Ein herzliches Grüß Gott bei der Taktiktafel zum Spiel unseres TSV 1860 gegen den FC Ingolstadt 04. Am Samstag erwarten die Löwen Rüdiger Rehm und seine Schanzer zum oberbayerischen Kräftemessen in der dritten Liga. Vier Siege, vier Unentschieden und zwei Niederlagen ist die bisherige Bilanz der noch mit etwas stotterndem Motor daherkommenden Audistädter. Nichts desto trotz haben die Schanzer eine schlagkräftige Truppe am Start, die bisher hauptsächlich durch die eigene Abschlussschwäche der Spitzengruppe hinterherhinkt.

TSV 1860 München – FC Ingolstadt 04: ein Duell, in dem es nicht nur um Punkte, sondern auch ein wenig um Prestige geht. Was dürfen wir von den Schanzern erwarten? Der FCI hat bisher jeweils fünf Spiele im System 4-3-3 und fünf im 4-4-2 bestritten. Nicht zur Verfügung stehen den Ingolstädtern nur Kapitän Schröck und Dittgen, die beide an Verletzungen laborieren. Die viertteuerste Elf der Liga wird den Löwen alles abverlangen und am Samstag auch aufgrund der räumlichen Nähe der beiden Städte hochmotiviert in das Regionsduell gehen.

Ich erwarte die Ingolstädter gegen den TSV 1860 am Samstag im 4-4-2. Vor allem gegen den Ball haben die Schanzer in diesem System starke Leistungen gezeigt. Da die Defensive auch gegen den TSV 1860 für Ingolstadt Priorität haben wird, beschäftigen wir uns heute also mit dem FCI im 4-4-2.

Bevor wir das System und Spiel der Ingolstädter genauer unter die Lupe nehmen, ein Blick auf die bisherigen statistischen Werte des FCI.

Die statistischen Werte des FC Ingolstadt 04

  • Ballbesitz: 45%
  • Passgenauigkeit: 75%
  • Defensive Zweikampfquote: 60%
  • Flankengenauigkeit: 35%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 9,12

Wie spielt Ingolstadt?

Die Startformation der Schanzer ist ein flaches 4-4-2 mit Doppelsechs. Die offensiven und defensiven Verschiebungen der Elf von Rüdiger Rehm erläutere ich im Folgenden.

Offensiv

Ingolstadt spielt im Positionsspiel mit vorgeschobenen Außenverteidigern und Raute. Einer der Außenverteidiger agiert bisweilen wie ein Schienenspieler, um auf diesem Flügel doppelte offensive Überzahl zu schaffen. Im Fall Ingolstadt ist das meistens Rechtsverteidiger Costly, der im Sommer aus Mannheim zu den Schanzern wechselte.

Für die zentrale Rautenbildung schiebt der Box to Box Spieler aus der Doppelsechs nach vorn hinter die Spitzen und die Mittelfeldaußenspieler rücken auf die Halbpositionen ein. Dabei verhält sich das im Fall FCI so, dass der ballferne Mittelfeldaußen sich weiter außen Richtung Flügel postiert und der ballnahe Mittelfeldaußen näher an die beiden zentralen Mittelfeldspieler heranrückt. Die Raute ist somit in der Horizontalen leicht asymmetrisch.

Im letzten Drittel des Gegners verschiebt sich die 4-4-2 Formation in der vordersten Reihe zu einem Dreiersturm, bei dem der ballferne Mittelfeldaußenspieler auf die Halbposition im Sturm einrückt, während sein ballnahes Pendant und der Box to Box Spieler hinter die Spitzen rücken. So entsteht eine 2-3 Formation am und im Strafraum des Gegners.

Defensiv

Gegen den Ball passt Ingolstadt das Pressing den technischen Fähigkeiten und der Passsicherheit des Gegners leicht an. Das heißt: Je besser eine Mannschaft sich im Normalfall von hinten heraus durchkombinieren kann, desto tiefer ist die Pressinglinie angelegt. Anpassungen im Anlaufverhalten während des Spiels sind von daher sehr wahrscheinlich. Je höher die Pressinglinie angelegt ist, desto höher steht in Ingolstadt auch die Defensivlinie. Das hat den Hintergrund, dass die Schanzer dem Gegner möglichst wenig Raum im Mittelfeld anbieten wollen.

Überspielt der Gegner die Pressinglinie, verteidigen die Schanzer in Ballnähe mannorientiert und verlassen sich auf der ballfernen Seite auf räumliche Deckung. Oft versucht der FCI, die ballnahe Seite auch defensiv zu überladen und bei starker Verdichtung in Ballnähe den ballführenden Spieler zu doppeln.

Wie kann man die Schanzer knacken?

Die Defensive des FC Ingolstadt zu durchdringen, wird eine harte Nuss für den TSV 1860 werden. Sowohl die Innenverteidiger als auch der Torhüter wachsen derzeit über sich hinaus. Sieht man sich die Chancen der Gegner an, müsste Ingolstadt aufgrund der Qualität der Chancen, die sie zugelassen haben, zweimal mehr Tore kassiert haben als zu Buche stehen. Allerdings schaffen es Funk und seine Vorderleute immer wieder, diese Chancen so zu entschärfen, dass bei gegnerischen Schüssen wenig Zählbares herauskommt. Nahezu ein Viertel aller gegnerischen Schüsse blockt die Ingolstädter Defensive. Dazu kommt ein Torhüter mit einer Quote von 83% gehaltener Bälle; das ist ligaweit Platz 2 hinter dem Saarbrücker Batz.

Das heißt: Es werden nicht nur Umschaltsituationen, daraus resultierende Konterangriffe und Eins-gegen-Eins-Situationen der Löwen, sondern auch Standardsituationen eine wichtige Rolle spielen, um die Schanzer zu besiegen.

Gegen die Ingolstädter Offensive muss die Mannschaft des TSV 1860 München voll konzentriert zu Werke gehen. Sowohl schnelle als auch kreative Spieler im Team des FCI können viel Stress für den Gegner bedeuten. Im obersten Absatz sprach ich von Abschlussschwäch. Das bedeutet nicht, dass Ingolstadt sich keine Chancen herausspielen würde und auch nicht, dass sie ungenaue Schüsse abgeben würden. Es bedeutet im Fall Ingolstadt tatsächlich, dass oft zu schwache Schüsse abgegeben werden und der Gegner diese deshalb dann auch auf die ein oder andere Weise verteidigen kann.

Stärken und Schwächen des 4-4-2

Stärken:

Es wird zunächst eine starke, doppelte Abwehrkette aufgebaut. Dadurch wird es möglich, den Gegner auf den Flügeln zu doppeln und trotzdem im Zentrum kompakt zu stehen. So zwingt man den Gegner oft, Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Passwege können aufgrund der guten Staffelung in Tiefe und Breite leicht zugestellt werden. Das 4-4-2 Doppelsechs deshalb als defensives System zu bezeichnen, wäre zu einfach.

In der Offensive liegen die Stärken klar auf den Außenpositionen. Sowohl die Außenverteidiger als auch die Mittelfeldaußenspieler können für großen Druck auf den Flügeln sorgen.

Von den beiden defensiven Mittelfeldspielern im Zentrum übernimmt einer den offensiven Part (Box to Box Spieler) und der andere bleibt auf seiner absichernden Position. So kann man die Lücke im Zentrum zu den Stürmern schließen.

Wenn das Zusammenspiel der Mannschaftsteile gegen den Ball so funktioniert, wie es in diesem System gewollt ist, zwingt man den Gegner oft auf die Flügel. Dieser muss dann mit Flankenläufen und hohen Bällen agieren, um den Ball ins Zentrum vors Tor zu bringen.

Schwächen:

Die große Schwäche in diesem System ist normalerweise die Lücke zwischen Mittelfeld und Sturm. Sowohl bei eigenem Ballbesitz, aber auch nach einem Ballverlust, ist es wichtig, diesen Raum schnell zu schließen.

Es fehlt ein Kreativspieler im Zentrum. Deshalb ist das zentrale offensive Mittelfeld ein Schwachpunkt. Offensive Kreativität entwickelt sich im 4-4-2 mit Doppelsechs vornehmlich auf den Außenpositionen.

Durch das fehlen des “Zehners” wird dem Box to Box Spieler eine hohe Laufleistung abverlangt, damit sowohl offensiv als auch defensiv die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen schnell geschlossen werden.

Schlüsselspieler

Abwehr

Torhüter Marius Funk (#1) kam aus Fürth und ist statistisch gesehen der drittbeste Keeper der Liga. Mit einer Fangquote von 83,33% hat er wie oben bereits erwähnt den zweitbesten Wert gehaltener Schüsse hinter dem Saarbrücker Batz. Ihn zu überwinden, wird Schwerstarbeit für die Offensivspieler des TSV 1860 München. Auch seine Strafraumbeherrschung ist absolut überragend.

Innenverteidiger Visar Musliu (#16), nordmazedonischer Nationalspieler und gleichzeitig einer der teuersten Spieler des FCI, ist eine absolute Bank in der Innenverteidigung und unumstrittener Abwehrchef. Er hat unfassbare Zweikampfwerte und verliert kaum ein Kopfballduell in der eigenen Box. Obendrein hat er ein sehr gutes Stellungsspiel. Dadurch fängt er überdurchschnittlich viele Bälle ab, bevor diese überhaupt eine Gefahr werden können.

Marcel Costly (#22) auf der rechten Außenverteidigerposition ist nicht nur gegen den Ball, sondern vor allem offensiv eine Waffe. Er ist von der Art und Weise, wie er seine Position interpretiert, gut mit Yannick Deichmann vergangene Saison zu vergleichen. Gegen den Ball hat er zwar leichte Schwächen, durch die Doppelsechs im Ingolstädter Mittelfeld ist jedoch meist einer der beiden Sechser zur Stelle, wenn Costly überspielt wird. Seine Werte in der Offensive könnten die eines Außenstürmers sein. Zwei Drittel seiner Offensivduelle gewinnt Costly und fast die Hälfte seiner Flanken finden den Adressaten. Dabei hilft ihm sein überragendes Tempo und seine Technik.

Mittelfeld

Die beiden Spieler auf der Doppelsechs, Rico Preißinger (#6) und Nunoo Sarpei (#14), sind das Herzstück des Ingolstädter Mittelfelds. Beide können sowohl offensiv als auch defensiv Akzente setzen. Sie sind beide keine überragenden Techniker, haben jedoch ein gutes Auge für sich entwickelnde Spielsituationen und wechseln sich je nach dem, über welche Seite der Angriff lanciert wird, bisweilen in der Box to Box Rolle ab. Den Löwenanteil hier hat allerdings der schnellere Sarpei zu bewältigen.

Sturm

Pascal Testroet (#37) trägt, nachdem der etatmäßige Kapitän Schröck noch länger verletzt ist, die Binde beim FCI. Er ist ein super Techniker, hat einen guten Torriecher und ist ein mit allen Wassern gewaschener Mittelstürmer. Mit seinen 32 Jahren hat er zwar seine besten Jahre womöglich hinter sich, 152 Zweitligaspiele und 71 Scorerpunkte in diesem Wettbewerb sprechen jedoch eine deutliche Sprache. Diese Saison hat er erst zwei Vorlagen und zwei Treffer auf der Habenseite. Wenn man auf ihn nicht aufpasst, wird er Wege finden, um uns weh zu tun.

Fazit

Es wird ein umkämpftes Spiel mit offenem Ausgang werden. Keine der beiden Mannschaften wird haushoch über- oder unterlegen sein. Ein Duell auf Augenhöhe  erwartet uns am Samstag Nachmittag ab 14:00 Uhr, wenn der TSV 1860 den FC Ingolstadt im Sechzgerstadion empfängt. Die bessere Tagesform und der größere Wille werden entscheidend sein.

Wichtig für den TSV 1860 München: Die Unkonzentriertheiten, die sich im Spiel gegen Dortmund in der Offensive offenbart hatten, abstellen und gegen den Ball stets hellwach zu sein.

Sieg, Unentschieden oder Niederlage? Alles ist möglich. Hier eine Prognose abzugeben, ist unmöglich.

Es erwartet uns ein spannendes Spiel, bei dem auch die Fans – wie von Michael Köllner immer wieder gefordert – ihr Bestes geben müssen, um die Mannschaft zu Höchstleistungen anzuspornen.

Natürlich hoffe ich (wie wir alle) auf einen Dreier für die Löwen in Giesing. “A gmahde Wiesn” schaut jedoch anders aus. Hoffen wir auf das Beste.

So könnte Ingolstadt beginnen

Datenquelle: Wyscout

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Groeber

Vielen Dank für diese ausführliche Analyse. Ist Ballbesitz 45% ein guter Wert?

Bernd Winninger

Das kommt darauf an wie man spielen will. Frankreich hatte z.B. bei der WM 2018 in vier der sieben Spiele bis zum Titel 45% oder weniger Ballbesitz. Trotzdem hatten sie in jedem Spiel außer im ⅛ Finale gegen Argentinien mehr Torschüsse als ihre Gegner. Deutschland hatte im gleichenn Turnier in jedem Spiel über 65% Ballbesitz, und schied in der Vorrunde aus.
Am Ballbesitz erkennst Du nicht die Qualität des Spiels einer Mannschaft, sondern die Spielweise.
Viel Ballbesitz bedeutet ofr ruhiges ausrechenbares Spiel in dem das Hauptaugenmerk auf Positionsspiel gelegt wird. Wenig Ballbesitz im Umkehrschluss das Gegenteil. Also schnelles Umschaltspiel mit wenigen Stationen bis zum Abschluss. Das gilt zumindest wenn man in beiden Fällen von erfolgreichen Mannschaften ausgeht. Das Thema kann, wenn man sich hineinarbeitet sehr Komplex werden. Es kommt darauf an was für Spieler habe ich zur Verfügung, was können die was können die nicht usw. Allgemein kann man Deine Frage nicht beantworten.