Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des DFB Pokalspiels TSV 1860 – Karlsruher SC. Löwencoach Michael Köllner schickte die Löwen wenig überraschend wieder im erfolgreichen System der letzten drei Spiele aufs Feld: 3-4-1-2. Die Karlsruher traten ebenfalls wie erwartet im 4-3-3 (offensiv) an.

Während die Sechzger einen sehr defensiven Ansatz wählten, mit tiefer Pressinglinie und tiefer Defensivlinie ans Werk gingen, pressten die Karlsruher früh und extrem hoch, setzten die Defensivlinie höher an, und übernahmen von Anfang an die Initiative im Spiel.

Gegen den Ball ließen sich die beiden Mittelfeld-Außenspieler Greilinger und Deichmann auf Löwenseite in die Abwehrkette zurückfallen; dadurch entstand ein 5-3-2. Bei den Badenern ließen sich die Außenstürmer, wenn der TSV 1860 München die erste Pressingline überspielen konnte, ins Mittelfeld zurückfallen, um ein 4-5-1 gegen den Ball herzustellen.

Die wichtigsten Statistiken

  • Ballbesitz: TSV 1860 47% – KSC 53%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 79% – KSC 86%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 60% – KSC 65%
  • Schüsse/auf’s Tor: TSV 1860 13/3 – KSC 19/7
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 15,68 – KSC 8,76

Die Zahlen genauer betrachtet

Schauen wir auf die Zahlen der statistischen Werte, sieht das eigentlich ganz gut aus. Nur ein Wert beim TSV 1860 gefällt mir gar nicht: Das Verhältnis zwischen Schüssen und Schüssen aufs Tor. Dreizehn Schüsse feuerten die Löwen ab, nur drei davon (23,08%) gingen auf den Kasten der Gäste. Dieses Verhältnis ist um 16% schlechter als im Ligaalltag, und um 10% schlechter als in den beiden vorhergehenden Pokalspielen diese Saison.

Die Spieler des TSV 1860 waren vor dem Tor des KSC leider nicht zielgenau und effektiv genug. War es Nervosität, war es Ungeduld, oder die gute Defensivarbeit des Gegners? Wworan hat das gelegen? Wahrscheinlich eine Kombination aus diesen drei Faktoren. Acht Schüsse gaben die Löwen von außerhalb der Box ab, drei davon wurden geblockt. Nur fünf Schüsse erfolgten im Strafraum. Diese waren allesamt nicht platziert genug, um den Schlussmann der Karlsruher ernsthaft vor Probleme zu stellen.

Ãœberraschungsmomente und Geschwindigkeit fehlten bei vielen Angriffen der Löwen, dadurch konnte sich die gute Defensive der Badener immer wieder schnell genug formieren, um kompakt im eigenen letzten Drittel zu verteidigen – sofern die Löwen überhaupt dorthin kamen.

Von den vierzehn Ballkontakten, die der TSV 1860 München im Strafraum der Karlsruher hatte, waren nur fünf zentral vor dem Tor. Zwei Schüsse konnten aus solch einer zentralen Position abgesetzt werden. Einer davon ging nicht auf den Kasten der Gäste, den anderen konnte Gersbeck problemlos entschärfen. Ballkontakte in der kleinen Box, also dem Fünfmeterraum, waren komplett Fehlanzeige.

Wahrscheinlich hätten die Sechzger noch ewig weiterspielen können, ohne dass Karlsruhe eine wirklich zwingende Chance zugelassen hätte.

In der Liga wird das wieder besser funktionieren.

Das Spiel

Im Prinzip hatte das Spiel über die gesamten 90 Minuten das selbe Gesicht, allerdings mit kleinen Unterschieden im Gesichtsausdruck, je nachdem welche Halbzeit wir betrachten.

1. Halbzeit

Karlsruhe machte 90 Minuten lang das Spiel, versuchte die Sechzger mit hohem Pressing in der eigenen Spielfeldhälfte, bzw. im eigenen letzten Drittel einzuschnüren, während die Löwen, um dem Karlsruher Dauerdruck standzuhalten, aus einer kompakten Defensivformation heraus auf Konter setzten.

Leider gelang es den Hausherren kaum aus dem Korsett, das die Gäste um das letzte Drittel der Löwen gelegt hatten, auszubrechen. 47% der Ballbesitzphasen des TSV 1860 München endeten in der ersten Halbzeit, bevor der Ball das eigene letzte Drittel verlassen hatte.

Der defensive Ansatz der Löwen funktionierte im Gegensatz zur Offensive prächtig. Die gewählte Taktik sah auch nicht vor, dass die Sechzger das Heft des Geschehens in die Hand nehmen sollten. Von daher kann man nicht von einem schlechten Spiel der Sechzger reden. Die Karlsruher waren im Pressing einfach derart aggressiv, dass die Sechzger immer wieder zu überhasteten Aktionen im eigenen letzten Drittel gezwungen waren. Diese Aktionen waren dann meist ungenau, so endete das Spielgerät immer wieder viel zu nah am eigenen Strafraum beim Gegner.

Trotz der Überlegenheit der Gäste in puncto Ballbesitz (62% in Halbzeit eins) schafften es die Spieler von Michael Köllner in Halbzeit eins mehr Schüsse abzufeuern als die Gäste. Bärs Chance in der 43. Minute, als er rechts am Tor vorbeischoss, war wohl die beste im Spiel für den TSV 1860.

Der Karlsruher SC war in der ersten Halbzeit optisch überlegen, hatte aber auch keine wirklich zündenden Ideen, wie das Abwehrbollwerk des TSV 1860 München zu überwinden sein könnte. Das 0:0 zum Pausentee geht von daher in Ordnung. Dennoch muss man Bärs nicht genutzter, großer Chance kurz vor dem Halbzeitpfiff ein wenig nachtrauern.

Karlsruhe machte das Spiel, Sechzig verteidigte aufopferungsvoll und konzentriert. Die Nadelstiche saßen leider nicht so wie gewollt.

2. Halbzeit

Abgesehen von den letzten zwanzig Minuten, also der Zeit nach dem Gegentreffer, war die zweite Halbzeit der ersten sehr ähnlich. Mit zwei kleinen Unterschieden: Erstens kombinierten die Karlsruher nun um einiges besser und erspielten sich im Gegensatz zur ersten Halbzeit auch mehrere Schusschancen innerhalb der Box des TSV 1860 München.  Zweitens merkte man den Löwen das viele Hinterherlaufen in der ersten Halbzeit an. Manche Spieler der Sechzger kamen, je länger die Partie dauerte, merkbar an ihre konditionellen Grenzen.

Ob die Gäste ohne Hilfe des offensichtlich berechtigten Elfmeter getroffen hätten? Wir wissen es nicht. Nach dem Führungstreffer der Badener änderte sich das Spiel – leider zu spät. Die Hausherren übernahmen nun, auch weil die Karlsruher es zuließen, die Kontrolle. Karlsruhe verteidigte – teilweise mit zehn Mann – gut das eigene letzte Drittel und probierte seinerseits mit Kontergegenstößen den zweiten Treffer an diesem Abend zu markieren.

Weder den Löwen noch den Badenern gelang es aber, das Ergebnis noch zu verändern. Zu spät begannen die Löwen sich aufzubäumen. Zu gut verteidigten die Gäste. Die Abwehr des KSC ließ fast keine guten Schüsse des TSV mehr zu.

Einzig Talligs Chance in der 76. war nach der Führung der Gäste gefährlich für den KSC. Mit nur zwei wirklich gefährlichen Angriffen über 90 Minuten plus Nachspielzeit ist es schwer, einen höherklassigen Gegner in die Knie zu zwingen. Die einzig andere nennenswerte Chance hatte Lex kurz nach Wiederanpfiff, als er Gersbeck mit seinem Schuss von knapp innerhalb des Strafraums zum Eingreifen zwang.

Fazit des Pokalspiels TSV 1860 – Karlsruher SC

Die Löwen verlieren also gegen den höherklassigen KSC. Ist diese Niederlage verdient? Ja. Das muss man so deutlich sagen. Aber die Sechzger scheiden hocherhobenen Hauptes aus dem Wettbewerb aus.

Als letzter Verein der Stadt, ja des gesamten Freistaats Bayern noch im Wettbewerb gewesen zu sein, macht uns zur Nummer eins in diesem Wettbewerb gegenüber den für uns relevanten Mitbewerbern wie den Seitenstraßlern oder dem Club. Das ist eine einerseits unwichtige, aber andererseits auch schöne Randnotiz, die wir aus der DFB Pokalsaison 21/22 mitnehmen. Nächstes Jahr geht es wieder von vorn los.

Hätte die bayerische Staatsregierung dem TSV 1860 München nicht mit ihren mittlerweile nur noch unverständlichen und aktionistischen Regeln, den Heimvorteil genommen, indem sie die Fans aussperrt, wäre das Spiel mit Sicherheit anders verlaufen. Darüber zu lamentieren, ist aber leider vergebene Mühe.

Was kann man positiv aus der Partie mitnehmen? Wir haben eine stabile Abwehr, die auch gegen Zweitligisten die Null halten kann, falls nicht ein Standardtor (Elfmeter) dazwischenkommt. Dass es ausgerechnet ein Elfmeter war, der zur Niederlage führte, ist tragisch. Aber wer vorn nicht trifft, bzw. sich zu wenige klare Chancen herausspielt, darf sich hinterher nicht wundern, wenn er mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen muss.

Ab jetzt kann sich das Team von Michael Köllner komplett auf die Liga und den Erfolg in derselben konzentrieren. Gehen wir es an! Hoffentlich bald wieder vor Fans. Am Samstag werden in der Betonschüssel am Oberwiesenfeld gegen das Perlacher Projekt die Weichen hoffentlich Richtung Angriff auf die Spitze gestellt.

Datenquelle: Wyscout

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Joerg

Ja schön, der KSC hat unsere Löwen schlicht und einfach ernst genommen, nicht rumgejungelt sondern gradlinig und klar gespielt, wir sind nicht am Elfmeter gescheitert sondern an einem wachen, erfolgsorientierten KSC, leider, aber mehr war unter den Umständen nicht drin, mit 15.000 im Rücken vielleicht, aber so …. 😒