Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel TSV 1860 München – Hallescher FC. Unsere Löwen haben sich ihrer akuten Sorgen entledigt, bei Halle brennt nach wie vor der Baum. Was erwartet uns am Sonntag Abend im Sechzgerstadion?
TSV 1860 – Hallescher FC ist das Rückspiel einer Begegnung, die Sechzig in dieser Saison schon für sich entscheiden konnte. Während der TSV 1860 mittlerweile wieder etwas Luft nach unten hat, stehen die Hallenser nur ein Pünktchen vor den Abstiegsrängen.
Grundsätzlich spielt Sreto Ristics Hallescher FC bisher meist ein 4-3-3, aus dem er in eigenem Ballbesitz meist linksgependelt über ein asymmetrisches 3-4-3 im gegnerischen letzten Drittel eine gestaffelte 3-4 Formation auf der Breite des Platzes herzustellen versucht; das erwarte ich auch gegen den TSV 1860.
Gegen den Ball kippt aus dem System ein Außenstürmer mit ins Mittelfeld ab. So entsteht eine Zweierpressinglinie, die im Raum auf eher mittlerem Niveau agiert mit drei versetzt dahinter agierenden Akteuren, von denen einer situationsabhängig bei Pässen auf den Flügel mit nach vorne geht, um dort den Passweg ins Mittelfeld zuzustellen. Halle arbeitet zu Beginn einer Partie meist eher mit Angriffssteuerung und Pressingfallen als mit direkten Attacken.
Die Defensivlinie steht allerdings dann und wann auch mal sehr hoch, um das Mittelfeld für den Gegner möglichst eng und schwer bespielbar zu machen.
Bevor wir die bisherige Spielweise Halles genauer unter die Lupe nehmen, wie immer die bisherigen statistischen Werte.
Statistische Werte des Halleschen FC
- Ballbesitz: 49%
- Passgenauigkeit: 80%
- Defensive Zweikampfquote: 59%
- Flankengenauigkeit: 35%
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 9,21
Spielweise des Halleschen FC
Mit Ball
Durch die eingangs schon erwähnte in den meisten Fällen linksgependelte Viererkette entsteht im Aufbau zunächst ein asymmetrisches 3-4-3 mit auf der ballfernen Seite zurückhängendem Außenstürmer. Optisch kann das wie ein 3-2-3-2 wirken, je nachdem, wie weit der Außenstürmer abgekippt war.
Der Aufbau erfolgt grundsätzlich nicht nach einem festgelegten Schema, sondern kreativ immer dem folgend, wo der Gegner Räume offenlässt. Die gefährlichsten Attacken der Hallenser entstehen von den Flügeln oder aus den Halbräumen, dort wo die offensiven Achterräume mit der Außenbahn zusammentreffen. Dadurch, dass die Außenstürmer sowohl invers agieren als auch mit Flanken den Strafraum zu füttern versuchen, haben die Hallenser durchaus eine variable Spielweise. Festzuhalten bleibt, dass Halle auf der gesamten Breite des Platzes Gefahr entwickeln kann, und sowohl auf dem Boden als auch in der Luft oft brandgefährlich ist. Halle hat zwei Probleme: Bisher sind sie oft am gegnerischen Torwart und an eigenen Defiziten gegen den Ball gescheitert.
Gegen den Ball
In der Rückwärtsbewegung nach Ballverlust im letzten Drittel setzt Halle auf zwei zentrale Spieler in der Pressinglinie, die Passwege ins Mittelfeld zustellen sollen. Wenn das wie gewollt gelingt und der Ball auf eine der Außenpositionen gespielt wird, rückt dort ein dritter Spieler in die Pressinglinie auf.
Die Außenverteidiger stehen auf der ballfernen Seite zunächst eher hoch, um keine Räume für lange Diagonalbälle im Mittelfeld offen zu lassen. Wenn der Gegner über die Mittellinie kommt, erfolgt der Rückzug auf allen Positionen schnell und diszipliniert. Halle lässt so im eigenen letzten Drittel entweder ein 4-4-1-1 oder ein 4-5-1 entstehen. Das und die genaue Staffelung hängt von der Breite im Spiel des Gegners und von der jeweiligen Angriffsrichtung ab.
Wie kann man Halle knacken?
Bei Ballbesitz
Die Zauberworte für das Spiel TSV 1860 – Hallescher FC sind Präzision, Laufarbeit und Kampfbereitschaft. Die Hallenser stellen ihre Pressingfallen gut und verteidigen dort oft erfolgreich. Die variable Spielweise, die wir seit dem Trainerwechsel sehen, wird die Hallenser allerdings vermutlich vor große Aufgaben stellen.
Ob die Gäste im Spiel TSV 1860 München – Hallescher FC diese Aufgaben dann lösen können, werden wir sehen.
Aufpassen müssen die Sechzger auf das harte Einsteigen der Gäste gegen den Ball. Halle ist das Team, das am meisten Foul spielt.
Gegen den Ball
Gegen den Ball ist es wichtig, diszipliniert vor allem die Spieler in den Halbräumen und im Zentrum im Griff zu haben. Von daher ist gegen Halle entweder eine gute Angriffssteuerung durch Pressing im Raum, das Bälle ins Zentrum forciert, vonnöten, oder aber hartes, hohes Pressing, das den Aufbau stark verlangsamt oder sogar unmöglich macht, um dann überfallartig selbst in die Umschaltsituation zu kommen.
Schafft es Halle, sich ins letzte Drittel durchzuspielen, gilt es wiederum, die Spieler, die in die Halbräume einrücken, unter Kontrolle zu haben. Von dort wird die Penetration der Box vorbereitet und oft auch abgeschlossen.
Eine kompakte 4-5 Formation mit dem tiefen Sechser zentral und dem Zehner als ballfernen Spieler vor der Viererkette im defensiven Halbraum vor der eigenen Box, ist die sicherste Variante, um Halle nicht ins Messer zu laufen.
Stärken und Schwächen des 4-3-3
Stärken
Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante, die beispielsweise der SC Verl auf den Platz bringt – mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor, sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteidigern – entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.
Schwächen
Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnützen können. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld.
Schlüsselspieler
Tor
Im Winter wurde Philipp Schulze (#35) als Torhüter vom VfL Wolfsburg ausgeliehen. Sechs Mal stand er bisher im Tor der Hallenser und kassierte dabei 13 Gegentore. Der 21-jährige Keeper ist überaus reaktionsschnell, beherrscht seinen Strafraum mit Übersicht, hat aber – wie viele junge Torhüter – Defizite im Eins gegen Eins. Sehen wir uns an, wie sich dieses im Profifußball noch fast unbeschriebene Blatt am Sonntagabend in München schlägt.
Abwehr
Mit der personellen Situation in der Defensive können wir davon ausgehen, dass die Allroundwaffe Kapitän Jonas Nietfeld (#33) in die Innenverteidigung rückt und dort den Abwehrchef geben wird. Als sogenannter Utility Player wird er auch der Antreiber von hinten heraus sein. Eine unbestrittene Schwäche bei Kopfballduellen ist sein größtes Manko. Zweikämpfe am Boden gewinnt er mit hoher Wahrscheinlichkeit und die Grätsche muss er durch sein gutes Stellungsspiel so gut wie nie auspacken. In der Spieleröffnung ist er passsicher und ideenreich.
Mittelfeld
Die Halbzentrale wird besetzt mit Tunay Deniz (#20), der zweite Schlüsselspieler dort, Timur Gayret (#10), fehlt gelbgesperrt und wird vermutlich durch Besar Halimi (#23) ersetzt. Dieser Mannschaftsteil ist das kreative Herzstück des Teams. Mit dem Fehlen von Gayret wird dem Herz allerdings die rechte Herzkammer fehlen. Tunay Deniz bringt als Kreativspieler jedoch 13 Scorerpunkte mit, von daher sollte diese Sperre von den Hallensern besser zu verkraften sein als die in der Innenverteidigung.
Sturm
Der aus Zwickau an die Saale gewechselte Dominic Baumann (#28) ist mit bisher 13 Treffern ohne Frage der gefährlichste Angreifer im Team der Hallenser und zweitgefährlichster Stürmer der Liga. Ein Stoßstürmer, der auch als Zielspieler fungiert, mit Topwerten in den Statistiken was Dribblings und Passgenauigkeit angeht. Dennoch lebt er von den Zuspielen seiner Hintermänner Deniz und Gayret. Wenn sie ihn nicht aus der Tiefe oder von der Halbzentrale einsetzen können, bekommt Halle Probleme.
Fazit
Ich denke, vor dem Spiel TSV 1860 München – Hallescher FC brauchen wir nicht tiefstapeln, aber auf die leichte Schulter darf man natürlich keine Mannschaft in Liga 3 nehmen. Dazu ist die Leistungsdichte zu hoch. Ob die Verletzungsmisere in der Abwehr und die Absenz von Innenverteidiger Vollert wegen einer Rotsperre Halle nicht zu einer “Jetzt erst recht”-Mentalität führt, werden wir sehen.
Auf dem rechten Flügel werden wir vermutlich einen Ex-Löwen begrüßen dürfen. Sofern Trainer Ristic nicht den erst viermal diese Saison in der Startelf anzutreffenden und eigentlich aussortierten Bolyki dort aufstellt, werden wir möglicherweise Tarsis Bonga oder Meris Skenderovic auf der Rechtsaußenposition sehen.
Meines Erachten brauchen wir keine Angst vor Halle zu haben, dürfen die Gäste aber auch nicht unterschätzen. Wichtig ist, dass weiterhin die Tugenden, die Agirios Giannikis bisher aus der Mannschaft herausgekitzelt hat, gezeigt werden. Dann ist mir nicht bang und die drei Punkte bleiben in Giesing
So könnte Halle beginnen
Datenquelle: Wyscout