Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse nach dem 4:0-Heimsieg unseres TSV 1860 München gegen den SV Meppen. Die Emsländer wurden von Stefan Krämer im 4-3-3 auf den Platz geschickt. Dem entgegnete Michel Köllner wie fast immer das flexible 4-1-4-1. Am Ende hatte Meppen keine Chance gegen abgeklärte und torhungrige Löwen.

TSV 1860 München – SV Meppen – ein einseitiges Spiel mit einem klaren und verdienten Sieger. Die Sechzger verschoben das 4-1-4-1 asymmetrisch im Aufbau. In den meisten Fällen schob Lannert auf der rechten Seite ins Mittelfeld vor, um gegen die Meppener im Mittelfeld Überzahl herzustellen. Durch weitere Verschiebungen aus dem Mittelfeld heraus nach vorne spielten die Löwen dann im letzten Drittel des Gegners mit drei offensiven Spielern in der vordersten Linie. Tallig, Boyamba, Kobylanski und Vrenezi rotierten mit dem jeweiligen Nebenmann auf der horizontalen Linie, beim Eindringen ins letzte Drittel schob dann jeweils der ballferne Spieler auf dem Flügel und auf der ballfernen Halbposition mit zu Lakenmacher, um den Sturm zu komplettieren.

Gegen den Ball war vor allem Joseph Boyamba sehr bemüht, immer wieder mit Tim Rieder auf eine Höhe zu kommen, um so gegen den Ball die Räume vor der Abwehrkette für die Gäste enger zu machen. Taktisch war es wohl so geplant, dass jeweils der ballferne Spieler auf der Halbposition abkippt, um Rieder zu unterstützen, wenn der Gegner den Ball im Mittelfeld führt. Die Automatismen haben sich hier noch nicht ganz gefestigt.

Die Pressing der Sechzger fand zunächst klar im Raum statt. Man wollte Meppen den langen Ball aufzwingen. Meppen tat den Löwen diesen Gefallen und stand nach diesem langen Abspiel meist vor dem Problem, dass sich ein Meppener mit zwei Verteidigern auseinandersetzen musste. In der ersten Viertelstunde hatte der Gast aus dem Emsland keine einzige Ballberührung im Strafraum der Löwen.

Stefan Krämer hatte für Meppen als Grundordnung das 4-3-3 offensiv angedacht. Meppen verschob gegen den Ball dann auf 4-2-3-1. Dabei kippten die Mittelfeldspieler auf den Halbpositionen auf die Sechs ab und die beiden Außenstürmer ließen sich auf die Halbpositionen im Mittelfeld zurückfallen.

Die Meppener Pressinglinie stand zunächst hoch, man versuchte mit vielen Aktionen gegen den Ball Zeichen zu setzen; dies gelang jedoch nicht.

Kommen wir, bevor wir tiefer ins Spielgeschehen eindringen, wie immer zu den statistischen Werten.

Statistische Werte der Partie TSV 1860 – SV Meppen

  • Ballbesitz: TSV 1860 48% – SV Meppen 52%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 80% – SV Meppen 78%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 62% – SV Meppen 55%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 14/8 – SV Meppen 3/0
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 10,08 – SV Meppen 9,25

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Nahezu ausgeglichener Ballbesitz der beiden Mannschaften – wie immer eine Statistik, die den Fan, der das Spiel nicht gesehen hat, trügen kann. Defensive Rück- und Querpässe im Meppener Spiel sorgen für längere Ballbesitzphasen der Gäste in der eigenen Spielfeldhälfte. Der effektive Ballbesitz – also das Spiel nach vorne – war bei Meppen, die immer ein wenig suchen mussten bis sie den vermeintlich freien Mann fanden, mit Geduld verbunden.

Der TSV 1860 München hingegen spielte im Aufbau konsequent direkt und schnörkellos. Das entfacht Stress beim Gegner. Stress führt zu Fehlern. Fehler führen – wie wir gesehen haben – zu Toren.

Passgenauigkeit

Da wären wir dann auch bei der Passgenauigkeit angelangt. Insgesamt trennen die beiden Teams hier nur zwei Prozentpunkte. Dass die Sechzger und Meppen hier fast gleichauf liegen hat ebenfalls das risikoarme Spiel des SVM als Hintergrund. Während die Löwen beim Passspiel vor allem nach vorne spielten, war bei Meppen der Querpass stark angesagt. 35 % aller Meppener Pässe waren Querpässe. Weit über die Hälfte aller Querpässe spielten die Meppener innerhalb des Abwehrverbunds.

30 % weniger Querpässe als Meppen spielten die Löwen im gesamten Spiel. Mit dem sicheren Querpass erobert man sich gute statistische Werte, aber für das Spiel nach vorne bringt er nichts – im Gegenteil. Meistens nimmt man Tempo aus dem Spiel, wenn man quer spielt und verhilft so dem Gegner zur Möglichkeit, Räume besser zu besetzen. Wenn dann beim eigenen Spiel auch noch die Dynamik fehlt und im Positionsspiel wenig Bewegung herrscht, kommt das heraus, was wir von Meppen gesehen haben. Vergebliches Mühen gegen gut gestaffelte Sechzger, die kaum Ballkontakte im eigenen Sechzehner zuließen.

Defensive Zweikampfquote

Nicht nur die Quote bei den defensiven Zweikämpfen, sondern auch deren Anzahl ist immer wichtig in der Analyse. 62 % gewonnene Defensivzweikämpfe sind ein guter Durchschnittswert für den TSV 1860. Meppen hat hier ganz klar unter Ligadurchschnitt performt.

Wichtig ist vor allem, dass auch die verlorenen Zweikämpfe beim TSV 1860 oft zu Ballgewinnen führten, wenn der zweite Mann den Ball dann abfangen konnte, ohne einen Zweikampf führen zu müssen. Hektik in den Meppener Reihen im letzten Drittel der Sechzger spielte den Hausherren hier gut in die Karten.

Bei den Zweikämpfen fallen allerdings die Luftduelle diesmal stark aus dem Rahmen. Nur neunmal ging ein Löwe bei 29 Möglichkeiten als Sieger aus einem Luftduell hervor. Vier der sieben Ballkontakte von Meppen im Strafraum des TSV 1860 waren gewonnene Kopfballduelle. Nur ein gewonnenes Kopfballduell im eigenen Sechzehner ist verbesserungswürdig.

Schüsse

14:3 Schüsse für den TSV 1860 München. Acht der Schüsse gingen auch auf den Kasten der Meppener. Das ist eine signifikante Verbesserung der Schussgenauigkeit im Vergleich zum vergangenen Samstag. Der TSV 1860 München hat am Dienstag Abend neunmal seltener aufs Tor geschossen als am Samstag, aber gleichzeitig dreimal häufiger dem Torhüter Arbeit verschafft. Jeder zweite Schuss, der aufs Tor ging, war drin. Super.

PPDA

Die PPDA hält sich bei beiden Teams im Rahmen. Beide liegen in etwa beim Ligadurchschnitt, der vergangene Saison bei 9,53 lag. Interessant war zu beobachten, dass die Intensität des Pressings bei Meppen nach dem Gegentreffer durch Kobylanski bis zur Pause eher nachließ. Nach der Pause war die Intensität beim Anlaufen bei Meppen wieder auf etwa dem Niveau wie zu Beginn der Partie. Bis zu Lakenmachers Doppelpack hielt Meppen diese auch aufrecht. Danach wurden lieber Kräfte geschont.

Legen wir die Grafiken des PPDA-Verlaufs übereinander, decken sich die Phasen niedriger Intensität beim TSV 1860 mit denen hoher Intensität bei Meppen und vice versa. Interessant ist immer, dass das Anlaufen im Raum, das zur Angriffssteuerung dient, sich wegen fehlender direkter Aktionen gegen den Ball nicht in den Zahlen der PPDA widerspiegelt. Hier hinkt diese Statistik immer hinterher, vor allem dann, wenn die Mannschaften als Lösung für diese Situationen dann den langen Ball auspacken, der folglich in nicht pressingrelevanten Zonen verteidigt wird.

Die Tore

Hier könnt Ihr die Tore und andere Highlights ansehen.

Was fiel auf?

Räume schaffen wir uns selbst

Enge Räume? Kein Problem für die Spieler von Michael Köllner! Mit den oben schon erwähnten Verschiebungen und Positionswechseln schafften die Mittelfeldspieler immer wieder Raum für aus der Tiefe kommende Mannschaftskameraden, indem sie ihren direkten Gegenspieler einige Meter aus der Position zogen. Diese kleinen Verschiebungen brachten dann aufgrund des guten präzisen Passspiels die nötigen Räume, um immer wieder gefährlich tief in die gegnerische Spielfeldhälfte vorzudringen.

Pressingfalle? War da was?

Die Abwehrspieler und Tim Rieder wurden teilweise konsequent von den Meppenern zugestellt, aber nicht aggressiv genug angegangen, wenn sich der Ball beim Positionsspiel der Löwen noch innerhalb des Abwehrverbunds befand. Die Folge waren stetige problemlos durchgeführte Angriffe in Richtung Meppener Strafraum seitens der Löwen. Die oben schon erwähnten dynamischen Verschiebungen innerhalb eines Mannschaftsteils sorgten dafür, dass die Pressingfallen, in die Meppen den TSV 1860 locken wollte, nicht funktionierten.

Rückzugsverhalten

Das Rückzugsverhalten in den Mannschaftsteilen funktioniert trotz der variablen Spielweise in der Offensive bereits nach drei Spieltagen sehr gut. Die kleinen Abstimmungsprobleme, wer wann mit auf die Sechs abkippt, werden sich auch noch geben.

Gefahr von überall für den Gegner.

Acht Tore (und ein Eigentor des Dresdners Ehlers) hat Sechzig in drei Spielen erzielt. Dabei haben sich sechs Spieler in die Torschützenlisten eintragen können. Ebenso viele Spieler haben sich bereits als Vorbereiter hervorgetan. Den Gegnern droht Gefahr aus jedem Mannschaftsteil und von jeder Position.

Kritikpunkt Luftduelle

Es war nicht so, dass Meppen mit einer Truppe von Riesen gegen Zwerge gespielt hätte. Die Luftüberlegenheit der Meppener – vor allem in den beiden Boxen – stimmt mich ein wenig nachdenklich. Mal sehen, ob sich der Trend fortsetzt

Fazit

Nachdem man einen Gegner so beherrscht hat wie gestern der TSV 1860 die Meppener, sollte dieser Sieg und die daraus resultierende Spitzenreiterposition in der Tabelle nicht zu hoch gehängt werden.

Zu Meckern gibt es nichts. Naja, fast nichts. Aus Meppener Sicht darf man sich vermutlich über einen nicht gegebenen Handelfmeter beschweren. Hätte der, falls Hiller ihn nicht gehalten hätte, etwas an dem Ausgang der Partie geändert? Eher nicht. Also Schwamm drüber.

Genauso leidenschaftlich und abgeklärt wie gestern möchte ich die Sechzger auch gegen Verl sehen. Vielleicht tragen sich dann weitere Spieler, die bisher diesbezüglich noch kein Glück hatten, in die Torschützenlisten ein.

Datenquelle: Wyscout

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SteglitzerLoewe

Lieber Bernd,
vielen Dank für die wie immer so treffende Zerpflückung des Spiels!

Nun, wir haben jetzt 3 Spiele in Serie gewonnen, das Transferfenster ist noch offen.
Zeit für die entscheidende Frage: welchen Brasilianer würdest Du uns also empfehlen? 😉

Stefan Kranzberg

Bernd, wieder mal sehr stark. Aber wir haben das Spiel ja gestern schon ausführlich zerpflückt! 🙂

Kos

Hervorragend analysiert!

Gröber

Schade, dass so eine ausführliche Analyse keine Kommentare hat. Verdient hätte sie es. Hat wohl kaum einer Zeit diese zu lesen, weil die ganzen Fußballfans damit beschäftigt sind sich um eine Fahne zu streiten.

Kos

Keine Kommentare zu haben, heißt doch nicht, dass sich niemand dafür interessiert. Es ist nur eben keine Kontroverse, sondern eine Analyse. Außerdem muss, wer mit Bernd Winninger diskutieren will, fachlich schon fit sein.

Florian Huber

Das Spiel an sich ist einfach. Murmel vorne rein. Je mehr man sich damit beschäftigt wird’s halt einfach komplex, und viel zu komplex für 95 Prozent. Daher auch wenig Kommentare. Diese Analysen sind ganz große Klasse, vermutlich Deutschlandweit! Merci hierfür!