Ein herzliches Grüß Gott zur TAKTIKTAFEL vor dem Spiel unseres TSV 1860 München gegen den SV Türkgücü München.

Die Perlacher sind mit zwei Unentschieden und einer mehr als verdienten Niederlage im DFB-Pokal gegen den 1. FC Union Berlin in die aktuelle Saison gestartet. Was können wir von Türkgücü, dem Gegner des TSV 1860 München am Wochenende erwarten?

Der neue Trainer Petr Ruman ist der fünfte Übungsleiter innerhalb der letzten zwölf Monate bei der Mannschaft von der Heinrich-Wieland-Straße, wenn man Interimscoach und Co-Trainer Pummer, der den Verein mittlerweile auch verlassen hat (oder musste?), mitzählt. Ruman schickte seine Elf in allen drei bisherigen Spielen mit unterschiedlichen Systemen auf das Geläuf. Welches System er sich gegen unsere Sechzger ausdenkt, kann man daher – wie auch beim Pokalspiel gegen Darmstadt – nur spekulieren. Die verletzungsbedingte Auswechslung von Marco Kehl-Gomez, der in der Sommerpause aus Essen an die Heinrich-Wieland-Straße wechselte, im Spiel gegen die Eisernen aus Berlin, ist ein zusätzlicher Faktor. Kehl-Gomez hat sich das Wadenbeinköpfchen gebrochen und fehlt somit gegen die Löwen.

Die Taktik von Türkgücü: ein weiteres Ratespiel

Womit müssen wir bei den Nachbarn aus Neuperlach also systematisch rechnen? Als unwahrscheinlich sehe ich die Variante an, die Türkgücü im Spiel gegen Union gezeigt hat. Die Dreier- respektive Fünferkette, wenn es gegen den Ball geht, könnte gegen den TSV 1860 München mit pro Seite nur einem echten Flügelspieler nicht die vernünftigste Wahl sein. In der 3.Liga bot Ruman im Spiel gegen Verl ein 4-2-3-1 auf und ließ gegen Halle im 4-3-3 offensiv spielen. In keinem dieser beiden Spiele war der kommende Gast die überlegene Mannschaft. Ob der neue Trainer einem dieser beiden Systeme vertrauen wird oder ob er etwas gänzlich anderes auf den Platz bringen wird, ist also die Frage.

4-2-3-1: gute Wahl? Ja und nein

Die Möglichkeiten für Türkgücü sind hier sicherlich mannigfaltig, denn mit der Qualität und Masse, die auf allen Positionen da ist, können unsere Nachbarn aus dem Vollen schöpfen. Gegen die spielstarken Verler war das 4-2-3-1 zumindest dem Ergebnis nach offensichtlich die richtige Wahl. Schaut man aber genauer hin, sieht man, dass der SC Verl sechs ungeblockte Schüsse im Sechzehner aus teils sehr guter Schussposition abfeuern konnte, was diese Theorie ein wenig widerlegt.

Auch gegen Halle sieht das defensive Ergebnis bei Türkgücü nicht wirklich gut aus. Einzig die Pressingintensität war ein ganzes Stück besser als gegen die spielstarken Verler. Jedoch immer noch nicht in einem Bereich angesiedelt, der sich als gut oder zumindest befriedigend ansehen ließe. Die höhere Pressingintensität ist in dem Fall allerdings auch dem System geschuldet. Im 4-3-3 hat man nach Ballverlust im letzten Drittel grundsätzlich mehr Spieler, die ins Forechecking gehen können als in defensiver ausgelegten Systemen. Vom Spiel gegen Union brauchen wir überhaupt nicht sprechen. Der SV Türkgücü München kann froh sein, dass die Berliner sie nicht regelrecht abgeschossen haben. Mit einem anderen Mann als Vollath zwischen den Pfosten gibt es da fünf Stück von den Eisernen und keiner dürfte sich beschweren.

Der Angriff von Türkgücü: viel Arbeit für den TSV 1860?

Was kann man offensiv erwarten? Dass die Perlacher eine zumindest von der individuellen Klasse her starke Mannschaft haben ist unbestritten, die Abläufe sind bisher allerdings noch etwas unstrukturiert gewesen. Vor allem gegen Verl und Union war das sehr auffällig. Und auch gegen Halle profitierte man beim 1:0 von einem schweren Abspielfehler der Hallenser Defensive. Im eigenen Aufbau klappt das Spiel nach vorne vor allem dann gut, wenn die Mannschaft von der Heinrich-Wieland-Straße Platz hat. Gibt man den Akteuren keine Räume, fehlen noch die Ideen und die für die Spieler klar definierten Laufwege, um hohen Druck auf den Gegner aufzubauen.

Das, kombiniert mit einer gewissen Ungenauigkeit bei den Abschlüssen bisher, zeigt uns, dass es noch einer gewissen Eingewöhnungsphase bzw. Einspielphase für die insgesamt sechzehn Neuzugänge unter den Feldspielern bedarf. Nicht verschweigen sollte man allerdings den Pfosten und den Lattentreffer von Sliskovic gegen Verl, die in dem Fall eines Treffers den Spielverlauf komplett auf den Kopf gestellt hätten. Dass Sliskovic jedoch ein Spieler ist, der immer gefährlich ist, wenn er vor dem Kasten an den Ball kommt, wissen wir ja.

Im Spiel gegen Union war die Offensive im letzten Drittel übrigens kaum vorhanden. Lediglich fünf Ballkontakte, einer davon nach einer Ecke, konnten sich die Türken gegen die Köpenicker im gegnerischen Strafraum erspielen.

Nichtsdestotrotz darf man Türkgücü auf keinen Fall unterschätzen. Dafür hat diese Mannschaft zu viele Spieler mit hoher individueller Klasse und höherklassiger Erfahrung im Kader. Bis Samstag hatte das Team auch wieder fünf Tage Zeit, um sich im Training in der Defensive besser abzustimmen und die Effektivität bei den offensiven Laufwege zu optimieren.

So könnte der Gegner der Löwen spielen

Somit steht aber immer noch die bisher nicht geklärte Frage nach dem System im Raum, welches auf uns zukommen könnte. Gehen wir mal grundsätzlich davon aus, dass Ruman auf eine Viererkette baut. Zudem gehe ich gehe davon aus, dass sowohl Sliskovic als auch Sararer gegen den TSV zum Zug kommen werden.

Mit Chato und Irving (Neuzugang von Heart of Midlothian) sind zwei starke Spieler für die Mittelfeldzentrale im Kader, die sowohl defensiv als auch offensiv Impulse setzen können. Der von Duisburg in die Satellitenstadt am Hachinger Bach gewechselte Karweina, Türpitz der aus Rostock kam und Vrenezi (letztes Jahr noch in Regensburg aktiv), sind alle gute Ergänzungen zu Sliskovic in der Sturmzentrale.

Trotz des Mangels an echten Mittelfeldaußenspielern im Kader der Perlacher – diese Positionen müssten durch Außenverteidiger oder Außenstürmer besetzt werden – hat Ruman dort ebenfalls gute Alternativen.

Ich tippe deshalb darauf, dass der Coach seine Truppe defensiv ein 4-2-3-1 und im letzten Drittel 4-4-1-1 spielen lässt. In der Offensive lässt er je nach Situation auf 4-1-3-2 oder 4-2-2-2 verschieben. Dabei rückt bei beiden Verschiebungen entweder der offensive zentrale Mittelfeldspieler oder der ballferne Mittelfeldaußen zu Sliskovic in den Sturm mit vor.

Das 4-2-3-1 war letztes Jahr das beliebteste System in der dritten Liga. Ich gehe davon aus, dass das auch dieses Jahr wieder der Fall sein wird.

Stärken und Schwächen des 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert. Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege um einen Spieler zu doppeln relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.
Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen, wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorn ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich dadurch für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Schlüsselspieler

Im Tor

René Vollath (#1) ist die klare Nummer eins des SV aus München-Perlach. Seine Qualitäten hat er, wie weiter oben schon erwähnt, erst am Sonntag gegen den 1.FC Union Berlin unter Beweis gestellt. Er hat keine nennenswerten Schwächen aufzuweisen und ist mit 31 Jahren ein erfahrener Keeper, der seiner Defensive Stabilität und Sicherheit vermittelt.

Abwehr

Mergim Mavraj (#5): Mit der Erfahrung von 158 Bundesligaspielen und 140 Zweitligapartien ist der 35-jährige albanische Nationalspieler (50 Einsätze) wohl der Königstransfer in der Liga. Seine Karriere-Statistikzahlen im defensiven Bereich werfen schon ein wenig die Frage auf, warum ein Spieler, der bei einem Aufsteiger in die erste Liga in der Hinrunde noch zum Stammpersonal gezählt hat und in der Rückrunde nur wegen diverser Verletzungen seltener zum Einsatz kam, ausgerechnet in die dritte Liga wechselt. Erfahrung gepaart mit exzellenten Zweikampfwerten und sehr fair in der Defensive agierend, ist er der Spieler, der einerseits die Abwehr der Perlacher dirigiert und andererseits auch mit guter Technik aufwartend das Spiel klug eröffnen kann. Mavraj, der auch Mannschaftskapitän ist, wird – sollte er fit bleiben – bei den Perlachern sicherlich eine mehr als tragende Rolle spielen.

Mittelfeld

Der defensive Mittelfeldspieler Paterson Chato (#15), 24-jähriger Neuzugang aus Wiesbaden, ist ein zweikampfstarker, schneller, passsicherer und auch technisch nicht zu unterschätzender defensiver Mittelfeldspieler mit starkem Drang nach vorn. Im Verbund mit Andy Irving (#6) wird er den Löwen das Spiel durchs Zentrum der Perlacher vor der Box im Positionsspiel sicherlich schwer machen.

Sercan Sararer (#10) ist der technisch brilliante Schattenstürmer auf der Zehner-Position. Wenn er die Kugel hat und Raum bekommt wird es immer gefährlich. Er kann sowohl selbst den Abschluss suchen, als auch punktgenau für seine Mannschaftskameraden auflegen. Er war der einzige Spieler mit dem Union Berlin am Sonntag leichte Probleme hatte.

Sturm

Mit Mittelstürmer Petar Sliskovic (#25) schließen wir die Rubrik Schlüsselspieler ab. Bei seiner Quote von 0,55 Scorerpunkten pro Spiel in der vergangenen Saison ist eines sicher: Dieser Mann ist Torgefahr pur. Wenn er und Sararer es wieder schaffen, so zu harmonieren wie zu Beginn der letzten Saison, wird es schwer gegen die Perlacher kein Gegentor zu kassieren. Technisch sehr gut, schnell, mit dem richtigen Riecher für Torgelegenheiten ausgestattet und einer gehörigen Portion Zielwasser im Tank hat Sliskovic sicher die Chance, einer der besten Torjäger diese Saison zu werden. Letztes Jahr scheiterte seine Mission diesbezüglich einerseits am Verletzungspech und andererseits an der etwas hohen Fluktuation auf dem Trainerstuhl, die vor allem wegen der Verpflichtung von Serdar Dayat dem Verein nicht gut getan hat. Hoffen wir mal, dass er diese Saison nicht ausgerechnet gegen den TSV 1860 München mit dem Toreschießen anfängt.

Fazit: Kann 1860 Türkgücü schlagen?

Wenn die Defensive der Löwen kompakt steht, die in manchen Momenten gefährlichen Attacken des SV Türkgücü gut verteidigt, dann geht da was. Die Abwehr der Gäste im kommenden Heimspiel steht noch nicht in dem Maße sattelfest, dass man sagen könnte es gäbe keine Lücken. Abgesehen davon denke ich, dass auch wenn man im letzten Spiel klar den Unterschied zwischen uns und den Satellitenstädtern vom Hachinger Bach dargestellt hat, ist der ein oder andere Löwe nach wie vor besonders motiviert gegen den Verein von der Bezirkssportanlage Perlach-Nord ein über die Maßen gutes Spiel abzuliefern.

Ich halte Punkte in diesem Spiel daher für klar möglich.

Die Löwen müssen voll konzentriert in das Spiel gehen. Eine verpennte erste Halbzeit wie gegen Wiesbaden sollte tunlichst vermieden werden. Um das also zu verhindern wird Michel Köllner den Sechzgern die richtige Marschroute mitgeben. Wir werden eine topmotivierte, eingeschworene Löwenelf sehen. Sie wird dem Gegner alles abverlangen und im Normalfall ohne Punkte zurück nach Perlach schicken.

Sollte es eine Punkteteilung werden kann man gegen einen Gegner mit dieser individuellen Qualität auch zufrieden sein. Mit der Zielsetzung Aufstieg, die wir ja alle haben, hätte ich bei einer Heimniederlage allerdings schon gewisse Bauchschmerzen. Die Stärke dieser Schmerzen hinge natürlich von der Art und Weise ab, wie diese zustande käme.

Daran wollen wir aber gar nicht denken. Ich glaube fest daran, dass die drei Punkte in Giesing bleiben.

Datenquelle: Wyscout

Mögliche Aufstellung des SV Türkgücü gegen den TSV 1860 München

Türkgücü Mögliche Aufstellung Gegen Den TSV 1860 München Im 4 2 3 1
Türkgücü im denkbaren 4-2-3-1
0 0 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
2 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Steffen Lobmeier

Wieder mal eine superstarke Analyse.

Wie siehst Du die Rolle der Ex-Löwen Hertner und Rieder?

Bernd Winninger

Wenn die Abwehr in der Abstimmung früher oder später zusammenfindet werden die zwei unter der Führung des extrem erfahrenen Mavraj sicher eine gute Saison spielen. Im Moment sehe ich noch mehr Schatten als Licht in der Defensive dort. Rieder hat in eins gegen eins Situationen durchaus gefällig gewirkt, wie auch Hertner der ja auch gute offensive Impulse setzen kann. Die Krux ist die Abstimmung in der Kette. Wenn Trainer und Mannschaft das hinbekommen und wenn alle verletzungsfrei bleiben, hat Ruman eine starke Hintermannschaft.