Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels Rot-Weiss Essen – TSV 1860 München (2:2). Im Traditionsduell teilten sich die Kontrahenten – am Ende glücklich für die Hausherren – die Punkte.

Rot-Weiss Essen – TSV 1860 München, Tradition pur an der Hafenstraße in der Ruhrmetropole. Am Ende ein Spiel, das für die Hausherren glücklich 2:2 unentschieden endete.

Christoph Dabrowski, Trainer der Essener, schickte wie erwartet sein Tam im 4-2-3-1 auf den Platz. Bei eigenem Ballbesitz verschob sich das im letzten Drittel vor dem gegnerischen Tor auf ein 4-3-3, gegen den Ball im eigenen letzten Drittel auf 4-5-1.

Gegen den Ball setzten die Essener die Pressinglinie zunächst in der Mitte des Spielfelds, etwa ab Höhe des Mittelkreises oder knapp davor und die Defensivlinie ebenfalls tief. Bis zum eigenen Rückstand wurde das auch nicht verändert. Erst nach der Führung des TSV 1860 München ging Rot-Weiss Essen dazu über, die Löwen auch mal hoch anzulaufen und die eigene Defensivlinie auch weiter nach vorne zu schieben.

Die Löwen wurden von Maurizio Jacobacci im 3-5-2 (3-4-1-2) aufs Feld geschickt. Lex und Steinhart waren als Schienenspieler auf den Flügeln eingeplant. Startelfdebütant Cocic bekam die Rolle als Spielgestalter hinter den Spitzen.

Die Sechzger legten das System gegen den Ball ein klein wenig asymmetrisch an. Situationsbedingt verschob sich das System also in der Rückwärtsbewegung nicht immer zur flachen Fünferkette, sondern so, dass Lex auf der rechten Seite leicht versetzt vor Lang, der ebenfalls situationsabhängig den Flügel hielt, verteidigte. So war also die rechte Defensivseite, über die die Mehrzahl der Angriffe der Hausherren lanciert wurde, auf der Außenbahn oft doppelt besetzt.

Die Pressinglinie agierte bei den Löwen zu Beginn der Partie sehr hoch. Nach dem Gegentreffer ging es bis zur Halbzeitpause nicht ganz so aggressiv weiter und man gestattete Essen zu Gunsten der eigenen Kompaktheit mehr Raum im Spielaufbau. Die Defensivlinie legten die Löwen zunächst auf mittlerem Niveau.

Vor der genaueren Analyse wie immer die statistischen Werte der Kontrahenten.

Wichtige statistische Werte im Spiel Rot-Weiss Essen – TSV 1860

  • Ballbesitz: TSV 1860 43% – RWE 57%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 76% – RWE 81%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 62% – RWE 68%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 8/4 – RWE 11/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 8,95 – RWE 9,75

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz/Passgenauigkeit

Ballbesitz und Passgenauigkeit hängen wie so oft zusammen, von daher handeln wir beide Werte heute gemeinsam ab. Die Ursache der Ballbesitzvorteile von Rot-Weiss Essen gegenüber dem TSV 1860 München liegt vor allem in der Essener Ideenlosigkeit und dem Spielverlauf während der zweiten Spielhälfte. Wie meistens sind es die Querpässe in der eigenen Defensivabteilung während des behäbigen Spielaufbaus der Hausherren, die sowohl Passgenauigkeit als auch Ballbesitz bei Rot-Weiss Essen bevorteilen.

Sobald die Sechzger in Ballbesitz waren, wurde bis auf wenige Ausnahmen meist zügig der Weg in die gegnerische Spielfeldhälfte gesucht.

Wer schnell und direkt von hinten heraus spielt und nicht 100 (!) Querpässe in der eigenen Defensivabteilung fabriziert, hat logischerweise eine schlechtere Passgenauigkeit und eine schlechtere Ballbesitzquote zu verzeichnen.

Vergleicht man die Passperformance der Spieler, die für die Offensive zuständig sind, haben der TSV 1860 München und Rot-Weiss Essen insgesamt quasi eine ausgeglichene Bilanz.

Defensive Zweikampfquote

Obwohl die Löwen insgesamt eine deutlich schlechtere Quote bei den Zweikämpfen gegen den Ball haben, liegen sie bei der absoluten Zahl an gewonnen Defensivzweikämpfen nur um zwei verlorene Zweikämpfe schlechter als die Gastgeber.

Entscheidend dafür, dass trotz niedrigerer Zweikampfquote und weniger geführten Zweikämpfen die Löwen gegen den Ball den Essenern trotzdem Paroli bieten konnten, war das deutlich bessere Stellungsspiel der Löwen. Mit rund 55% mehr abgefangenen Pässen hatte der TSV 1860 gegenüber Rot-Weiss Essen die klar bessere Raumaufteilung in der Defensive.

In der eigenen Box verloren die Sechzger zudem keinen einzigen Zweikampf am Boden und nur einen einzigen in der Luft. Trotzdem gab es zwei vermeidbare Gegentore.

Schüsse/aufs Tor

Die Löwen schossen acht mal, davon gingen die Hälfte, nämlich vier Schüsse so aufs Tor, dass der Essener Torhüter Golz Arbeit bekam. Zwei der Schussversuche waren drin. Erfreulich dabei ist, dass alle Schüsse des TSV 1860, auch die beiden von außerhalb der gegnerischen Box, nicht geblockt werden konnten.

Ein weiterer erfreulicher Fakt ist, dass alle Schüsse der Sechzger aus zentraler oder halbzentraler Position abgefeuert wurden. Mit etwas mehr Genauigkeit von Deichmann und Greilinger in Minute 37′ und 70′ führt der TSV vor der Schlussphase mit drei Toren gegen Essen und fährt dort einen verdienten Sieg ein. Leider kam es anders.

Trotzdem muss man anerkennen, dass eine Schussgenauigkeit von 50% ein starkes Statement ist.

PPDA

Warum die Werte des Index für die Pressingintensität sind wie sie sind, könnt Ihr bereits der Einleitung entnehmen; ich werde mich da nicht wiederholen.

Auffällig war, dass die Hausherren bis zum eigenen Rückstand wenig Forechecking spielten und so dem TSV 1860 bis fast zur Mittelline Raum ließen, das Positionsspiel voranzubringen und hinter der vordersten Linie trotzdem genug Räume für lauffreudige Löwen zu finden waren. So musste der TSV 1860 nicht selbst behäbig mit Ballgeschiebe in der eigenen Defensivreihe agieren.

Mit präzisen Angriffen konnten die Sechzger trotz weniger Ballbesitz im Spiel öfter in den gegnerischen Strafraum eindringen und insgesamt übrigens doppelt so viele Ballkontakte dort verzeichnen als Essen in der Box der Löwen.

Die Tore

Hier könnt ihr die Tore und die Highlights der Partie noch einmal ansehen.

Das erste Gegentor nach einer eigenen Ecke durch einen Konter zu fangen, ist wieder einmal absolut unnötig gewesen.

Nach dem Befreiungsschlag in die Mitte des Spielfelds rücken die Essener schneller auf als es die Hintermannschaft der Löwen schafft, sich in die langsame Restverteidigung bestehend aus Steinhart und Moll wieder einzugliedern. Steinhart verpasst beim Rausrücken den Kopfball gegen Young. Es laufen nun drei Essener gegen den einsamen Moll auf Kretzschmar zu. Youngs gewonnenes Kopfballduell bringt die Kugel zu Berlinski, der sofort wieder steil auf den durchstartenden Young spielt. Dieser läuft allein auf den Torhüter zu. Den ersten Schuss verhindert der Ersatzkeeper der Löwen bravourös im Eins gegen Eins gegen den an diesem Nachmittag in mehreren Situationen glücklosen Young. Beim darauffolgenden Schuss von Harenbrock war er dann jedoch chancenlos.

Noch ein Wort zum Ausgleichstreffer. Vermutlich hätte Kretzschmar den Ball abgefangen, wenn Verlaat seinen Fuß nicht hinhält. So fälscht der Verteidiger das Spielgerät unglücklich zu Engelmann ab, der per Kopf einnetzt.

Die Aktion von Verlaat sehen in den sozialen Medien viele Beobachter wieder als Fehler an. Aber seht euch die Entstehung des Treffers mal genau an. Das Problem ist nicht die Aktion von Verlaat, auch wenn das am Ende die Vorlage für Engelmann ist. Das Problem war, dass Steinhart, der eigentlich in einer guten Position vor Engelmann steht, diesen seinem Mitspieler Greilinger überlässt. Dieser kam allerdings an dem im Vergleich zu ihm hünenhaften Essener nicht vorbei, um den Ball selbst per Kopf zu klären.

Das fiel auf

Ein mutiger Milos Cocic zeigt einen beherzten Auftritt, bei dem ihm nicht alles gelingt, von dem er aber doch viel Positives aus der Partie mitnehmen kann. Vor allem gegen den Ball mit nur einem verlorenen Defensivzweikampf war Cocic sehr präsent, und mit einer Quote von 66% angekommener Pässe ins letzte Drittel hatte Cocic bei vielen Angriffen der Sechzger entscheidend seine Füße im Spiel.

Yannick Deichmann ackert nach wie vor wie ein Besessener. 100% gewonnene Defensivzweikämpfe, ein Tor, eine Schussvorlage. Unbedingt halten, den Mann. Sofern er kein Angebot aus einer höheren Liga hat, muss Deichmann zu halten die oberste Priorität bei der Kaderzusammenstellung haben.

Späte Gegentore, die eine Party am Ende verhindern, sind das Kreuz, das der TSV 1860 München dieses Jahr mit sich herumschleppt. Von den insgesamt 49 Gegentreffern, die der TSV 1860 bis dato hinnehmen musste, fielen mit 16 fast 33% in der Schlussviertelstunde.

Fazit

Ein glücklicher Punkt für die Hausherren, die mit dem Last-Minute-Ausgleich wie im Hinspiel noch einmal den Kopf aus der Schlinge zogen.

Die jungen Spieler im Team des TSV 1860 drängen in die Stammelf: Cocic (19), Greilinger (22) und Lang (20). Wenn man es schafft, mit Wörl, der, ebenso wie Deichmann, zu den Schlüsselspielern bei den anstehenden Verlängerungen gehört, ein neues Arbeitspapier auszuhandeln, sehe ich optimistisch in die Zukunft.

Datenquelle: Wyscout

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Urloewe

Ich denke doch, dass Deichmann weg sein wird.
Bei Wörl gibt es noch Hoffnung.
Für mich ganz glasklar unsere beiden wertvollsten Spieler.

Hätte man wohl im Herbst, als es gut lief schon verlängern können.
Warum Gorenzel den Wörl so ignoriert hat und der quasi umsonst spielen musste, werde ich nie verstehen.
Hat mir bisher auch keiner schlüssig erklärt.