Herzlich Willkommen zur TAKTIKTAFEL-Analyse des Pokalfights TSV 1860 München gegen den SV Darmstadt 98.

In einem packenden, nervenaufreibendem Pokalkrimi besiegte der von Michael Köllner trainierte TSV 1860 München ein starkes, phasenweise den Klassenunterschied deutlich zeigendes Team aus Darmstadt nach Elfmeterschießen mit 6:5.

Beide Trainer setzten auf ein 4-4-2 flach gegen den Ball. Bei eigenem Ballbesitz verschoben sich die Teams allerdings unterschiedlich. Bei den Löwen war die offensive Variante ein 4-2-2-2, in dem die Offensivspieler – abgesehen von Sascha Mölders – viel rotierten und somit gehörig Unruhe in der Hintermannschaft des Gegners stifteten. Die Lilien verschoben offensiv auf ein 4-1-3-2, das in einigen Momenten (speziell in der ersten Halbzeit) viel Wucht nach vorne brachte und der Defensive der Löwen alles abverlangte.

Die statistischen Werte beim Spiel zwischen dem TSV 1860 und Darmstadt

TSV 1860 SV Darmstadt 98
Ballbesitz 53% 47%
Passgenauigkeit 85% 87%
Defensive Zweikampfquote 65% 60%
Schüsse 23 19
davon aufs Tor 6 9
PPDA* 11,69 13,66
*(zugelassene Pässe pro Defensivaktion)

 

Die beiden Halbzeiten hatten absolut unterschiedliche Gesichter und auch in der Verlängerung blieb es spannend.

Die erste Halbzeit

In der ersten Hälfte wurde das Spiel von beiden Mannschaften relativ offen geführt. Beide Teams hatten im Mittelfeld viel Raum. So waren Vorstöße ins letzte Drittel vom TSV 1860 als auch von Darmstadt eher die Regel als die Ausnahme. Die Art und Weise, wie man allerdings jeweils die Attacken vortrug, war ein wenig unterschiedlich.

Die Löwen kamen nach einem kurzen Sturmlauf zu Beginn der Partie, als man mit den lautstarken Fans im Rücken schwungvoll startete, nach den ersten zehn Minuten nach Ballgewinnen in der eigenen Defensive etwas schwerer in die Gänge. Sie brauchten zum Aufbau der eigenen Angriffe länger als der Gegner.

Das führte zu einem relativ ausgeglichenen Schussverhältnis von 10:12 zugunsten der Gäste in der ersten Halbzeit. So viele Schüsse sehen wir sonst oft in einem kompletten Spiel, am Freitagabend brauchten beide Teams dafür nur eine Halbzeit. Die Qualität dieser Schüsse war allerdings bis auf Lex’ Heber, den Schuhen gerade so parieren konnte (7.) und Pfeiffers Lattenknaller (22.) relativ gering.

Dennoch musste Marco Hiller doppelt so oft eingreifen wie sein Gegenüber Marcel Schuhen, um seinen Kasten sauber zu halten. Mit nur zwei Schüssen des TSV 1860 München aufs Tor bei zehn Versuchen, von denen sieben geblockt werden konnten, hatte Schuhen abgesehen von seiner Glanztat gegen Lex und als er Salgers Kopfball nach einer Ecke entschärfen musste (44.) nicht viel zu tun. Man merkte bei den Löwen eine gewisse Hektik beim Abschluss, die nicht nötig gewesen wäre.

Gute Defensive auf beiden Seiten

Darmstadt ließ aber auch im letzten Drittel und im Strafraum wenig Platz und war in den kritischen Zonen meist nah am Mann, um Ballannahmen zu stören. Zudem waren die Gäste so gut gestaffelt, dass die Sechzger nichts aus ihrer Überlegenheit in puncto Ballkontakten im Strafraum machen konnten.

Aber auch die Löwen verteidigten ihren Sechzehner durchaus gekonnt. Einerseits ließen die Spieler des TSV 1860 München 39% weniger Bälle in den Strafraum zu als der Gegner, was andererseits dazu führte, dass die Lilien 30% weniger Ballkontakte im Strafraum hatten als die Hausherren. Die Zone in der Box, wo Darmstadt jedoch die meisten Ballkontakte verzeichnen konnte, war im Vergleich mit den Löwen die weitaus gefährlichere. Fünf Mal konnten Lieberknechts Schützlinge entweder zentral im Strafraum angespielt werden oder mit Ball zentral in die Box eindringen. Den Sechzgern gelang das im Strafraumzentrum nur dreimal. Alle weiteren Ballkontakte der Löwen im Strafraum der Darmstädter während der ersten Halbzeit waren in zum Tore schießen weniger geeigneten Bereichen.

Im Großen und Ganzen muss man also festhalten, dass auch wenn die statistischen Zahlen in vielen Bereichen die Löwen im Vorteil sehen, das Gros an entscheidenden Momenten auf Seiten der Darmstädter während den ersten 45 Minuten war.

Dass das so war, lag allerdings an den im manchem Moment nicht ganz cleveren Spielzügen, die den TSV 1860 München im Sechzehner der Darmstädter nach außen führten anstatt ins Zentrum und weniger am Klassenunterschied, oder gar daran, dass Darmstadt besser gewesen wäre. Einzig die Gelegenheiten, die die Lilien sich herausspielen konnten, waren einen Tick zwingender.

Der größere Einsatzwille in der Defensive von unseren Sechzgern, der sich beispielsweise mit einer positiven Differenz bei gewonnenen Defensivzweikämpfen vor dem Pausentee von 8% belegen lässt, war letztlich mit der Garant für das 0:0 zum Halbzeitpfiff.

Die zweiten 45 Minuten zwischen dem TSV 1860 und Darmstadt

In Spielabschnitt Nummer zwei kamen die Löwen wie verwandelt aus der Kabine. Jetzt war der TSV 1860 München nicht nur optisch die bessere Mannschaft. Die Wucht, mit der die Sechzger bis auf eine kurze Phase nach dem Führungstor auf den Platz zurückkamen, belegen sämtliche relevanten statistische Zahlen.

Ob Schüsse, die noch weiter ins positive ausgebaute Zweikampfquote, zu Ende gespielte Angriffe, Ballkontakte zentral vor dem gegnerischen Tor oder gewonnene Offensivzweikämpfe: in all diesen Punkten waren die Löwen nun besser.

Die Schräubchen, die Michael Köllner in der Halbzeitpause nachjustiert hatte, saßen nun sicher im Gewinde. So war es bei dem Schwung, den Sechzig nach dem Wiederanpfiff an den Tag legte, nur eine Frage der Zeit, bis der Führungstreffer erzielt werden konnte.

Das 1:0

In der 75. Minute trifft Phillipp Steinhart zum 1:0. Der vorangegangene Spielzug war brilliant. Niklas Lang, in halbrechter Position knapp hinter der Mittelline befindlich, spielt einen langen Pass auf Marcel Bär, der sofort schaltet und den aus dem Zentrum vor der Box in Richtung halbrechte Seite des Strafraums einlaufenden Lex anspielt. Dieser geht mit der Kugel am Fuß steil in die Box und will den aus dem Hintergrund einlaufenden Biankadi bedienen. Der Pass wird zwar von einem Darmstädter Verteidiger leicht abgefälscht, erreicht aber dennoch sein Ziel im Strafraumzentrum. Biankadi legt sofort auf den von links ankommenden Steinhart ab.

Der Verteidiger nimmt den Ball mit dem linken Fuß an, legt ihn auf seinen rechten, schießt und trifft Biankadi im Kreuz. Von dort prallt das Leder zurück zu Steinhart, der nun abermals schießt. Dieses Mal nimmt er seinen starken linken Fuß. Unhaltbar für Torhüter Schuhen schlägt das Spielgerät rechts im Tor ein. Ob der Treffer nicht hätte zählen dürfen, weil Biankadi passiv im Abseits stand und möglicherweise dem Torwart die Sicht versperrte oder nicht, ist irrelevant. Alle Proteste, die sich eh in Grenzen hielten, halfen den Hessen nichts. Der Treffer zählte.

Das 1:1

Nur fünf Minuten später war es Luca Pfeiffer, der beste Spieler der Lilien am Freitag, der für den Ausgleich sorgte. Er war es auch, der mit seinem Pass aus halblinker Position im Zentrum der Hälfte der Löwen die entscheidende Phase des Angriffs einleitete, der zum Ausgleichstreffer führen sollte.

Pfeiffer spielt den Ball auf die linke Seite zu Goller, der mit dem Leder am Fuß nach innen zieht und bis zum Strafraumeck nicht angegriffen wird. Von dort bedient er Bader, der steil in die Box eingelaufen war. Auch dieser wurde nur unzureichend attackiert. Lang stellt ihn zwar in der Box, greift ihn aber nicht an. So kann er den Ball zu Pfeiffer zurücklegen, den sein Gegenspieler ebenfalls gewähren lässt. Mit einem Sonntagsschuss aus halblinker Position etwa elf Meter vom Tor entfernt an den rechten Innenpfosten, von wo der Ball hinter Hiller in die Maschen geht, erzielt Pfeiffer somit den aufgrund der ersten Hälfte nicht ganz unverdienten Ausgleich für die Lilien.

Die Verlängerung

Spannender hätte es der beste Krimiautor nicht hinbekommen. In der Verlängerung waren es nämlich wiederum die Darmstädter, die sich mehr Gelegenheiten erspielten. Einem Kopfball von Tietz (104.), einem guten Linksschuss vom eingewechselten Sesay (108.) und einem weiteren Kopfball, diesmal wieder durch Pfeiffer (119.), steht auf Seiten der Sechzger nur ein Schuss von Neudecker (112.) gegenüber.

Die Darmstädter taten alles, um die Partie noch vor dem Elfmeterschießen zu entscheiden. Ohne Marco Hiller im Tor der Löwen wäre das möglicherweise auch geglückt. Nahezu im Minutentakt rollten die Angriffe der Hessen auf den Strafraum der Löwen zu. Darmstadt wollte es wissen. Die Sechzger hielten dagegen. Von den fünfzehn Attacken, die Darmstadt während der Verlängerung bis ins letzte Drittel brachte, konnten sie ganze zwei mit einem Schuss abschließen. Der dritte und letzte Schuss für Darmstadt entsprang einem Freistoß, der in der 119. Minute auf Pfeiffers Kopf landete. Hiller parierte glänzend.

Fazit zum Pokalsieg der Löwen

Aufopferungsvoll kämpfende Löwen erreichen verdientermaßen, wenn auch mit einem kleinen bisschen Glück, die zweite Runde im DFB-Pokal.

Solche Spiele sind das vielzitierte Salz in der Suppe. Ein solcher Pokalabend, in dem zwei absolute Traditionsmannschaften aufeinandertreffen, der dem Fan alles bietet, was man sich nur wünschen kann, das wollen wir in Giesing öfter sehen. Im besten Fall noch weitere vier Mal und dann fahren wir nach Berlin.

Spaß beiseite. Der Sieg tut allen gut. Er ist Balsam für die Seele der Fans wie ich einer bin. Er pusht das Team und er bringt nicht eingeplantes Geld in die Kassen des Geschäftsführers.

Ob der ein oder andere Spieler besonders herausgestochen hat oder eher farblos geblieben ist, tut am Rande dieses Erfolges auch nichts zur Sache. Die komplette Mannschaft hat sich für harte Arbeit mit dem Sieg im Elfmeterschießen selbst belohnt. 5 von 5 Schützen haben getroffen, auch das gibt es ganz selten in einem Elfmeterschießen. Bravo, Löwen!

Datenquelle: wyscout

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Reinhard Erler

Aus meiner laienhaften Sicht haben das Pokalspiel und das Auswärtsspiel gegen Wiesbaden erstaunlich viele Parallelen aufgwiesen:
1. Die ersten 10 Minuten waren die Löwen am Drücker.
2. Den Rest der 1. HZ musste man zittern.
3. Die 2. HZ waren die Löwen wieder furios, was in Wiesbaden im Unterschied zum Pokalspiel auf die Einwechslungen von Dressel und Lex zurückzuführen war.
4. Am Ende hat man aber wieder um die Löwen zittern müssen.
5. DieTorhüter waren beide überragend.
P. S.: Zu unserem Tor im Pokalspiel äußere ich mich lieber nicht.

Steffen Lobmeier

Insgesamt war es ein sehr intensives und spannendes Duell auf Augenhöhe mit dem besseren Ende für die Löwen. Mich würden ja auch ein paar Spielerstatistiken interessieren. Ich fand den Biankadi beispielsweise offensiv wieder sehr stark, weiß aber nicht, ob sich das statistisch verifizieren lässt. Auch Lex gefiel mir bis zu seiner Auswechslung gut.