Schon im fünften Jahr hintereinander blicken die sechzger.de-Redakteure am Ende der Spielzeit in einem Saisonrückblick aus ihrer ganz persönlichen Perspektive zurück auf das, was hinter uns liegt. Heute blickt Peter Gratz zurück auf seine erste Saison als Redakteur.

Saisonrückblick von Peter Gratz

Welches war Dein Löwenspiel der Saison?

Sportlich gesehen das Heimspiel inklusive Sieg gegen Aachen in der Rückrunde. Bei bestem Wetter einen etwas glücklichen Sieg zu feiern, mit dem man eigentlich nicht mehr gerechnet hatte. Das ist einem nicht so oft vergönnt. Endlich war uns einmal das Glück hold und nicht dem Gegner, der Lucky Punch auf unserer Seite. Jubel beim Siegtreffer gegen Aachen 24/25Aus irgendeinem Grund waren auch die Torjubel für ein Heimspiel überdurchschnittlich emotional. Zusätzlich war die Stimmung rund ums das Spiel durchwegs positiv, die Fanlager verstanden sich gut und es war anscheinend für alle ein Wochenende zum genießen.

Wenn man mehr das “Drumherum” in den Blick nimmt, teilen sich die Auswärtsspiele in Verl/Osnabrück/Mannheim den ersten Platz. Die Gründe für die ersteren werden im Folgenden noch erläutert bzw. habt ihr bei Christian schon gelesen. Mannheim war nicht nur aufgrund von Stimmung und Spiel so besonders, sondern speziell aufgrund der besonders kulinarisch herausragenden Busfahrt unter Leitung der Sexikaner!

Wer war Dein Spieler der Saison?

Nachdem in dieser Rückblicks-Rubrik immer eher die Rückrunde im Fokus ist, steht bei mir diese Spielzeit Sean Dulic ganz oben. An seinem Beispiel konnte man live mitverfolgen, was passieren kann, wenn man einem Talent Vertrauen und Spielzeit schenkt. Nachdem er, besonders bedingt durch die Verletzung von Raphael Schifferl, einen Platz in der Innenverteidigung erobert hatte, steigerte er seine Leistungen von Spiel zu Spiel und ist für mich nicht mehr aus unserer Defensive wegzudenken.

Dulic Sean TSV 1860 U21

An der Seite von Jesper Verlaat reifte der Junglöwe zu einem absoluten Stabilitätsgaranten im defensiven Zentrum und war für mich in der Rückrunde mehrmals der beste Löwe auf dem Platz. Seine technischen Fähigkeiten und Schnelligkeit standen nie in Frage, aber seine Körperlichkeit und Cleverness im Zweikampf hat er nochmal auf ein neues Level gehoben. Mit welcher Ruhe eine junger Spieler plötzlich agieren kann, wenn er Vertrauen spürt und seine Erfahrungen machen kann, zeigte sich für mich in eher verteidigeruntypischen Situationen. Während Sean in Aue noch etwas überhastet auf der Außenbahn agierte und mehrere Flanken auf die Tribüne jagte, blieb er daheim gegen Cottbus in der Offensive so cool, dass er mit Patrick Hobsch die gesamte gegnerische Mannschaft überspielte und als Innenverteidiger überlegt einen Treffer vom linken 16er Rand vorbereiten konnte.

Was oder wer war für Dich die Überraschung (positiv/negativ) der Saison?

Da man beim TSV nie wirklich weiß, was man bekommt, ist es schwierig mit den Überraschungen. Auf der positiven Seite ist natürlich Sean Dulic, über den ich ja schon genug geschrieben habe. Auch die Entwicklung der U21, die bis zum Ende im Meisterschaftsrennen der Bayernliga dabei war, sowie der U19 mit ihren mehr als respektablen Auftritten in der Meisterrunde der DFB-Nachwuchsliga, sind für mich positive Ausreißer nach TSV 1860 München U21 Feiert Mit Fans Nach Sieg Beim FC Deisenhofenoben. Außerdem haben ausnahmsweise endlich einmal die Winterneuzugänge funktioniert. Sowohl Dickson Abiama als auch Anderson Lucoqui waren/sind absolute Verstärkungen und waren nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken. Hoffentlich kann man zumindest einen von beiden halten!

Negative Überraschungen gab es leider auch zuhauf. Auf Spielerebene sind hier besonders Fabian Schubert, Raphael Schifferl und René Vollath zu nennen. Keiner der drei konnte die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen, besonders Ersterer enttäuschte leider auf ganzer Linie und ließ mich ratlos zurück. Ergebnistechnisch steht natürlich das erneut frühe Ausscheiden im Toto-Pokal ganz oben, mittlerweile ist dieses Ereignis aber leider keine wirkliche Überraschung mehr… Abschließend muss ich noch die Einsatzbilanz der Eigengewächse aus dem Nachwuchs anmerken. Besonders nach den Ankündigungen der Geschäftsführung, mehr auf die Jugend setzen zu wollen, hatte ich mir mehr Vertrauen und damit auch Spielzeit für unsere Junglöwen erhofft. Was man damit gewinnen kann, sieht man am Beispiel Dulic eindrucksvoll.

Was war für Dich das schönste Tor der Saison?

Am besten gefallen hat mir dieses Jahr der Freistoß von Maximilian Wolfram in Köln, durch den wir das Spiel noch drehen konnten. Vor Ausführung habe ich den Ball schon drin gesehen, rechts oben, da war ich mir sicher. Den Rest könnt ihr hier genießen:

Am Ende stand Platz 11. Bist Du zufrieden mit dieser Saison?

Bei der Antwort auf eine solche Frage gibt es natürlich zwei Antworten, die aus dem Herzen und die aus dem Kopf heraus. Das Herz ist natürlich unzufrieden mit dieser Spielzeit und will, dass die Löwen immer im Aufstiegsrennen mitspielen, das Grünwalder Stadion zu einer Festung machen und die Mannschaft sich 24/7 den Arsch aufreißt für den Löwen auf der Brust. Dass es das natürlich nicht immer spielen wird, ist auch klar und so ist der Kopf froh über die Verbesserung im Vergleich zur letzten Saison und freut sich, dass es zumindest Phasen gab, in denen der TSV wie eine Spitzenmannschaft agierte.

Anzeigetafel gegen Cottbus 24/25        Anzeigetafel gegen Verl 24/25

Mit den ganzen Querelen im Verein und dem riesigen Umbruch zu Saisonbeginn plus einem Trainerwechsel mitten in der Saison ist Platz 11 durchaus in Ordnung. Besonders da man die in den letzten Spielen verlorenen Punkte durchaus der fehlenden Relevanz der Spiele zumessen kann. Wenigstens wurde da fleißig Punktprämie gespart. Die desaströse Heimbilanz in der Hinrunde ist etwas, was mich eher nachdenklich stimmt. Eine wirklich schlüssige Erklärung dafür gibt es wahrscheinlich nicht, man kann nur auf Besserung hoffen…

Wie schätzt Du die Arbeit von Patrick Glöckner und seinem Trainerteam ein?

Grundsätzlich positiv mit gewissen Ausreißern in beide Richtungen. Besonders gefallen hat mir die Ruhe und Besonnenheit des Teams im Zuge der Übernahme zu einem sehr schwierigen Zeitpunkt. Auch die Fokussierung auf das Wesentliche, die Betonung der emotionalen Werte und eine gute Kommunikation nach Außen tragen zu dieser Bewertung bei. Spielerisch konnte mit einer “weniger-ist-mehr” Einstellung wieder phasenweise ansehnlicher Fußball geboten werden. Auch das Selbstvertrauen konnte zurückgebracht werden, besonders zu sehen an David Philip, der zu Saisonende häufig starke Impulse von der Bank bringen konnte und uns den Sieg gegen Aachen bescherte.

Was mir nicht gefällt, sind die Auswechslungen und die damit einhergehende fehlende Spielzeit für junge Spieler. Ich bin kein Experte, aber verstehe die Wechselentscheidungen der letzten beiden Trainer oftmals überhaupt nicht. Auch das weitgehende Ignorieren von Mike Gevorgyan macht mir etwas Sorgen, nicht nur für den Spieler selbst, sondern auch als Signal für die Junglöwen in der Akademie. Etwas enttäuscht hat mich auch die Einstellung in den letzten Saisonspielen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass es Glöckner schaffen würde, die Spannung hochzuhalten…

Alles in allem bin ich sehr froh um die Fortschritte, die wir unter Patrick Glöckner und Co. in dieser Saison gemacht haben. Ich bin noch etwas skeptisch, ob er, auch mit den hochkarätigen Neuzugängen, die Mannschaft nun spielerisch auf das viel zitierte “nächste Level” heben kann. Ich wünsche mir natürlich, dass es klappt, denn Kontinuität auf den wichtigen Positionen braucht der TSV ja wie einen Bissen Brot!

Was wird Dir von der Saison 2024/25 besonders in Erinnerung bleiben?

Sportlich eher wenig, die desaströse Niederlage in Saarbrücken inklusive Umdrehen im Block wahrscheinlich am ehesten. Persönlich werde ich Osnabrück nicht vergessen, aus unerfindlichen Gründen stellte die Bremer Brücke seit mehr als 10 Jahren einen fußballerischen Sehnsuchtsort dar, den ich nun endlich besuchen durfte. Auswärtsblock in Osnabrück 24/25

Abseits des grünen Rasens gab es aber einiges, was die vergangene Saison zu etwas sehr besonderem macht. Besonders die neu gewonnene Rolle als Redakteur inklusive gemeinsamen Auswärtsfahrten, Tankstellenanalysen und unserer Spruchbandaktion in Verl, ist etwas, was ich nicht mehr missen möchte. Auch war diese Spielzeit, die mit Abstand intensivste meiner “Fankarriere”. Spruchband an der Theke in Verl 24/25Alle Auswärtsspiele wurden besucht und unzählige Stunden mit Freunden und Bekannten in Zügen, Bussen und Autos verbracht. Die Rolle, welche der TSV 1860 mittlerweile in meinem Leben spielt, hat eine Größe erreicht, welche ich mir in der Vergangenheit nicht hätte träumen lassen.

Was rechnest Du Dir in der kommenden Saison mit den Rückkehrern Volland, Niederlechner und Jakob aus?

Jetzt noch einen Toptorhüter plus eine Granate auf der offensiven Außenbahn und dann schießen wir im klassischen 4-4-2 a la Werner Lorant die Liga kaputt und steigen souverän auf!

Aber im Ernst: Ich glaube wirklich, dass man nächste Saison ganz oben angreifen kann. Mit diesen zwei Stürmern hat man wahrscheinlich die stärkste Offensivabteilung der Liga – aber halt auch nur für eine begrenzte Zeit. Sportchef Werner ist mit diesen Transfers all-in gegangen und möchte anscheinend sofort gewinnen. Mit großen Namen nach Großem streben. Wenn man um diese Speerspitze ein fähiges, junges Team aufstellt und nicht wieder den halben Kader austauscht, traue ich unserer Mannschaft viel zu. Andererseits sind wir aber natürlich immer noch bei Sechzig. Wenn ein guter Plan scheitern kann, dann in jedem Fall an der Grünwalder Straße 114.

Von welchem Spieler erwartest Du Dir in der Saison 2025/26 besonders viel?

Natürlich von Kevin Volland, wie sollte es zu diesem Zeitpunkt auch anderes sein? Mit 32 ist er noch in einem gutem Fußballeralter und kommt, trotz zwischenzeitlicher Verletzung und wenig Spielpraxis, direkt aus der Bundesliga nach Giesing. Anlaufschwierigkeiten wird es sicher geben, nachdem er in 24/25 so wenig auf dem Platz gestanden ist. Doch wenn man vor zwei Jahren noch in der Champions League getroffen hat, sollte es für Liga 3 doch locker reichen. Ich hoffe auf einen Sascha Mölders-Effekt und träume wieder von Torschützenkönigen in weiß-blau. Förderlich könnte auch sein, dass nach der Verpflichtung von Florian Niederlechner nicht die gesamt Last nur auf seinen Schultern liegt.

Unabhängig vom sportlichen Wert hoffe ich, dass die durch seine Rückkehr ausgelöste Euphorie eine einende Kraft auf die Fangemeinde ausüben kann und der gemeinsame Fokus auf dem Wirken der neuen/alten Nummer 31 liegen wird, anstatt sich wieder und wieder in Grabenkämpfen zu verlieren.

Was ist Dein dringendster Wunsch in Bezug auf den TSV 1860?

Dass sich die Gemengelage in eine Richtung entwickelt, in der langfristig geplant und einzig und allein zum Wohle des Vereins gearbeitet werden kann und wird. Persönliche Befindlichkeiten und Ambitionen müssen hinten angestellt werden, wenn es um die Arbeit im und für den Verein geht, egal ob dies nun im e.V. oder in der KgaA ist. Ich hoffe, die Euphorie, welche jetzt schon spüren ist, kann in die nächste Saison mitgenommen werden und man reißt nicht mit dem Arsch wieder alles ein, was man vorher mühsam mit den Händen aufgebaut hat. Ruhe und sachliche Arbeit anstatt öffentliche Querelen und strategische Schnellschüsse!

Bisher erschienene Saisonrückblicke der sechzger.de-Redaktion auf die Saison 2024/25:

Thomas Enn
Christian Jung
Thomas Spiesl
Stefan Kranzberg

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