Herzlich Willkommen zur TAKTIKTAFEL-Analyse des Spiels TSV 1860 München – Viktoria Köln. In einem in der ersten Halbzeit ausgeglichenen Spiel, blieben bis zur Führung der Münchner Löwen einige Chancen zur Führung auf beiden Seiten liegen. Schlussendlich gewinnen die Giesinger verdient mit 3:0.
Aufgrund der guten Chancen, die der TSV 1860 gegen Viktoria Köln in Halbzeit eins zuließ, fiel das Ergebnis in der Tordifferenz möglicherweise um ein Tor zu hoch aus.
Die systematische Ausrichtung
Michael Köllner, der Coach der Löwen, setzte zum ersten Mal seit Saisonbeginn wieder auf das Erfolgssystem der letzten Saison. Es war deutlich zu erkennen, dass sich die Sechzger von Anfang an in dieser Formation wohler fühlten als in den Systemen mit zwei Stürmern, die in der Vorbereitung getestet wurden und auch in den ersten vier Saisonspielen zum Einsatz kamen. Bis auf Yannick Deichmann auf der Position des rechten Verteidigers standen beim TSV 1860 München nur Spieler in der Anfangsformation, die bereits letztes Jahr im Kader waren. Marcel Bär, bisher der zweite Stürmer neben Kapitän Sascha Mölders, musste zunächst auf der Ersatzbank Platz nehmen.
Olaf Janßen ließ Viktoria Köln wie erwartet im 3-4-2-1, das sich gegen den Ball zum 5-4-1 verschob und offensiv im letzten Drittel zu einem 3-4-3 wurde, antreten. Speziell gegen den Ball hatten die Kölner mit diesem System, das in beide Richtungen großräumige Verschiebungen vorsieht, Probleme. Warum dies so war, dazu kommen wir weiter unten.
Die wichtigsten statistischen Werte zum Spiel
- Ballbesitz TSV 1860 48% Viktoria Köln 52%
- Passgenauigkeit TSV 1860 80% Viktoria Köln 81%
- Defensive Zweikampfquote TSV 1860 50% Viktoria Köln 60%
- Schüsse/aufs Tor TSV 1860 19/9 Viktoria Köln 17/5
- PPDA (Zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 8,32 Viktoria Köln 8,06
Fokus auf die Defensiven Zweikampfwerte
Nun könnte man vor allem anhand der Defensiven Zweikampfquote meinen Sechzig wäre in der Defensive schlecht gestanden. Das ist mitnichten so. Warum? Dafür gibt es zwei ganz klare Indikatoren. Erstens hat der TSV 1860 München 35% mehr defensive Zweikämpfe geführt und somit in Summe auch mehr Zweikämpfe gewonnen als der Gegner. Und dann muss man noch darauf schauen: wo wurden denn die verlorenen Zweikämpfe geführt? 67% der Verlorenen Defensivzweikämpfe fanden vor dem eigenen letzten Drittel statt.
Als Drittes könnte man schlussendlich noch anführen, dass ein verlorener Zweikampf nicht unbedingt auch weiter Ballkontrolle für den Gegner bedeutet, wenn dieser verlorene Zweikampf gut genug war um die Ballkontrolle oder den folgenden Pass so zu stören, dass er das Aufbauspiel des Gegners hemmt, oder in eine Richtung zwingt in der man den Gegner laut Matchplan gerne defensiv bespielen würde.
Taktischer Ansatz beim TSV 1860
Mit drei offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern, Dennis Dressel in der Rolle des Box-to-Box Spielers und Quirin Moll, der auch oft den Weg nach vorn suchte als defensivem Mittelfeldspieler vor der eigenen Viererkette, bekam das offensive Spiel der Löwen im Mittelfeld gegen die defensive Fünferkette der Kölner ein deutliches Übergewicht.
Gegen den Ball spielte man auf relativ hoher Pressinglinie zwischen Strafraum und Mittlellinie. Das Pressing war nicht bei jedem Angriff der Kölner auf sofortigen Ballgewinn ausgelegt. Im Anlaufverhalten war zu erkennen, dass die Löwen einen Mix aus direktem Pressing und Angriffssteuerung betrieben.
Die Defensivlinie war bei Positionsangriffen der Kölner Viktoria ebenfalls zwischen Strafraum und Mittellinie postiert. Daraus ergab sich ein engmaschiges Mittelfeldnetz, das nicht viele Räume anbot, mit dem der Gegner vom Rhein schwer zurechtkam.
Sechzig kreiert Chancen durchs Zentrum
Das offensive Auftreten der beiden Außenverteidiger sorgte häufig für Überzahl der Löwen im Mittelfeld und im letzten Drittel vor der Abwehrkette. Deshalb musste immer wieder einer der drei zentralen Abwehrspieler der Kölner aus dem Verbund nach vorne schieben und im defensiven Mittelfeld aushelfen, um die meist schnell und präzise ausgeführten Angriffe der Löwen abfangen zu können.
Wenn die dadurch entstehenden Lücken im Abwehrzentrum durch horizontale Verschiebung nicht geschlossen werden konnten, ergaben sich mit guten Pässen in die Schnittstelle immer wieder klasse Möglichkeiten für die Sechzger.
Mölders, Neudecker und Lex konnten einige Male gut bedient werden. Mölders’ Schuss zu Beginn der Partie war zu schwach, Neudecker und Lex konnten die ihnen zugedachten Bälle in die Spitze nicht schnell genug oder gar nicht verarbeiten, sodass es einige Zeit dauerte, bis die Löwen in Führung gehen konnten.
Taktischer Ansatz bei Viktoria Köln
Die Kölner setzten neben Kombinationsfußball durchs Zentrum vor allem auf Pässe durch und hinter die Abwehrkette, die dann bestenfalls in 1 vs. 1 Situationen gipfelten. Die meisten der Versuche mit Pässen in die Schnittstelle oder über die Kette hinweg konnte die konzentriert zu Werke gehende Abwehrreihe des TSV 1860 München jedoch entschärfen.
Nach anfänglich sehr hoch gewählter Pressinglinie und Defensivlinie am vorderen Rand des eigenen letzten Drittels im Spiel gegen den Ball, zogen sich die Kölner bei Angriffen der Löwen mit zunehmender Spieldauer immer öfter gegen den Ball etwas weiter zurück.
Über Kombinationsspiel gelang den Kölnern so gut wie nichts. Zu gut war das Stellungsspiel der Löwen gegen den Ball. So konnte eine Vielzahl der Positionsangriffe bereits vor der letzten Reihe abgefangen werden.
Chancen der Viktoria
Chancen auf die Führung hatten nicht nur die Löwen. In der Mitte der ersten Halbzeit hatte die Viktoria zwei absolute Großchancen.
Der schnelle Youssef Amyn war an der ersten dieser Szenen beteiligt. Seinen Schuss pariert Hiller im Stile eines Handballtorwarts. Hongs Nachschuss ging einen Meter rechts neben dem Kasten ins Toraus.
Bei einem durch Handles Antritt vom halbrechten Zentrum in der Hälfte des TSV 1860 München entscheidend lancierten Angriff, der schlussendlich auf der linken Strafraumseite bei Buballa endet, sehen Hiller und Deichmann, als Buballa beide mit einem Hackentrick, durch den er sich den Ball zum Schuss selbst vorlegt, ins Leere rutschen lässt, nicht gut aus. Buballas Schuss klärt Nicki Lang knapp vor der Linie.
Bei beiden Situationen hätte sich der TSV 1860 München nicht beschweren dürfen wenn ein Tor gefallen wäre.
Viktoria zum ersten
Vor allem der erste dieser beiden Angriffe, bei dem der Pass über die Kette hinweg auf den schnellen Amyn punktgenau gespielt wurde, war eine Augenweide. Solche Pässe auf derart schnelle Spieler zu verteidigen ist fast eine Unmöglichkeit. Der zum Nachschuss mitgelaufene Hong hätte aber gedeckt werden müssen, sodass er keine Gefahr mehr ausstrahlen hätte können.
Viktoria zum zweiten
In der zweiten Situation konnte Buballa ohne Gegenspieler von links in den Sechzehner einlaufen und gefährlich werden. Hier hat die Zuordnung in der Hintermannschaft der Sechzger beim schnellen Spiel nach vorn der Kölner nicht gestimmt. Ähnlichkeiten zum 2:0 der Lauterer vom vergangenen Samstag sind hier durchaus zu erkennen gewesen.
Schlussendlich gelang den Sechzgern aber, gemessen an dem was man selbst zuvor vergeben hatte, der absolut verdiente Führungstreffer zum 1:0 fünf Minuten vor dem Pausentee.
Das wichtige 1:0 des TSV 1860 gegen Viktoria Köln
Bei einem aus der eigenen Hälfte heraus aufgebauten Angriff spielten zunächst Salger, Moll und Steinhart in einem etwas breiter gezogenen Dreieck die pressenden Kölner Klefisch, Hong und zuletzt Lorch auf der linken Seite aus. Moll gab den Ball letztendlich aus der Pressingsituation heraus zu Lang auf der halbrechten Seite im eigenen letzten Drittel. Der hatte nun sehr viel Platz und spielte einen tollen öffnenden Pass auf den ihm entgegenkommenden Biankadi an den Mittelkreis.
Mit nur einem Kontakt leitet Biankadi das Leder einige Meter weiter nach vorne kurz hinter die Mittellinie steil weiter zu Mölders. Während er offensichtlich gefoult wird (Rossmann bekam dafür nach Ende der Aktion eine folgenschwere gelbe Karte), gibt er den Ball etwa zehn Meter weiter nach vorn zu Neudecker. Neudecker hat dort zunächst viel Platz und zieht mit dem Ball am Fuß diagonal nach innen ins Zentrum des Spielfelds auf den Strafraum zu. Gleich drei Kölner Defensivspieler bewegen sich auf Neudecker zu.
Sowohl Biankadi auf der linken Seite als auch Lex rechts wären frei und anspielbar gewesen. Doch Neudecker entscheidet sich in zentraler Position etwa siebzehn Meter vor dem Kasten der Viktoria das Leder abzufeuern. Unhaltbar schlägt die Kugel in der 40. Minute links oben im Eck ins Tor der Kölner ein.
Der Treffer war eine überragende Mannschaftsleistung
Dieser schnelle Angriff war von allen daran beteiligten Löwen eine Meisterleistung. Ein großer Anteil an diesem Tor gebührt allerdings unserer Hintermannschaft. Mit wenigen Pässen war die Pressingreihe der Kölner ausgespielt. Somit wurden die Räume im Mittelfeld frei, die den schnellen Angriff überhaupt erst ermöglicht haben.
Mit der Verlagerung auf die rechte Seite und dem folgenden sehr schnellen direktem Spiel von Biankadi und Mölders wurde das Spiel derart schnell, dass die Defensive der Viktoria in der Folge dem Angriff nur noch hinterherlief. Dadurch hatte Neudecker Platz und konnte seinen Tempolauf starten. Drei Kölner, die wahrscheinlich eher mit einem Pass auf Biankadi oder Lex gerechnet hatten, konnten ihn nicht stoppen.
Kurz nach dem 1:0 bekam Rossmann, der beim Angriff zum 1:0 Mölders gelbwürdig gefoult hatte, die gelb-rote Karte. Er riss Stefan Lex, der auf und davon gewesen wäre, bei einem taktischen Foul um. Fortan musste Köln mit zehn Mann versuchen den Löwen Paroli zu bieten.
Ohne eine personelle Änderung vorzunehmen stellte Janßen nach dem Platzverweis das System auf 4-4-1 um. Das auf dem Platz befindliche Personal war auch absolut dafür geeignet so gegen den TSV 1860 weiterzuspielen.
Die zweite Halbzeit
Aus dem Spiel heraus konnten die Gäste, auch mit einem Mann weniger, gut gegen die Positionsangriffe und Konter der Sechzger verteidigen. Die Varianten der Standardsituationen waren es, die für die Löwen zehn Minuten nach Wiederanpfiff und kurz vor Spielende den Deckel auf die Partie nagelten.
Die Spielanteile lagen weiterhin etwa gleich gut verteilt bei beiden Teams. Der gravierende Unterschied in Halbzeit zwei war, dass die Sechzger kaum Aktionen des Gegners in der eigenen Box zuließen. So mussten die dezimierten Kölner die meisten ihrer Schussversuche von außerhalb des Sechzehnmeterraums anbringen.
Die numerische Überzahl war in diesem Spiel endlich einmal deutlich zu erkennen. Wir hatten ja in der Vergangenheit durchaus Spiele, in denen wir in Überzahl spielten, das aber nie bzw. selten entscheidend nutzen konnten.
Defensiv war meist ein Mann mehr hinter dem Ball. So konnten fast alle Angriffe der Kölner bereits im Mittelfeld geklärt oder dementsprechend gestört werden, sodass die Löwenabwehr kaum vor größere Aufgaben gestellt wurde.
Souverän und kontrolliert zog der TSV 1860 München gegen Viktoria Köln nun die Fäden und brachte offensiv wie defensiv genau das Spiel auf den Platz, was man von dieser Mannschaft sehen will.
Das 2:0
Ich muss gestehen, der direkt vor dem Freistoß zum 2:0 in der 55. abgepfiffene Vorteil hat mich aufgeregt.
Die Passivität, der über die Ausführung sichtlich überraschten Kölner, nach dem flachen Steilpass von Neudecker auf Steinhart, der im Strafraum zunächst viel Platz hatte war hilfreich beim erzielen des Treffers. Es bewegten sich Buballa von rechts und Amyn von hinten auf Steinhart zu. Dadurch war der Passweg von Steinhart auf der linken Seite des Strafraums zum ungedeckten Dressel im Zentrum frei. Ohne lange zu fackeln zieht Dressel aus etwa fünfzehn Metern ab. Der Ball geht rechts am Torwart vorbei in den Kasten zum 2:0. Die Zuordnung der Kölner war hier nicht gut. Vermutlich rechnete man mit einer in den Strafraum gespielten Flanke, nicht mit einem steil gespielten Flachpass auf die halblinke Seite. Da kann das defensive Konzept dann schon mal durcheinanderkommen.
Das 3:0
Das zweite Tor nach einer Standardsituation in diesem Spiel schoss Merveille Biankadi (82.).
Lorch wehrt den, von rechts durch Neudecker hereingebrachten, Eckball, im Fünfmeterraum, wenige Meter vor dem kurzen Pfosten stehend, ab. Der Abwehrversuch fällt Biankadi direkt vor die Füße. Durch die komplette Abwehr hindurch, noch von zwei Kölnern abgefälscht, geht Biankadis Schuss, aus halbrechter Position im Strafraum, fünfzehn Meter vor dem Tor, dann letztendlich links unten in die Maschen.
Fazit des Spiels TSV 1860 – Viktoria Köln
Ein in der ersten Halbzeit noch relativ offenes Spiel fand in den Löwen einen letztlich verdienten Sieger.
Aber nicht nur Licht, auch ein wenig Schatten war zu sehen. Vor allem bei den Großchancen und bei zugelassenen Schüssen von außerhalb des Strafraums die durchaus gefährlich wurden. Es gibt gegen den Ball noch einige Rädchen die besser ineinander greifen müssen als in den vergangenen drei Spielen. Das ist aber zugegebenermaßen Jammern auf hohem Niveau.
Dass man gar keine Torchance zulässt wird es natürlich nie geben. Vielleicht kann man in den nächsten Wochen die Schusszahl bei Chancen des Gegners auf einen Schuss pro Chance reduzieren.
Für die Offensive im Spiel des TSV 1860 gegen Viktoria Köln gibt es heute von meiner Seite uneingeschränktes Lob. Schnelles Kombinationsspiel. Viele Ideen im Mittelfeld. Meist präzise Pässe, die in nur wenigen Situationen bei der Annahme schlecht verarbeitet wurden. Das sind drei Gründe die mich positiv auf die nächsten Aufgaben blicken lassen.
Der Abschluss wurde meist schnell gesucht wenn die Kugel in die Box gebracht wurde. Drei Tore die daraus resultieren und einige andere hochkarätige Chancen des TSV 1860 München, sind eine tolle Ausbeute. Wenn der Ball jedes mal tatsächlich in die Maschen gegangen wäre hätte ein deutlich höheres Endergebnis erzielt werden können. Das zu erwarten wäre allerdings ziemlich vermessen.
Die gezeigte Reaktion der Mannschaft lässt mich positiv in die Zukunft blicken. Auch wenn mit Braunschweig nun ein viel dickeres Brett als die letzten beiden Gegner es waren auf uns zukommt.
Datenquelle: Wyscout