekonferenz am Freitag scheinen die Zeichen auf Trennung zu stehen. Linsbichler konnte bisher aus unbekannten Gründen kaum (oder gar nicht?) bei den Profis mittrainieren. So bleibt Djayo die einzige Entlastung für unseren Sascha, von dem mit seinen 36 Lenzen sicher nicht erwartet werden kann, dass er eine Saison mit 38 Spielen quasi ohne Winterpause ununterbrochen auf Topniveau durchspielt.

Das klingt jetzt alles sehr negativ, aber wir sind Achter. Wie die Süddeutsche Zeitung diese Woche berichtete erhielt die KgaA die Corona-Hilfe in Höhe von 800.000 € nicht, weil sie ein UiS ist. Ein Unternehmen in Schwierigkeiten. Dafür stehen wir aktuell wahrlich nicht schlecht da und sportlich sind wir nach wie vor der TSV 1860 und nicht UiS 1860, was ja so mancher vor der Saison prognostiziert hatte. Aber Michi Köllner und die Mannschaft müssen jetzt langsam wieder in die Spur kommen, damit das so bleibt.

 

0 0 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
3 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
andreas de Biasio

und selbst dumme gelbe Karten abgeholt. verdient diese Niederlage so traurig wie in Dresden fand ich auch verdient.

andreas de Biasio

absolut unverständlich 60 bis 70 Minuten geht fast nix absolut erschreckend und enttäuschend. sehr gefährliche sportliche gesammt Lage. kraft? Kondition? Spielaufbau? Standards? alles nicht vorhanden. erdmann (diskutabel keine Frage) aber Einwechslung in der 90 Minute? ernsthaft?