Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels TSV 1860 München – Viktoria Berlin am 11. Spieltag.

Michael Köllner schickte die Mannschaft im Spiel TSV 1860 München – Viktoria Berlin im altbewährten sehr flexibel angelegten 4-1-4-1 auf den Platz. In der gegnerischen Hälfte bei Ballbesitz und in Pressingsituationen wurde dieses System mit Lex und Biankadi als aufrückende Mittelfeldspieler zu einem 4-3-3. Gegen den Ball verschoben die Löwen mit Tallig oder Neudecker in der Rolle des Box to Box-Spielers auf 4-2-3-1.

Dem stellte der Coach der Berliner, Benedetto Muzzicato, das bisher in jedem Spiel gezeigte 3-4-3 entgegen. Die Kicker aus der Bundeshauptstadt verschoben gegen den Ball zunächst zu einem 4-4-2, wenn die Sechzger es schafften, ins letzte Drittel einzudringen auf 5-4-1. Der ballferne Mittelfeldaußenspieler war dann meist der fünfte Mann in der Abwehrkette.

Die wichtigsten Statistiken des Spiels

  • Ballbesitz: TSV 1860 53% – Viktoria Berlin 47%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 77% – Viktoria Berlin 75%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 63% – Viktoria Berlin 58%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 21/4 – Viktoria Berlin 9/2
  • PPDA (Zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 6,18 Viktoria Berlin 17,21

Schussgenauigkeit unter 20%

Wenn man die im Schnitt recht guten Stats ansieht, fällt auf, dass die Schussgenauigkeit mit vier Schüssen, die den Keeper der Berliner zum Eingreifen zwangen bei einundzwanzig Versuchen ein Tor zu erzielen, eher mau daherkommt. Ist das tatsächlich so? Nun ja: nicht ganz. Geblockte Schüsse zählen bekanntlich als Schüsse, die nicht aufs Tor gehen, soweit ist das natürlich richtig. Die Berliner Abwehr schaffte es jedoch, neun Schüsse des TSV 1860 München zu blocken. Sechs davon wurden im Strafraum abgefeuert. Vier dieser geblockten Schüsse in der Box wurden aus zentraler oder halbzentraler Position vor dem Tor abgegeben. Jeder dieser im Strafraum geblockte Schuss hatte theoretisch das Potential im Kasten einzuschlagen. Die Schützen dieser Versuche waren Lex (3) und Bär.

Wenn ein Verteidiger seinen Haxen in den Weg bringt, ist das einerseits natürlich ärgerlich, die im Strafraumzentrum sehr kompakt verteidigenden Berliner haben aber auch fünf Schüsse im Zentrum der Box zugelassen, die nicht geblockt werden konnten. Zweimal hielt der Keeper der Berliner den Ball, zwei dieser Schüsse gingen über den Kasten. Mölders Schuss in der 77. Minute war ein Treffer. Es war allerdings auch der einzige Schuss der Sechzger, der in der kleinen Box abgefeuert wurde. Damit sind wir wieder bei dem Problem, das uns schon die ganze Saison verfolgt. Wir bekommen zu wenig Abschlüsse im Fünfmeterraum zustande. Verwertbare flache Anspiele in diese Zone oder Abpraller, die ein nachrückender Spieler verwerten könnte, finden leider kaum statt.

Die erste Halbzeit

Im Spiel TSV 1860 München – Viktoria Berlin dominierten die Sechzger die erste Halbzeit. Beim Blick auf die Statistiken der ersten Halbzeit fällt eins auf: Die Löwen spielten die meisten ihrer Angriffe auch zu Ende. 56% Ballbesitzphasen wurden bis ins letzte Drittel des Gegners gebracht. Siebzehn mal konnte man den Ball in gegnerische Box bringen. Bei dreizehn Ballkontakten dort wurden fünf Schüsse abgesetzt. Aufs Tor ging leider keiner der Schüsse, die im Strafraum stattfanden. Drei weitere Schüsse kamen von außerhalb des Sechzehners.

Es gab nur einen Versuch während der ersten 45 Minuten bei dem Sprint, der Berliner Keeper, eingreifen musste. Das war ein aus etwa siebzehn Metern abgegebener Kopfball von Nicki Lang.

Sowohl defensiv als auch offensiv waren die Löwen zwischen den Strafräumen das bessere Team. Und das nicht nur optisch. Diese Überlegenheit zieht sich abgesehen vom Ballbesitz durch sämtliche Statistiken. Abgefangene Pässe, defensive Zweikämpfe, Passgenauigkeit, Schüsse, Schüsse aufs Tor, offensive Zweikämpfe, Eindringen in den Strafraum und Ballkontakte in der Box – in all diesen statistischen Werten waren die Sechzger ihren Kontrahenten überlegen.

Der höhere Ballbesitzanteil der Berliner lag wie so oft, wenn das der Fall ist daran, dass Berlin wenige Lösungen hatte, um dem aggressiven Pressing des TSV 1860 München zu entgehen. Die Angriffssteuerung bei den Löwen funktionierte exzellent. Lediglich bei 35% ihrer Ballbesitzphasen kamen die Berliner bis ins letzte Drittel des TSV 1860. Nur viermal brachten die Berliner die Kugel während der ersten Halbzeit so in die Box des TSV, dass in der Folge ein oder mehrere Ballkontakte für die Viktoria im Strafraum der Löwen stattfanden.

Das Pressing der Löwen mit den drei sehr hoch stehenden Spielern (Lex, Bär, Biankadi), die den Aufbau der Viktoria stören sollten und das exzellente Stellungsspiel im Mittelfeld führten ein ums andere mal weit bevor es in die rote Zone ging zu Ballgewinnen der Löwen. Von den 55% Ballbesitz der Viktoria in der ersten Halbzeit fand ein Großteil im eigenen letzten Drittel oder knapp davor statt.

Zählbares sprang in Halbzeit eins für beide Seiten nicht heraus.

Die zweite Halbzeit

In der zweiten Halbzeit waren die Sechzger wieder in fast allen Statistiken, jetzt auch beim Ballbesitz, klar überlegen. Lediglich bei abgefangen Bällen stand Berlin besser da. Wenn der Gegner aber 20% mehr Ballbesitz hat, ist es kein großes Kunststück mehr, Pässe abzufangen. Mit nur siebzehn Pässen, die Berlin mehr abgefangen hat, ist das aber ein Wert der vernachlässigbar ist.

Druckvoll kam der TSV 1860 München aus der Kabine. Kaum einen Ball sahen die Berliner während der ersten Viertelstunde nach der Pause. Bis zum Tor durch Gunte in der 60. Minute hatte keiner der drei Berliner Stürmer einen Ballkontakt nach einem Zuspiel eines eigenen Mitspielers. Der Führungstreffer für Berlin ist ein Tor, das man sich immer fangen kann. Standardgegentore kassieren die Löwen aber mittlerweile für meinen Geschmack leider zu oft. Und wer hat tatsächlich damit gerechnet, gegen die Tormaschine aus Berlin ohne Gegentreffer zu bleiben?

Der Schock nach dem Tor für die Gäste saß einige Minuten tief. Aber die Sechzger steckten nicht auf. Wirklich Schwung kam aber erst ins Spiel, als Michael Köllner Tim Linsbichler einwechselte und damit das System auf 4-1-3-2 änderte. Die unbekümmerte Art und der Wille des jungen Österreichers, das Spiel unbedingt umzubiegen, haben die gesamte Mannschaft mitgerissen. Mindestens 50% an Mölders Treffer in der 77. Minute gehören dem Youngster.

Den Druck weiter hochhaltend, fighteten die Sechzger um jeden Meter Boden und hatten weitere drei hochkarätige Chancen, die leider keinen weiteren Treffer mehr einbrachten.

Die Tore

Das 0:1

Nach einer Ecke von der linken Angriffsseite der Berliner war es der Gegenspieler des kurz zuvor für Bär eingewechselten Sascha Mölders, Gunte, der unbedrängt zum Kopfball hochsteigt und in der 60. Minute zum 0:1 aus Löwensicht einnetzt.

Das 1:1

Nach einem Abstoß von Sprint im Tor der Berliner köpft Lang den Ball zentral nahe des Mittelkreises in der eigenen Hälfte etwa 30 Meter nach vorne zu Mölders, der den Ball sofort hoch und steil auf den durchstartenden Linsbichler weiterleitet. Linsbichler kann sich gegen Gunte im Strafraum durchsetzen und bringt den Ball mehr zufällig als gewollt mit dem Oberschenkel zu Lex, der von rechts kommend links hinter ihm vorbeiläuft. Lex Schuss aus etwas spitzem Winkel prallt vom langen Pfosten zurück ins Spielfeld und Mölders staubt aus fünf Metern zum 1:1 Ausgleich ab.

Fazit

TSV 1860 München – Viktoria Berlin, ein Spiel, das man dem Spielverlauf nach gewinnen muss, endet wieder einmal unentschieden. Wieder waren es in Summe zu wenige Schüsse, die den gegnerischen Torhüter in Bedrängnis brachten. Das liegt weiterhin mitunter daran, dass es keine Abnehmer für flache Flanken in die kleine Box gibt. Von sieben Versuchen, in den Fünfmeterraum zu spielen, führte keiner zu einem Schuss aufs Tor.

Wann der Knoten endlich platzt, ist die große Frage, die uns alle umtreibt. Bis zur gegnerischen Box ist das Offensivspiel der Löwen in fast jedem Spiel nahezu perfekt. Auch auf den Flügeln tief in der gegnerischen Hälfte finden die Sechzger oft die richtigen Lösungen, um Bälle in den gegnerischen Strafraum zu bringen. In der Box – speziell zentral vor dem Tor – wird es überhastet, dann herrscht Ratlosigkeit, Nervosität und Chaos.

Aus diesem Manko die richtigen Schlüsse zu ziehen und das gezielt ins Positive zu verändern, ist nun die Aufgabe, die sich der Mannschaft des TSV während der Länderspielpause, die wegen des Totopokalspiels in Buchbach für die Löwen eigentlich keine ist, stellt.

Was mir leider außerdem negativ aufgefallen ist, war keine Situation im Spiel, sondern geschah beim Torjubel nach dem 1:1. Linsbichler wollte Mölders zum Tor gratulieren und wird vom Löwenkapitän mehr oder weniger weggeschubst, damit Mölders seinen Treffer, der zum Großteil Linsbichlers Durchsetzungsvermögen im Strafraum geschuldet war, alleine feiern kann. Dabei deutete Mölders mehrere Male auf das Löwenwappen auf seiner Brust. Mich persönlich hat das tierisch aufgeregt. Natürlich ist Sascha unser Kapitän und natürlich ist er der Führungsspieler im Team und natürlich ist er (noch) der Star der Mannschaft. Aber gerade wegen der Tatsache, dass er das alles ist, sollte er doch den jungen Spieler beim fFeiern des Treffers, der ganz klar zu 50% dessen Tor war, mitnehmen.

Naja, das ist nur meine persönliche Sicht dieser Situation. Was und ob die Situation überhaupt etwas zu sagen hat oder nicht, kann ich nicht beurteilen.

Jedoch bin ich weiterhin der Meinung, dass Tim Linsbichler in die Startelf gehört. Eine für einen Stürmer beachtliche Passquote von 67% im Spiel gegen Berlin und 70% auf die Saison gesehen, nur ein verlorener Defensivzweikämpf in der bisherigen Saison, 81% gewonnene Kopfballduelle – das sind Zahlen, die zusätzlich zu dem, wie er auf dem Platz auftritt und sowohl defensiv als auch offensiv immer, wenn er auf dem Platz war, ein Faktor gewesen ist, klar dafür sprechen, ihm endlich seine Chance in der Startelf zu geben.

Datenquelle: Wyscout

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Blaues Kreuz

Freitag in Buchbach steht Linsbichler sicher in der Startelf. Dann kann er sich zeigen.