Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel unseres TSV 1860 München gegen den SC Verl in Paderborn. Michél Kniat ist seit Februar diesen Jahres Trainer in Verl und setzt die Vereinsphilosophie offensiv Fußball spielen zu wollen auch in dieser Saison um. Mit einem Sieg hat es dennoch für den Sport Club in den bisherigen drei Spielen noch nicht gereicht.

SC Verl gegen den TSV 1860, der Spitzenreiter zu Gast beim Tabellensechzehnten. Noch ist die Tabelle nicht aussagekräftig. Da es aber einige Zeit her ist, dass wir uns Spitzenreiter nennen durften, benutze ich diesen Terminus gerne.
4-3-3 offensiv, 4-4-2 Raute und 4-3-3 defensiv waren die bisherigen Startformationen des SC. Aufgrund dessen, dass Michél Kniat’s Mannschaft am Mittwoch in Dresden Sapina wegen eines Platzverweises verloren hat, rechne ich am ehesten mit dem 4-3-3 offensiv. Die Art und Weise, wie Verl Gegner beschäftigt, wenn sie den Ball haben, hängt allerdings nicht mit dem System zusammen.

Im Sommer hat Verl einen argen Aderlass am Kader erlitten. Dieser konnte aber qualitativ relativ gut mit klugen Verpflichtungen aufgefangen werden. 21 neue Spieler stehen im Verler Kader, der im Gegenzug 18 Abgänge zu verzeichnen hatte.

Bevor ich genauer auf die Verler Spielweise eingehe wie immer die Statistiken, auch wenn diese noch kaum Aussagekraft haben.

Statistische Werte des SC Verl

  • Ballbesitz 53%
  • Passgenauigkeit 81%
  • Defensive Zweikampfquote 64%
  • Flankengenauigkeit 32%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 6,74

Wie spielt der SC Verl?

Mit Ball

Bei eigenem Ballbesitz konzentriert sich das Spiel der Verler nicht mehr so auf die Flügel wie noch unter Kniats Vorgänger Capretti. Generell immer noch etwas rechtslastig kommt die größte Gefahr, die Verl ausstrahlt, mittlerweile aus dem Zentrum. Angriffe, die dort ihren Ausgangspunkt haben, sind diejenigen, bei denen Verl die größte Torgefahr entwickelt.

Im Positionsspiel wissen die Verler den Ball sicher in den eigenen Reihen zu halten bis sich die Gelegenheit für einen überfallartigen Durchbruch ergibt. Durch große Bewegungsspielräume für die Offensivspieler bringt Verl Variabilität ins eigene Spiel. Die Variabilität schafft Räume, die dann schnell besetzt werden. So durchbricht Verl dann an den Schnittstellen auf den Halbpositionen die gegnerische Abwehrformation und sorgt für brenzlige Situationen im gegnerischen Sechzehner.

Gegen den Ball

Gegen den Ball sind die Verler keine Kinder von Traurigkeit. Nach Ingolstadt foult Verl bisher am zweithäufigsten. Das 4-3-3 verschiebt sich gegen den Ball zunächst auf 4-2-3-1 und im letzten Drittel auf 4-4-1-1. Die Verschiebungen verlangen also viel Laufarbeit von den Flügelspielern in der Offensive. Im Pressing steht Verl hoch und attackiert den ballführenden Spieler aggressiv, sobald sich die Gelegenheit ergibt. Dadurch versucht Verl erstens lange Wege für die Offensivspieler von vornherein zu unterbinden und zweitens kann ein gutes Pressing Stress auf die Defensivreihe des Gegners ausüben. Diese wird dadurch zu Fehlern gezwungen.

Stärken und Schwächen des 4-3-3 offensiv

Stärken

Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante die Verl auf den Platz bringt – mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteidigern – entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.

Schwächen

Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnutzen können. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld. Verl versucht dieses Manko mit offensiven Flügelverteidigern, die aufrücken, zu kompensieren.

Wie kann der TSV 1860 den SC Verl knacken?

Der Schlüssel zu einem Sieg wird Effektivität in der Box sein. Dass es Strafraumszenen auf beiden Seiten gibt, ist eigentlich bei der Spielweise beider Mannschaften klar. Die Sechzger müssen vor dem gegnerischen Tor hellwach sein.

Gegen den Ball ist es wichtig in keiner der Defensivzonen eine Unterzahl aufkommen zu lassen. Gegen die starken offensiven Verschiebungen beim SC Verl müssen Lösungen gefunden werden. Dazu wird es vermutlich nötig sein, dass die vordere Viererkette des 4-1-4-1 etwas defensiver agiert als bisher.

Schlüsselspieler

Tor

Torhüter Niklas Thiede (#1) kam nun fest zum Sport Club, nachdem er bereits vergangene Saison aus Freiburg ausgeliehen war. Sehr stark ist er bei der Strafraumbeherrschung und auch in Puncto Reflexe hat er kaum Schwächen. Seine schlechte Gegentorquote seit er in Verl unter Vertrag steht liegt klar an den Spielern vor ihm. Thiede hält auch mal einen sogenannten Unhaltbaren. Ein gewisses Talent für Slapstick in gewissen Situationen ist allerdings auch vorhanden.

Abwehr

Daniel Mikic (#4) ist die wichtigste Personalie der Verler in der Abwehrkette. Vergangene Saison kassierte man, als der Innenverteidiger verletzt war, ohne ihn im Schnitt ein Gegentor mehr als mit ihm. Mikic ist ein beinharter Innenverteidiger, der kaum einen Zweikampf gegen den Ball verliert und obendrein noch den Turbo im Gepäck hat. Laufduelle mit ihm zu gewinnen schaffen nur die schnellsten Stürmer in der dritten Liga. Auch in der Spieleröffnung ist Mikic ein wichtiger Teil der Verler. Fast jeder Positionsangriff wird zunächst über ihn eingeleitet. Sein Manko – bei einer Größe von 1,80 m keine Ãœberraschung – ist eine deutliche Unterlegenheit bei Luftduellen.

Mittelfeld

Der defensive Mittelfeldspieler Tom Baack (#5), wie Thiede vergangene Saison noch ausgeliehen und nun aus Regensburg fest verpflichtet, ist offensiv wie defensiv ein wichtiger Baustein beim SC Verl. Seine statistischen Werte in den für diese Position entscheidenden Kategorien, abgesehen von den gewonnenen Kopfballduellen, sind alle überdurchschnittlich. Defensive Zweikampfstärke gepaart mit hoher Passgenauigkeit und einer für diese Position eigentlich ungewöhnlich hohen Dribbelstärke machen Baack offensiv wie defensiv zu einer tragenden Figur.

Kapitän Maël Corboz (#27) ist der Mittelpunkt des Verler Angriffsspiels. Sein genaues Passspiel, die schnelle Auffassungsgabe für sich entwickelnde Spielsituationen, sein Tempo und seine technischen Fertigkeiten bei der Verarbeitung des Spielgeräts sind im Spiel nach vorn Gold wert. Bei Dribblingversuchen kann er sich allerdings kaum durchsetzen. Im Spiel gegen den Ball arbeitet er als vorbildlicher Kapitän fleißig nach hinten mit.

Sturm

Im Sturm hat Verl höchstinteressante Neuverpflichtungen im Kader. Eduard Probst (#9) kommt mit der Empfehlung von 24 Treffern in der vergangenen Saison aus der Regionalliga West. Mit Presley Pululu (#15) kommt ein 20-jähriges Talent vom SC Paderborn. Es gibt außer den weiteren vielen Neuzugängen im Sturm aber auch zwei Stürmer, die in Verl geblieben sind. Einer davon ist Cyrill Akono (#14). Akono war in der Saison 21/22 der treffsicherste Verler aus dem Kreis der noch verbliebenen Spieler des SC. Es sieht wohl so aus, als dass Probst den Platz im Sturmzentrum sicher hat und Akono auf einer der Außenbahnen stürmt. Er ist ein technisch brillianter, passsicherer und dribbelstarker Spieler. Seine Schussgenauigkeit ist sehr hoch und daher ist Akono, wenn er in der Box den Ball hat, immer ein Gefahrenherd. An seine Vorgänger auf der Verler Außenbahn Rabihic und Yildirim kommt er jedoch nicht heran. Christopher Lannert wird sicherlich wissen, wie er mit seinem ehemaligen Mannschaftskameraden umzugehen hat, damit der keinen Stich macht.

Fazit

Auf nach Paderborn, um Verl auswärts zu besiegen! Bisher war für den TSV 1860 München gegen den SC Verl in der Fremde immer nur eine Punkteteilung drin. Dass sich das diesmal ändert, ist die Hoffnung aller Fans des TSV 1860. Falls man auch in Verl den Dreier klarmacht, würde das zwölf Punkte und einen perfekten Saisonstart für die Sechzger bedeuten – und im Gegenzug einen ziemlich verkorksten Start mit nur einem Punkt aus vier Spielen für den SC.

Machbar ist ein Sieg ohne Frage. Dafür muss man aber vor allem den Kampf, den Verl liefern wird, annehmen. Gegen eine Mannschaft, die gegen den Ball keine Gefangenen macht und im Gegenzug bei eigenem Ballbesitz kontrollierten technisch guten Fußball bietet, wird das nicht so leicht sein wie noch am Dienstag gegen Meppen.

Die Gastgeber werden bis zur letzten Minute alles geben. Das ist eine der Lehren, die man aus den bisherigen drei Spielen der Verler ziehen muss.

Solange allerdings unsere Spieler mit der gleichen Konzentration und Leidenschaft ins Match gehen wie gegen Meppen und weiterhin an den kleinen Schwächen arbeiten, die noch zu sehen waren, ist mir nicht bange, dass auch in Verl ein Sieg möglich ist. Es wird allerdings um einiges schwieriger als am Dienstag.

So könnte der SC Verl gegen den TSV 1860 beginnen

Datenquelle: Wyscout

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Benedikt Niedergünzl

Bernd, wie schätzt du Verl bei Standards ein?