Ein herzliches Grüß Gott zur TAKTIKTAFEL vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 gegen den FC Viktoria Köln.
Die von Olaf Janßen trainierten Kölner sind momentan, wenn man auf die Tabelle blickt, ganz klar unter Wert geschlagen. Wenn man sich nach den über die Spielweise aussagekräftigen Statistiken xG, xGa und xP richtet, müsste die Viktoria theoretisch mit 6:5 Toren und sechs Punkten auf Platz elf der Tabelle stehen. Stattdessen habe sie erst ein Pünktchen und liegen auf Rang 19. Das sagt uns, dass die Sechzger, ähnlich wie auch am vergangenen Samstag, hier keinesfalls auf einen Aufbaugegner treffen. Stattdessen reist eine spielstarke, intelligente Mannschaft von Viktoria Köln nach München, die bisher in jedem Spiel mindestens einmal getroffen hat. Sie unterlagen dem Bundesligisten Hoffenheim im DFB-Pokal zwar verdient, dennoch brachten sie auch in diesem Spiel zwei Mal selbst den Ball in die Maschen des Gegners.
Die wichtigsten statistischen Werte
- Ballbesitz: 55%
- Passgenauigkeit 81%
- Flankengenauigkeit 31%
- Defensive Zweikampfquote 60%
- PPDA (Zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 8,18
Systematisch sind die Kölner äußerst variabel unterwegs. Das heißt Olaf Janßen kann mit seinem Kader das System dem Gegner und auch dem Spielverlauf entsprechend anpassen. Womit wir also am heutigen Abend rechnen müssen, ist für mich wieder ein relativer Blindflug – sowohl beim Personal als auch beim System. Die Taktik der Kölner dürfte hingegen klar sein. Hinten wird eine kompakte Formation stehen, die mit der richtigen Aufgabenverteilung in nahezu jedem System erreichbar ist.
Nach vorne wird es ähnlich laufen wie in den anderen Spielen bisher. Das war eine Mischung aus direktem vertikalem Spiel und Kombinationsfußball durchs Zentrum.
Die Frage, welches System Olaf Janßen für seine Startelf wählt, ist mit der bisher gezeigten Kölner Spielintelligenz sich an den Spielverlauf systematisch anzupassen fast nebensächlich. Der Vollständigkeit halber will ich dennoch eine Prognose wagen.
Wie wird Viktoria Köln heute abend spielen?
Meine Wahl gegen die Löwen mit dem zur Verfügung stehenden Spielermaterial der Kölner ist das schon in einigen Spielen gezeigte 3-4-2-1 mit einer hängenden Spitze und Schattenstürmer hinter dem Mittelstürmer. Gegen den Ball ginge die Verschiebung dann auf 5-4-1 und offensiv im letzten Drittel zu einem 3-4-3.
Warum würde ich dieses System wählen? Nun da gibt es zwei Gründe. Erstens: weil die Löwen seit geraumer Zeit Schwierigkeiten haben, sich gegen kompakt stehende Gegner selbst aussichtsreiche Abschlussmöglichkeiten herauszuspielen. Zweitens: weil durch die Verletzungsmisere in der Defensive die Zuordnung, wie man gesehen hat, oft mangelhaft war. Deswegen könnten im letzten Drittel drei Stürmer bzw. zwei Stürmer und ein sehr offensiver Mittelfeldspieler für gehörigen Wirbel in der Hintermannschaft der Sechzger sorgen. Aufgrund der geringen horizontalen Verschiebungen bei gleichzeitig relativ ökonomischen Laufstrecken im Zentrum und der großen Auswahl an guten Auswechselmöglichkeiten auf den Flügeln wäre das meine Wahl.
Um einen ähnlichen Effekt zu erreichen, könnte mit etwas mehr Laufarbeit im Zentrum und dafür weniger für die Spieler auf der Außenbahn auch ein 4-1-4-1 mit dynamischer oder gependelter Abwehrkette zum Einsatz kommen. Dieses würde sich dann gegen den Ball zum 4-4-1-1 und offensiv im letzten Drittel wie auch das 3-4-2-1 zum 3-4-3 verschieben.
Hinter sicher stehen, schnell nach vorne umschalten
Es würden sich also im 4-1-4-1 gegen den Ball beide Mittelfeldaußen und der Box-to-Box Spieler bis auf die vorletzte Abwehrlinie zum defensiven Mittelfeldspieler zurückfallen lassen. Vor dem eigenen Sechzehner bleiben so möglichst wenig Räume offen. Bei Ballbesitz im Aufbau mit dynamischer Abwehrkette ließe sich der defensive Mittelfeldspieler zurück in die Kette fallen lassen. Währenddessen schieben die Außenverteidiger ins Mittelfeld vor.
Bei einseitig gependelter Abwehrkette würde nur einer der Außenverteidiger vorschieben. In dem Fall wäre die Verschiebung dann je nach Ort der Spieleröffnung, wenn es nach mir ginge, asymmetrisch auf der jeweils ballfernen Seite.
Im letzten Drittel kann somit in beiden Systemen mit offensiv ausgerichteten Mittelfeldaußenspielern, dem oder den nachrückenden Außenverteidigern, Mittelstürmer, hängender Spitze und dem Schattenstürmer, der noch ein wenig mehr als die hängende Spitze aus der Tiefe kommt, sehr großer Druck auf die Defensive ausgeübt werden.
Stärken und Schwächen des 3-4-2-1
Stärken
Der defensive Fokus liegt in erster Linie auf einem kompakten Zentrum. Ein Durchbruch dort wird sehr schwer.
Schwächen
Das System verlangt bei allen Akteuren, die im letzten Drittel gegen den Ball arbeiten, bei Ballgewinn sowohl im Kopf als auch auf dem Platz schnell von Defensive auf Offensive umzuschalten. So kann sich aus dem kompakten Bollwerk im und vor dem Sechzehner ein breiter und schwer ausrechenbarer Angriff entwickeln.
Je nach Personaldecke auf der Bank kann es durch die theoretisch nur einfach besetzten Flanken mit fortwährender Spieldauer zu einer gewissen Flügellahmheit kommen.
Schlüsselspieler
Im Tor
Torwart Moritz Nicolas (#22), der für den mit einem Syndesmosebandriss verletzten Mielitz in die Startaufstellung gerückt ist, stand in bisher drei Spielen der Kölner im Kasten und kassierte jeweils mindestens zwei Gegentore. Seine Reflexe sind relativ ordentlich, im eins gegen eins hingegen und auch in der Strafraumbeherrschung ist definitiv Steigerungspotential vorhanden.
Abwehr
Innenverteidiger Christoph Greger (#15) kam vor der Saison aus Haching und zeigt bis dato eine stärkere Leistung auf dieser Position im Vergleich zu seinem Partner Rossmann. In den Spielen mit Dreierkette nahm er bisher die Position des zentralen IV ein. Traten die Kölner mit Viererkette an, spielte er links in der Innenverteidigung. Sowohl mit seinen defensiven Aktionen als auch in der Spieleröffnung agiert er an seiner neuen Arbeitsstätte bisher sehr sicher.
Mittelfeld
Marcel Risse (#31) ist ein mit allen Wassern gewaschener Bundesligaspieler, der auf 176 Einsätze im Oberhaus bei Leverkusen, Nürnberg, Mainz und Köln zurückblicken kann. Er hat den kommenden Gegner des TSV 1860 München bereits letztes Jahr als Leihgabe des 1.FC Köln verstärkt. Nun ist er fest von den Geisböcken auf die andere Seite des Rheins gewechselt. Die linke Abwehrseite der Löwen wird mit ihm sehr stark beschäftigt sein. Sowohl mit als auch gegen den Ball ist Risse ein unangenehmer Gegenspieler, den man am besten erst gar nicht zu ausgedehnten Ballkontakten kommen lässt.
Aus der eigenen Jugend in die Mannschaft gekommen ist der erst 18-jährige Youssef Amin (#27). Technisch brilliant und auch torgefährlich fehlt ihm logischerweise noch etwas Erfahrung in manchen Momenten. Was dieser Junge jedoch für ein Talent hat, um in der Offensive für Wirbel zu sorgen, hat er mit schon zwei Toren in vier Spielen unter Beweis gestellt. Lange wird Amin sicher kein Drittligaspieler bleiben.
Sturm
Albert Bunjaku (#12): Mit 151 Erstligapartien in Deutschland und der Schweiz sowie 100 Zweitligaeinsätzen in diesen beiden Ländern und dabei 64 erzielten Scorerpunkten kann der 37-jährige ehemalige Nationalspieler des Kosovo in etwa jedem vierten Spiel seiner Karriere eine Torbeteiligung verzeichnen. Die Löwen scheinen ihm zu liegen, denn gegen den TSV 1860 München trifft er laut Statistik in jedem zweiten Spiel.
Fazit: kann der TSV 1860 gegen Viktoria Köln punkten?
Eine Mannschaft mit einer guten Mischung aus Erfahrung und Jugend, die bisher in der Liga unter Wert geschlagen wird, kommt vermutlich mit dem Messer zwischen den Zähnen ins Sechzgerstadion und will hier unbedingt was holen. Wenn der TSV 1860 München – allen voran die Leistungsträger – nicht mit voller Konzentration, Teamgeist und Elan an die Aufgabe Viktoria Köln herangehen, sondern in entscheidenden Momenten wieder unkonzentriert und zu weit vom Mann entfernt verteidigen, wird es dieser Kölner Mannschaft auch gelingen aus Giesing Punkte zu entführen. Der eine Punkt, den die Viktoria momentan hat, zeigt nichts davon, was die Spieler von Olaf Janßen bisher auf den Platz gebracht haben.
Der TSV 1860 München muss über die komplette Spielzeit konzentriert zu Werke gehen und darf durch keine Pausen (welcher Art auch immer) den Fokus verlieren. Dazu ist die Viktoria offensiv zu gefährlich. Mannheim hatte am vergangenen Wochenende mehr Glück als Verstand bei der Viktoria 3:2 zu gewinnen. Das einzige Team, gegen das Köln bisher verdient verloren hat, war die TSG aus Hoffenheim im DFB-Pokal und selbst da schoss Janßens Elf zwei Tore.
Ob Michael Köllner es schafft die Löwen nach der Niederlage in Kaiserslautern wieder in die Spur zu bringen, steht für mich völlig außer Frage. Ob aber einige Spieler selbst es schaffen sich zu hinterfragen und in wichtigen Situationen offensiv wie defensiv den entscheidenden Schritt mehr zu machen als der Gegner und das Gebilde TSV 1860 weniger statisch aussehen zu lassen, darauf bin ich gespannt.
Fakt ist: Zuhause muss man drei Punkte holen, wenn man den eigenen Ansprüchen genügen will. Diese waren, wenn ich das richtig im Kopf habe, sich im Vergleich zur letzten Saison zu verbessern. Letzte Saison gab es ein Unentschieden im Heimspiel gegen die Viktoria, also muss nun ein Sieg her.
Noch eine persönliche Anmerkung zum Spiel an sich:
Ich will am Abend sehen, dass Spieler einem zu schwach gespielten Pass auch mal entgegen gehen, um den Fehler des Kameraden, der ihn gespielt hat, wieder auszubügeln. Es soll nicht gewartet werden, ob der Pass vielleicht doch noch ankommt oder ein Gegner den Ball ablaufen bzw. bei der Ballannahme stören kann.
Es sollen Spieler auf dem Platz stehen, die jedem verlorenen Ball – egal ob selbst vergeigt oder Fehlpass des Mitspielers – nachgehen und die Gegenspieler unter Druck setzen. Ich will ein überall auf dem Platz um jeden Meter Boden kämpfendes Team sehen. Und vor allem will ich keine unnötige Schauspielerei sehen. Sonst können die betreffenden Herren sich gleich mit dem Welzmüller zusammentun und gemeinsam zum Heulen gehen.
Mögliche Aufstellung von Viktoria Köln gegen den TSV 1860
Datenquelle: wyscout