Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel unseres TSV 1860 München beim SSV Jahn Regensburg. Die Sechzger sind beim Tabellenführer zu Gast. Was erwartet die Löwen im Spiel gegen die Oberpfälzer?

SSV Jahn Regensburg gegen den TSV 1860 München, das letzte Aufeinandertreffen der beiden Teams im Jahnstadion endete 1:1 und war eigentlich ein guter Auftakt in die Relegation nach der Saison 16/17. Am Ende stand für die Löwen aus den bekannten Umständen nach der Relegation nicht der Gang in die 3. Liga. Es war die Viertklassigkeit, die nun auf Sechzig zukam. Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Am Sonntag wären wohl alle Löwen mit einem Punkt zufrieden. Aber geht da mehr?

Joe Enochs, seit Mai vergangenen Jahres Übungsleiter des Jahn, setzt immer auf ein 4-2-3-1. Dieses generell sehr beliebte System und die taktischen Möglichkeiten, die es bietet, ist den regelmäßigen Lesern dieser Rubrik gut bekannt.

Die Qualitäten der Regensburger liegen vor allem in der Defensive. Lediglich Saarbrücken, das ein Spiel weniger absolviert hat, hat weniger Treffer kassiert.

Hohes Pressing, das – vor allem zu Beginn eines Spieles – auf direkten Ballgewinn ausgerichtet ist, bringt die Gegner oft in Situationen, die schwer lösbar sind. Die Mannschaft von Joe Enochs wechselt jedoch direktes Pressing und Pressing im Raum, das auf Ballgewinn in tiefer gestellten Pressingfallen ausgerichtet ist, sehr dosiert ab. Dadurch wird ein früher Verschleiß im konditionellen Bereich verhindert.

Die dem Pressing angepasste Defensivlinie sieht man bei der Spieleröffnung im gegnerischen Positionsspiel selten tiefer stehen als an der Grenze zum letzten Drittel des Jahn.

Die Rolle des Box to Box Spielers in der Zentrale obliegt dem erfahrenen Kapitän und Ex-Löwen Geipl, der auch in der Regel die Spielsteuerung übernimmt.

Kommen wir aber zunächst zu den statistischen Werten der Regensburger bisher.

Statistische Werte des SSV Jahn Regensburg

  • Ballbesitz: 45%
  • Passgenauigkeit: 74%
  • Defensive Zweikampfquote: 62%
  • Flankengenauigkeit: 33%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 9,69

Wie spielt der Jahn?

Die Regensburger legen großen Wert auf eine stabile Defensive. Die Abwehrarbeit beginnt auf breiter Linie im Sturm. Der Jahn steuert die gegnerischen Angriffe in seine variabel aufgestellten Pressingfallen oder greift vor allem zu Beginn einer Partie früh und hoch direkt an, um den Gegner nach Ballgewinn hochpräzise und mit gewaltigem Tempo über Umschalt- oder Konterspiel regelrecht zu überfallen. Vor allem in den Umschaltmomenten in beide Richtungen müssen die Spieler des TSV 1860 München im Spiel gegen Jahn Regensburg hochkonzentriert und mit vollem Einsatz agieren.

Offensive

In der Offensive spielt nach wie vor die vertikale Achse Geipl – Viet – Ganaus im Zentrum die erste Geige. Das Regensburger Spiel ist im letzten Drittel darauf ausgerichtet, einen Flügel stark zu überladen und dort dann entweder über intelligentes Kombinationsspiel oder mithilfe präziser Flanken sowie Seitenwechseln an der Zonengrenze das Zentrum entweder direkt oder in Folgeaktionen zu bedienen.

Eine hohe Ballbesitzquote ist nicht notwendig, um mit dieser Art Fußball erfolgreich zu sein.

Durch das Gardemaß einiger Spieler sind die Oberpfälzer zusätzlich bei Standardsituationen nicht zu unterschätzen. Auch wenn die Torausbeute der Regensburger hier klar besser sein könnte, sind sowohl Ecken als auch Freistöße in Strafraumnähe größtenteils präzise.

Trotz deutlich weniger eigenem Ballbesitz bringen die Regensburger mehr ihrer Angriffe ins letzte Drittel als die Gegner.

Spielt sich Regensburg über Positionsspiel ins letzte Drittel des Gegners, formiert sich dort meist eine ballfern asymmetrische 3-4 Formation mit weit vorgeschobenen Außenverteidigern und einem sehr offensiv agierenden Box to Box Spieler.

Defensive

Die Pressinglinie agiert situativ, vor allem in der Anfangsviertelstunde der jeweiligen Halbzeit, direkt auf Ballgewinn. Danach wird in der Regel darauf gesetzt, den Gegner dazu zu zwingen, die Pressingfallen zu bespielen.

Dort holen sich Enochs Spieler aufgrund des sehr guten Stellungsspiels häufig ohne Problem den Ball wieder und starten die Gegenattacke. Jahn Regensburg fängt in Liga 3 die meisten Pässe ab.

Auch vor direkten Zweikämpfen zieht die Defensive des Jahn nicht zurück. Aus dem oberen Drittel der Tabelle ist Regensburg hinter Ulm die Mannschaft mit den zweitmeisten Zweikämpfen gegen den Ball.

Das Vertrauen in das Funktionieren der Pressingfallen könnte allerdings nicht größer sein. Die Balleroberungsquote der Regensburger bei Bällen in die tiefen Pressingfallen ist auf Topniveau. Die Gegner kommen gegen den SSV insgesamt sehr selten selbst zum Schuss. Häufig erfolgen die Versuche auch von außerhalb der Box des Jahn.

Stärken und Schwächen des 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege, um einen Spieler zu doppeln, relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen, wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorne ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich dadurch für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Wie kann man Regensburg knacken?

Wenn der TSV 1860 München die Offensive im Positionsspiel nicht überlädt, holt man gegen die Defensivkünstler von Jahn Regensburg nicht viel. Man muss personelle Überzahl schaffen, um die Oberpfälzer in deren Defensivzone zu beschäftigen.

Die Absicherung der eigenen Angriffe darf wegen den immer möglichen und wie oben beschrieben meist überfallartig vorgetragenen Gegenangriffen nicht vernachlässigt werden. Taktisch vorsichtig handelnd und immer im Fluss auf der horizontalen Ebene mit dem Ball verschiebend, müssen die Spieler, die hinten absichern, stets voll konzentriert sein, falls Regenburg die Kugel erobert und eine Umschaltattacke startet.

Es wäre wichtig, dass man es schafft, Regensburg ins Positionsspiel zu zwingen. Dann werden deren Aktionen oft statisch und vorhersehbar. Da die Oberpfälzer jedoch immer mutig agieren und genau wissen, wann sie in ihrer eigenen Defensive eine Blöße geben können, um mehr Personal in der Offensive aufbieten zu können, darf man sich, selbst wenn der Positionsaufbau beim Jahn hin und wieder träge wirkt, nicht täuschen lassen. Plötzlich zündet der Regensburger Turbo auch im Positionsspiel und der Jahn geht ab wie die Feuerwehr. Steht man stabil und das Stellungsspiel ist stimmig, quälen sich die Oberpfälzer im Positionsspiel jedoch oft. Dann tut der Jahn sich schwer, die Box erfolgreich zu penetrieren.

Schlüsselspieler

Tor

Der 22-jährige Felix Gebhardt (#1) ist zurecht der Spieler mit dem höchsten Marktwert beim Jahn. Topreflexe, fast perfekte Strafraumbeherrschung und nach wie vor auch noch keine verlorene eins gegen eins Situation sind Merkmale die zeigen, dass Gebhardt nicht umsonst auf Platz 3 in der Torhüter Rangliste der 3. Liga steht. Acht Mal in 24 absolvierten Spielen konnte er bisher die Null halten. Nach einer Meniskusverletzung, die ihn acht Spiele lang außer Gefecht gesetzt hatte, ist er seit vier Wochen wieder der Garant für Stabilität zwischen den Pfosten des Jahn.

Abwehr

Louis Breunig (#16), Leihgabe aus Nürnberg, ist der defensive Schlüsselspieler in der Innenverteidigung. Breunig gewinnt 78% seiner Defensivduelle. Auch Konrad Faber (#11) auf der rechten Außenbahn, der immer wieder mit Tempo das Spiel dort antreibt, ist ein wichtiges Puzzleteil – vor allem im Spiel nach vorne beim SSV Jahn Regensburg. Faber ist immer noch der Spieler mit den meisten Ballkontakten beim Jahn. Die rechte Seite bearbeitet er über die komplette Spielfeldlänge. Er schlägt zudem die meisten Flanken der Liga.

Kürzlich verletzt war Abwehrchef Florian Ballas (#4). Er hat mit 1,96 m Größe neben seinen Qualitäten auf dem Boden obendrein ein großartiges Kopfballspiel. Im Positionsspiel der Oberpfälzer eröffnet er den Großteil der Angriffe. Ob Ballas nach seiner leichten Blessur von Anfang an Spielen kann, wird man sehen. Vergangene Woche war er nicht im Kader.

Mittelfeld

Kapitän Andreas Geipl (#8), aus Heidenheim an die Donau gewechselt, ist der kreative Kopf im Mittelfeld. Er steuert die Angriffe des Jahn. In der Rolle des Box to Box Spielers agiert er als zurückgezogener Spielmacher aus der Tiefe des Raumes.

Er wurde unter anderem beim TSV 1860 München ausgebildet, hat in der 2. Liga 131 Einsätze für Heidenheim und den Jahn absolviert. Nach einer Saison, in der er vom letztjährigen Bundesligaaufsteiger aus Baden-Württemberg kaum eingesetzt worden war, kehrte er wieder an die Donau zurück und spielt dort die tragende Rolle im Zentrum des Spielfelds. Als der offensivere der beiden Sechser ist er Herz und Kopf der Mannschaft.

Der linke Außenbahnspieler Dominik Kother (#27), eigentlich gelernter Stürmer, ist zusammen mit Ganaus der beste Torschütze der Regensburger. In direkten Duellen schwer zu stoppen, hat der schnelle 24-Jährige einen starken Drang von außen ins Zentrum und rückt oft als zweiter Stürmer neben Ganaus in die Spitze. Dort besticht er mit offensivem Durchsetzungsvermögen und genialer Zusammenarbeit mit Viet und Ganaus.

Sturm

Noah Ganaus (#20) wird im Sturmzentrum als Ziel- oder Wandspieler eingesetzt. So wie er Bälle festmacht und wieder in den Rückraum auf seine Mannschaftskollegen abgibt, wirkt er trotz seines jungen Alters (23) wie ein erfahrener Zielspieler. Wie Kollege Kother hat er auch schon zehn Treffer erzielt

Fazit

Mit viel Einsatz, ohne Eigensinn und mit breiter Brust muss man beim Jahn auftreten, um dort etwas Zählbares mitzunehmen. Die als Favorit ins Match gehenden Hausherren muss man aggressiv und bestimmt bespielen, dann können sie anfangen zu wackeln.

Die Löwen müssen eine geschlossene Mannschaftsleistung mit höchster Konzentration gegen den Ball zeigen, um den Oberpfälzern Paroli zu bieten.

Die Mannschaft des Jahn mit den eigenen Mitteln zu schlagen, könnte ein Rezept sein, das aufgeht. Präzises Umschalt- und Konterspiel wird gegen die Domstädter effektiver sein als sich mit viel Ballbesitz im Positionsspiel müde zu laufen, um dann dem Jahn, der im Umschaltspiel das Non Plus Ultra der Liga ist, ins Messer zu laufen.

Die Mannschaft des TSV 1860 München wird von Trainer Giannikis sicherlich den richtigen Matchplan bekommen, um gegen Jahn Regensburg erfolgreich zu sein. Ob das am Ende umsetzbar ist, werden wir nach der Partie wissen.

So könnte Regensburg beginnen

Datenquelle: Wyscout

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