Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse der 3:1 Auswärtsniederlage im Spiel VFL Osnabrück – TSV 1860 München.

Daniel Scherning, Trainer des VFL Osnabrück, setzte gegen den TSV 1860 München wie erwartet auf ein 4-3-3 offensiv, dem Michael Köllner mit dem flexiblen 4-1-4-1 das gewohnte und in den letzten Spielen erfolgreiche System entgegenstellte.

Im letzten Drittel vor dem Tor des VFL Osnabrück schob sich beim TSV 1860 München, wie in den Spielen gegen Schalke und Freiburg II, Stefan Lex als zweiter Stürmer zu Mölders in die vorderste Reihe. Dennis Dressel fungierte wie gewohnt in der Rolle des Box to Box Spielers und gab in der Rückwärtsbewegung den zweiten Sechser neben Daniel Wein.

Die Außenstürmer der Osnabrücker, Opoku und Simakala, pendelten zwischen Mittelfeld und Sturm. So spielte Osnabrück gegen den Ball im Mittelfeld ebenfalls ein 4-1-4-1. Mit Köhler als Box to Box Spieler wurde im letzten Drittel vor dem eigenen Tor aus dieser Formation ein kompaktes 4-5-1.

Die statistischen Werte des Spiels

  • Ballbesitz TSV 1860 41% VFL Osnabrück 59%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 75% VFL Osnabrück 76%
  • Defensive Zweikampfquote TSV 1860 54% VFL Osnabrück 68%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 13/5 VFL Osnabrück 25/11
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 8,62 VFL Osnabrück 7,69

Blick auf diese Werte

Ballbesitz

Wie bereits in den letzten Spielen, so müssen wir auch heute zunächst den Ballbesitz analysieren. Satte 19% liegen die Niedersachsen hier vor den Löwen. Sieht man sich den Verlauf der Ballbesitzkurve an, gab es im gesamten Spiel keine Phase, in der die Sechzger mehr Spielanteile hatten als Osnabrück.

So weit so gut. Mehr Ballbesitz heißt – wie wir wissen – nicht zwingend besseres Spiel oder mehr Offensive. In diesem Spiel jedoch schon. Denn der VFL suchte und fand, im Gegensatz zu den meisten anderen Teams, wenn er den Ball hatte, schnell den Weg nach vorne.

Das Verhältnis von Vorwärts-, Quer- und Rückpässen in der Defensivabteilung inklusive defensivem Mittelfeld bei Osnabrück sieht gegenüber den beiden letzten Gegnern der Löwen um einiges besser aus. Zu nur dreizehn Rückpassen unter den Defensivspielern inklusive Torwart konnten die Löwen den VFL Osnabrück zwingen. Der linke Verteidiger Kleinhansl musste dabei kein einziges mal zu einem seiner Kollegen in der Defensivabteilung zurückspielen. Nicht viel anders sieht das bei den Querpässen in der eigenen Defensive bei den Niedersachsen aus. Nur 31 Querpässe mussten die “Lilaweißen” Abwehrspieler untereinander spielen. Das summiert sich über die 90 Minuten plus Nachspielzeit auf nur 44 Pässe, die als eher defensiv einzuordnen sind.

Pressing

Das Pressing der Sechzger war, wie die PPDA zeigt, zwar vorhanden, aber leider ineffektiv. Von nur 15 direkten Duellen in der gegnerischen Spielfeldhälfte konnte der TSV 1860 München mit sechs erfolgreichen Aktionen nur 40% erfolgreich gestalten. Nun wissen wir, ja auch, dass es in den pressingrelevanten Zonen nicht zwingend darum geht, jeden Zweikampf zu gewinnen, sondern auch darum, die Angriffe des Gegners so zu steuern, dass der Gegner dazu gezwungen wird, dorthin zu spielen, wo man selbst mehr bzw. besseren Zugriff hat. Aber auch das gelang den Löwen in keiner Phase der Partie. Sowohl das direkte Pressing als auch die Angriffssteuerung waren mangelhaft.

Hintenrum spielen war nicht die Devise der Niedersachsen und das war einerseits nicht nicht nötig und hat sich, wie man sieht, andererseits ausgezahlt. Mit den teilweise überfallartigen und vor allem präzisen Angriffen, die man so auch erwarten durfte, kam die Mannschaft von Michael Köllner von Beginn an überhaupt nicht zurecht.

Warum ist die PPDA dennoch so gut? Das liegt daran, dass sich Osnabrück nicht damit aufhielt, den Ball in den für den Gegner pressingrelevanten Zonen zu halten, sondern zielgerichtet den Weg ins letzte Drittel der Löwen suchte und fand.

Defensives Zweikampfverhalten

Im eigenen letzten Drittel konnten die Sechzger mit 16 erfolgreichen Defensivduellen gerade einmal 52% der Defensivzweikämpfe gewinnen. In dieser Zone ist das ebenfalls mangelhaft. Bei den Kopfballduellen wird das noch katastrophaler. Hier liegt die Erfolgsquote im eigenen letzten Drittel noch um 6% tiefer.

Wie viele Zweikämpfe, die man hätte führen können, gar nicht gesucht wurden oder von Osnabrück aufgrund der schnellen direkten Spielweise vermieden werden konnten, ist aus der Statistik nicht ersichtlich. Bei 47 bis ins letzte Drittel der Löwen gespielten Positionsangriffen des Gegners und fünf durchgebrachten Konterattacken nur 54 geführte defensive Duelle auf dem Boden und in der Luft im eigenen letzten Drittel ist, bei einer Gesamterfolgsquote von 49% in diesem Bereich, jedoch klar zu wenig. In Summe ergibt das rund 26 gewonnene Zweikämpfe am Boden und in der Luft im eigenen letzten Drittel bei den gegnerischen zusammen 52 Positionsangriffen und Kontern. Das reicht nicht aus, um dem Gegner vor Probleme zu stellen.

 

Das Spiel VFL Osnabrück – TSV 1860

Die erste Halbzeit

Nach einer kurzen Druckphase der Osnabrücker zu Beginn, schienen die Sechzger das Spiel nach etwas mehr als fünf Minuten unter Kontrolle zu bringen. Nach Lex’ Chance in der 6. Minute bekamen die Löwen die eigene Offensive in den Griff. Defensiv jedoch brannte es bis zum Führungstreffer jedoch das ein oder andere mal lichterloh. Sieben mal schoss der VFL vor dem Führungstreffer des TSV 1860 München, bei drei dieser Schüsse musste Hiller rettend eingreifen, drei gingen daneben, einer wurde geblockt. Die Sechzger hingegen kamen in dieser Phase nur zu vier Schüssen auf den gegnerischen Kasten. Also auch hier trog der Schein.

Er trog vor allem deshalb, weil die wenigen Chancen der Sechzger gut waren und auch die Angriffe vor allem über die rechte Seite, wo Biankadi und Deichmann in mehreren Situationen den linken Abwehrflügel der Osnabrücker auseinandernahmen, sehr gut vorgetragen waren. Sehen wir aber auf die Zahlen, konnte Osnabrück fast doppelt so viele Angriffe bis dahin durchbringen.

Defensiv war, wie oben schon erwähnt, bei den Löwen komplett der Wurm drin. Das wäre theoretisch nicht weiter schlimm gewesen, hätte man in der Offensive ähnlich dominieren können wie die Gastgeber. Aber wie in der Defensive war offensiv, nach der zwischenzeitlichen Führung, mit den Löwen nicht mehr viel los.

Allein die Tatsache, dass fast zwei Drittel der Schüsse, die der TSV 1860 absetzte, von außerhalb des Sechzehners erfolgten, spricht Bände.

Mit diesem “Angsthasenfußball”, wie Kapitän Sascha Mölders es in einem Interview nach dem Spiel bezeichnete, bekommt man bei einem Zweitligaabsteiger keinen Fuß auf den Boden.

So kam es, wie es kommen musste. Osnabrück spielte, Sechzig versuchte dagegenzuhalten, schaffte es aber nicht, sich in die Partie hinein zu beißen und das Spiel irgendwann unter Kontrolle zu bringen.

Die offensive Ausrichtung, die im 4-1-4-1 bei Michael Köllner die Devise für das Spiel der Sechzger ist, sorgte bei Osnabrück nie für Stress. Unbeeindruckt vom Führungstreffer des TSV spielte der VFL konzentriert weiter und bekam immer wieder Gelegenheiten, um selbst auf die Anzeigetafel zu kommen. In der 38. Minute war es schließlich soweit. Simakala netzte.

Dass zuvor das Spiel ein wenig hin und her wogte und Sechzig genau so viele Torschussversuche zwischen dem 1:0 und dem 1:1 absetzte wie der VFL, sieht zunächst von den Zahlen her ganz gut aus.

Schaut man sich das genauer an, waren die Schüsse der Löwen auf des Gegners Kasten eher Verzweiflungstaten, weil man den Weg in die Box nicht mehr fand. Bei Osnabrück im Gegensatz dazu war das, was offensiv vorgetragen wurde, mit einem klaren Plan versehen. Sowohl der Weg in die Box als auch der Abschluss war bei den Niedersachsen zwingender und erfolgreicher.

Nach dem Ausgleich fand Sechzig bis zum Pausenpfiff offensiv wie defensiv nicht mehr statt. Osnabrück kam noch weitere vier mal zum Abschluss, davon dreimal in der Box der Löwen.

Die zweite Halbzeit

Im zweiten Durchgang kam Osnabrück dann fulminant aus der Kabine und schoss bereits in der 48. Minute den Führungstreffer nach einem Eckstoß. Bis auf einen Verzweiflungsschuss von Deichmann kurz nach der Osnabrücker Führung war von den Löwen nicht mehr viel Gegenwehr zu sehen.

Pressing war weiterhin nicht vorhanden. Die Sechzger fanden null Zugriff auf das Aufbauspiel der Gastgeber. Weil Osnabrück aus der eigenen Abwehr heraus das Mittelfeld schnell überbrückend sehr direkt nach vorne spielte, blieb die PPDA dennoch ansehnlich. Leider lügen die Zahlen hier. Die sporadisch gesetzten Aktionen gegen den Ball führten in den pressingrelevanten Zonen selten zum gewünschten Erfolg. Da die PPDA nichts über den Erfolg dieser Aktionen aussagt, kann man beim bloßen Blick auf die Zahlen zu dem Schluss kommen, der TSV hätte gut gepresst. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Zweikampfbilanz an sich war in allen Bereichen unter dem, was man von den Löwen schlechthin gewohnt ist.

Die Konsequenz aus diesen Unzulänglichkeiten war schlussendlich des verdiente 3:1 für den VFL Osnabrück in der 85. Minute.

Die Einwechslungen, von Tallig (zur Pause), Moll, Goden beide in der (63.) und Linsbichler, Belkahia (75.) konnten den Löwen keine Impulse einhauchen. Tallig und Belkahia mussten wegen Verletzungen der Spieler Dressel und Lang eingewechselt werden. Die anderen drei Wechsel waren taktischer Natur. Gebracht haben sie allesamt nichts.

Die Entscheidung fiel in der 85. Minute durch Higl nach Zuspiel von Opoku.

Speziell Quirin Moll sucht weiter nach seiner Form. Über Gesamtleistungen einzelner Spieler werde ich mich allerdings auch weiterhin nicht kritisch äußern. Vor allem nicht nach einem Spiel, in dem die Mannschaft als Kollektiv versagt hat.

Die Tore

Das 0:1

Nach einer Großchance der Osnabrücker in der 24. Minute, bei der Löwenkeeper Hiller mehr Glück als Verstand hatte, fällt das 1:0 für die Löwen. Fast verschuldete Hiller das 1:0 für die Hausherren. Dann geht es blitzschnell.

Hiller rollte das Leder zu Salger auf die linke Abwehrseite. Der spielte einen Diagonalpass über fast die ganze Breite des Feldes zu Deichmann. Der nahm mit dem Ball am Fuß Tempo auf und spazierte in halbrechter Position mit dem Leder etwa fünfzehn Meter tief in die gegnerische Spielfeldhälfte hinein. Dort wurde dann Biankadi an der rechten Außenlinie mit einem Pass bedient, den er mit der Hacke sofort steil weiterleitete. Deichmann, der seinen Lauf nicht unterbrach, kam wieder an die Kugel. Er flankte sofort nach innen, wo Mölders und Lex an die kleine Box einlaufen. Mölders verpasste das Spielgerät. Lex nicht. Vor seinem Gegenspieler in den Fünfmeterraum einlaufend drückte er den Ball in der linken Hälfte der kleinen Box über die Linie.

Dieser Angriff war einer der schönsten, den die Löwen in dieser Saison bisher zum erfolgreichen Abschluss brachten.

Das 1:1

Nach einer kleinen Ballstafette unter den Defensivspielern des VFL nahe der Mittellinie, während der sie von keinem Löwenspieler wirklich angegriffen wurden, kam der Ball am linken Rand des Mittelkreises zu Köhler. Dieser bediente dann Traoré an der rechten Außenbahn. Traoré ging wenige Meter, stoppte ab, sah sich um und gab das Leder schließlich zu dem knapp links hinter ihm positionierten Klaas. Greilinger und Dressel sehen dabei aus wie Statisten. Klaas hatte in diesem Moment das Auge für die sich entwickelnde Situation und sah Simakala, der im Rücken von Salger in halbrechter Position in die Box einlief. Klaas’ Zuspiel auf Simakala war perfekt getimed. So konnte Simakala ohne Gegenwehr die Kugel verarbeiten. In dieser Bewegung vernaschte er noch den herbeieilenden Lang und zog dann ca. acht Meter vor dem Kasten ab und ließ Hiller keine Chance.

Kein aktives Pressing. Passivität im Mittelfeld. Fehlender Aufmerksamkeit am eigenen Sechzehner. So hat man den Gegner hier aus Löwensicht geradezu eingeladen. Oder wie Co-Trainer Beer es im Halbzeitinterview bezeichnete “um den Ausgleich gebettelt”.

Das 2:1

Nach einer Ecke von Opoku von der linken Seite traf erneut Simakala. Dieser kam aus dem Strafraumzentrum an den kurzen Pfosten eingelaufen und köpfte unbedrängt ein. Wenn die Flanke genau kommt, das Timing des Stürmers passt und die Verteidiger sich verschätzen, passiert so etwas. Vor Standardgegentoren ist keine Mannschaft gefeit.

Das 3:1

Während eines Mittelfeldgeplänkels auf der linken Seite der Löwen, bei dem der Ballbesitz zunächst einige Male wechselte, war es schließlich Itter, der sich gegen Bär und den weit aufgerückten Moll den Ball erkämpfte. Er brachte dann Köhler in zentraler Position im Mittelkreis ins Spiel. Köhler sah den freien Raum vor sich und zog sofort das Tempo an. Verfolgt von Goden, der ihn zwar ein- und überholte, aber das Zuspiel Köhlers ans rechte Strafraumeck zu Opoku nicht mehr verhindern konnte, drang Köhler etwa 25 Meter tief in die Hälfte der Löwen ein, bevor er Opoku den Ball zupasste. Opoku legt den Ball unbedrängt mit dem ersten Kontakt nach innen vors Tor der Löwen. Am aus Osnabrücker Sicht linken Fünfereck kam Higl verfolgt von Deichmann zum Abschluss. Der chancenlose Hiller muss zum dritten Mal hinter sich greifen.

Wieder war es eine Fehlerkette, die zum Gegentor geführt hat. Zunächst war Moll in dieser Situation zu weit aufgerückt. Dadurch hatte Köhler nach dem Zuspiel von Itter den nötigen Raum, um das Spiel schnell zu machen. Opoku, der nach der Auswechslung des zweifachen Torschützen Simakala auf die rechte Seite gewechselt war, entzog sich geschickt dem Zugriff Greilingers. Der orientierte sich zunächst in Richtung Heider anstatt den an sich der Außenbahn entfernenden Opoku auf dem Schirm zu haben. Zu guter Letzt läuft Belkahia bei diesem Angriff einfach nur zentral mit statt den von der anderen Seite einlaufenden Higl von Deichmann zu übernehmen.

Fazit

Des war leider nix, Buam. Da gibt es auch nichts schönzureden. Chancen hin oder her, die man selbst hatte. Es war gegen den Ball über 90 Minuten zu pomadig. Gesetzt dem Fall alle guten Chancen für beide Teams gehen rein, steht es am Ende 5:2 für Osnabrück. Dass wir zum Zeitpunkt des Führungstreffers von Lex nicht hinten liegen, ist auch ein Wunder. Es gab eindeutige Fingerzeige, wohin die Reise gehen kann – und auch ging. Die Chancen vor Lex’ Tor von Heider und Beermann nach Ecken, wovon die Hiller Heiders Versuch mit einem grandiosen Reflex abwehrt und die Doppelchance nach Hillers Ballverlust gegen Simakala.

Schade drum. Nun ist eine Länderspielpause. Also: die Wunden lecken. Diesen defensiven Katastrophenkick abhaken. Wieder dort anknüpfen, wo man gegen Freiburg aufgehört hat.

Dass die Sechzger es besser können, haben sie in vielen Spielen schon gezeigt. Verzagen muss man nicht. Scheißspiele kommen vor.

Datenquelle: Wyscout

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