Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse der bitteren aber verdienten 1:2-Niederlage unseres TSV 1860 München gegen den SC Preußen Münster. Im Regen von Giesing konnte der TSV 1860 gegen aggressive Münsteraner nicht stark genug dagegenhalten, um am Ende etwas Zählbares zu verbuchen.

TSV 1860 München – SC Preußen Münster endete mit einer – leider – verdienten Niederlage der Hausherren am Samstag Nachmittag. Dem 4-4-2, das Münster seit der Winterpause in fast allen Spielen zu Beginn auf den Platz stellt, entgegnete der TSV 1860 mit einem 4-2-3-1, bei dem Phillipp Steinhart den verletzten Manfred Starke im defensiven Mittelfeld ersetzte und Michael Glück für Verlaat in die Innenverteidigung rückte.

Münster setzte wie erwartet von Beginn an auf Angriffspressing, ließ damit bis Spielende, wenn sich die Löwen im Aufbau befanden, auch kaum nach, und dominierte so vor allem die erste Halbzeit gegen eine Sechzgermannschaft, die das Positionsspiel von Münster abgesehen von der Schlussphase nach dem zweiten Münsteraner Treffer extrem tief stehend erwartete. Da die Löwen sich kaum derart aus der eigenen Hälfte befreien konnten, dass der jeweilige Angriff gefährlich ins letzte Drittel der Münsteraner vorgetragen hätte werden können, bekam Münster das Heft des Handelns immer besser in die eigenen Hände. Am deutlichsten zeigt sich das am Schussverhältnis – dazu aber weiter unten mehr.

Nachdem Münster in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit in Führung gegangen war und die Sechzger ihrerseits etwa zehn Minuten nach Wiederanpfiff ausgleichen konnten, versetzte Münster den Löwen in der 69. Minute den Todesstoß. Als das 1:2 gefallen war, konnten die Sechzger nicht mehr wirklich nachlegen. Und bis auf eine Chance durch Guttau und einen Alibischuss von Zejnullahu aus etwa 30 Metern kam vom TSV 1860 München im Spiel gegen den SC Preußen Münster in der Schlussphase kein erfolgreicher Abschluss mehr zustande.

Bevor wir uns der Analyse widmen, wie immer zunächst die wichtigsten statistischen Werte des Spiels.

Statistische Werte der Partie TSV 1860 – Preußen Münster

  • Ballbesitz: TSV 1860 50% – SCP 50%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 74% – SCP 79%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 70% – SCP 62%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 7/3 – SCP 13/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860: 11,62 – SCP 6,00

Analyse der Statistischen Werte

Ballbesitz (50% -50%)

Häufig sprechen wir ja über Phasen im Spiel, in denen sich so ausgeglichene Werte unterschiedlich darstellen, diesmal ist dies, was die erste Halbzeit anbelangt, nicht der Fall. Der Ballbesitz war in allen Phasen der ersten Halbzeit zwischen den beiden Teams absolut ausgeglichen. Allerdings war es auch so, dass die Sechzger mit dem eigenen Ballbesitz gegen das aggressive Angriffspressing mit dem eigenen Aufbau etwas überfordert waren und so viele Ungenauigkeiten zu frühen Ballverlusten weit vor dem letzten Drittel der Gäste führten. Während die Sechzger vor der Pause 39 solcher Ballverluste hinnehmen mussten, waren es bei Münster lediglich 19 Ballverluste im Mittelfeld oder dem eigenen letzten Drittel.

Münster hatte also in der ersten Spielhälfte mehr Ballbesitzphasen von kürzerer Dauer und die Löwen längere Ballbesitzphasen, aber insgesamt eine geringere Anzahl derselben.

In der zweiten Hälfte verschiebt sich dieses Bild ein wenig hin zu einem Spiel auf Augenhöhe für beide Teams. Insgesamt waren die Münsteraner aber das giftigere Team und durch diese Aggressivität der Gäste hatten die Löwen, die damit vor allem im eigenen Aufbau immer ein wenig überfordert schienen, nach vorne zu wenig zwingende Aktionen, um mit der momentan leider zu wenig vorhandenen Durchschlagskraft in der gegnerischen Box mehr als nur das eine Tor zu erzielen.

Passgenauigkeit (74% – 79%)

Speziell in der ersten Spielhälfte ließ die Passgenauigkeit der Sechzger stark zu wünschen übrig. Befeuert durch das aggressive Anlaufen der Mannschaft des SC Preußen Münster agierten die Spieler des TSV 1860 München beim Aufbau immer wieder hektisch und verloren so oft schon nach dem auslösenden Pass aus der Abwehrreihe heraus wieder die Kugel an die Gäste. Das führte dazu, dass mit zunehmender Spieldauer immer häufiger lange Abschläge das Mittel der Wahl beim Aufbau wurden. Dieser Weg war aber vor allem deshalb wenig effektiv, weil Münster häufig ein Mittel fand, spätestens den zweiten Ball für sich zu behaupten. Die gute Staffelung der Münsteraner half den Gästen hier immer wieder, das Spiel in die andere Richtung zu lenken und so blieb der TSV 1860 München in der ersten Halbzeit unter Dauerdruck der Preußen, hielt diesem aber bis in die Nachspielzeit, wo Münster dann leider doch traf, gut stand.

In der zweiten Hälfte der Partie veränderte sich die Passgenauigkeit auf Seiten der Löwen positiv. Man verzeichnete zwölf Fehlpässe weniger als der Gegner, spielte genauer und es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch. Ab Wiederanpfiff über den Ausgleich hinweg bis zum erneuten Gegentor in der 68. Minute war der TSV 1860 München leicht im Vorteil.

Nach dem zweiten eigenen Treffer spielte Münster dann abgeklärt, ließ die Kugel in vielen Situationen gut zirkulieren. Auch scheuten sich die Adlerträger nicht, das Spiel beizeiten zu verzögern, indem sie immer mal wieder hintenrum und auf Sicherheit bedacht agierten. Der TSV 1860 fand dann keinen Hebel mehr, um über längere Phasen so in die Partie zurückzukommen, dass Münster wirklich starken Druck hätte aushalten müssen.

Defensive Zweikampfquote (70% – 62%)

Auf den ersten Blick möchte man sofort zu jubeln beginnen. Die im Vergleich zu den letzten Spielen nach oben geschnellte Quote bei den Zweikämpfen gegen den Ball braucht man aber jetzt nicht zu euphorisch beklatschen. Leider muss ich euch enttäuschen, liebe Leser. Grundsätzlich war das natürlich keine schlechte Ausbeute und auch keine schlechte Performance. Allerdings befinden wir uns nach wie vor in der 3. Liga und hier entscheiden oft die Bissigkeit und Aggressivität gegen den Ball. Nach wie vor ist unsere Zweikampffrequenz für meinen Geschmack etwas zu niedrig.

Mit 1,68 Defensivduellen pro Minute gegnerischem Ballbesitztes verbesserten sich die Löwen bei diesem Wert zwar stark, sind aber immer noch nicht da, wo man sein sollte – vor allem dann, wenn der Gegner hauptsächlich im Mittelfeld und im letzten Drittel der Sechzger die Kugel führt. Münster geht hier mit einem Wert von 2,14 geführten Zweikämpfen pro Minute gegen Sechzger, die deutlich seltener ins letzte Drittel der Münsteraner kamen, viel aggressiver zu Werke. Somit ist die bessere Zweikampfquote im Vergleich zur absoluten Zahl das Papier nicht wert, auf dem sie steht.

Am Ende konnte Münster also deutlich mehr Zweikämpfe gegen den Ball gewinnen als die Löwen. Da Münster insgesamt mehr Zweikämpfe geführt hat, ergibt sich lediglich bei der Quote ein schlechteres eigenes Verhältnis zwischen gewonnenen und verlorenen Defensivduellen.

Auch das Stellungsspiel der Münsteraner gegen den Ball war insgesamt besser. Mit 15% mehr abgefangenen Pässen seitens der Gäste hatten die Sechzger auch in dieser Kategorie das Nachsehen und hier tatsächlich in beiden Spielhälften gleichermaßen.

Schüsse/aufs Tor (7/3 – 13/4)

Hier wird das Dilemma der Löwen im Spiel TSV 1860 München – SC Preußen Münster am deutlichsten. In der ersten Halbzeit schossen die Sechzger lediglich ein Mal in Richtung Tor der Münsteraner. Greilingers Schuss aus ca. sieben Metern wurde jedoch geblockt und so zu keiner Gefahr für Schulze Niehues.

Im gleichen Zeitraum feuerten die Gäste sieben Schüsse ab. Damit durchdrangen sie die Abwehr insgesamt sechs Mal. Lediglich der Versuch von Mrowca in der 7. Minute konnte von der Defensive der Löwen abgeblockt werden.

Nach dem Pausentee ergibt sich auch hier wieder ein ausgeglichenes Bild. Beide Teams hatten gleich viele Abschlüsse, mit der etwas höheren Schussgenauigkeit auf Seiten der Löwen. Bei Lakenmachers Versuch in der 68. Minute rettete der Keeper die Münsteraner vor dem zweiten Gegentreffer. Schießt Lakenmacher hier etwas platzierter, gehen die Sechzger vermutlich in Führung.

Hätte, hätte, Fahrradkette… eine gute Minute später versenkten die Gäste die Kugel zum 1:2-Endstand.

Wieder einmal ist es so, dass die bessere Chancenqualität pro Schuss im Schnitt auf Seiten der Sechzger zu finden war, das Glück beim Abschluss jedoch die Gäste hatten.

PPDA (11,62 – 6,00)

Hier haben wir über fast die gesamte Partie bei beiden Teams gesehen, dass das zu Beginn ausgegebene Muster fürs Pressingverhalten beibehalten wurde. Sascha Hildmann hatte mit seinem aggressiven Ansatz das richtige Mittel, damit Münster in der aktiveren Rolle bleibt.

Erst nach dem erneuten Führungstreffer der Münsteraner wurde Sechzig bei den Bemühungen aktiver, das Aufbauspiel der Gäste früh zu stören. Das änderte in der Schlussphase aber nur noch wenig. Münster verlor trotz höherem Pressingdruck der Sechzger die Kugel in der Schlussviertelstunde nur noch ganze drei Mal in der eigenen Spielfeldhälfte und sechs Mal in den sogenannten pressingrelevanten Zonen.

Die Tore

Hier könnt ihr Euch die Tore und weitere Highlights noch einmal ansehen.

Entscheidend war der Treffer zum 1:2 aus Löwensicht durch Bouchema in der 69. Minute.

Die Entstehung dieses Treffers ist mehr als bitter. Zu viele Löwen könnten diesen Angriff nach Greilingers Ballverlust tief in der Hälfte der Münsteraner eigentlich noch unterbinden. Am sinnvollsten wäre möglicherweise ein taktisches Foul gewesen. Kurz bevor der Ball von Mrowca über die Mittellinie getrieben wird, agiert Zwarts zu zaghaft.

Danach kann Mrowca auf die rechte Seite aus Münsteraner Sicht ausweichen und den Angriff mit einem kurzen Abspiel fortsetzen. Weitere zwei Stationen später kommt wieder Mrowca unbedrängt in der halblinken Position etwa 25 Meter vor der Torauslinie in Ballbesitz. Er spielt das Leder steil in die Schnittstelle. Hinter der Abwehrkette der Löwen kommt dann Grodowski an die Kugel, der das Leder verarbeiten kann und Kwadwo entkommt. Grodowski flankt die Kugel ins Zentrum. Dort kommt Batmaz unbedrängt zum Kopfball. Er leitet den Ball weiter zu Böckle, der kurz bevor Schröter stören kann, steil auf Lorenz ablegt. Lorenz’ Schuss kann Hiller, weil Ludewig diesen Versuch des Münsteraner Kapitäns abfälscht, nur mit dem Fuß parieren. Das Leder fällt Bouchema vor die Füße und der schiebt zum 1:2-Endstand ein.

Fehlerkette

Abgesehen von dem möglicherweise klugen taktischen Foul, das begangen hätte werden können, müssen bei diesem Angriff auch andere Spieler der Sechzger entschiedener in die sich bietenden Zweikampfsituationen gehen. Guttau auf der linken Seite hätte zweimal die Chance gehabt einzugreifen. Kwadwo darf Grodowski nicht in seinem Rücken davonkommen lassen. Dass Batmaz im Strafraumzentrum unbedrängt per Kopfball verlängert, sollte ebenfalls nicht passieren. Dass Böckles Vorlage vor dem Schuss von Lorenz zustande kommt, ist aufgrund der starken Verdichtung im Strafraumzentrum noch am geringsten zu bemängeln. Ludewig für den Versuch, Lorenz’ Schuss zu blocken, zu kritisieren, ist nicht nachvollziehbar. Und wer Hiller hier einen Vorwurf macht, der sollte besser die Sportart wechseln…

Das fiel auf

Marco Hiller

Marco Hillers starke Leistung, mit der er die Sechzger vor allem in der ersten Halbzeit in einigen Situationen im Spiel hielt, muss gelobt werden. Mit vier Paraden bei sechs Schüssen, die auf seinen Kasten kamen, und zwei Gegentreffern, bei denen er absolut machtlos war, läuft jede Kritik, die das Torwartspiel betrifft, ins Leere.

Defensive Aggressivität

Die defensive Aggressivität war zwar grundsätzlich vorhanden. Allerdings ist es auch so, dass der Gegner, was die Anzahl der geführten Defensivzweikämpfe betrifft, deutlich im Plus war. Hier müssen es die Sechzger in den verbleibenden Spielen schaffen, nicht unbedingt erfolgreicher, aber giftiger und somit für den Gegner unangenehmer zu werden. Oft kommt, auch wenn man einen Defensivzweikampf verliert, im Anschluss durch eine erfolgreiche Folgeaktion eines Mitspielers gegen den Ballführenden, der dann durch die Aktion zuvor aus dem Rhythmus ist, die gewünschte Balleroberung zustande. Die Zweikampfquote und deren Aussagekraft hängt immer auch mit der Zweikampfintensität gegen den Ball zusammen. Die muss nicht unbedingt höher, aber meiner Meinung nach zumindest gleichwertig sein als die des Gegners. Damit drückt man dann einem Spiel eher seinen Stempel auf, als wenn man da zu passiv ist.

Durchsetzungsvermögen in der gegnerischen Box

Bei 31 in die gegnerische Box gespielten Bällen seitens der Löwen konnten die Sechzger dort lediglich vier Ballkontakte im Zentrum vor dem Kasten der Münsteraner verwirklichen. Keinen einzigen davon im Fünfmeterraum. Das ist in leider zu wenig und mit ein Grund, warum die Chancenhäufigkeit dem Durchschnittswert in der Liga hinterherhinkt.

Chancenqualität

Die Chancenqualität dagegen ist zu loben. Leider haben wir hier oft nicht das Quäntchen Glück, um den ein oder anderen Treffer mehr zu erzielen. Könnten die Sechzger pro Spiel im Schnitt zwei Chancen mehr mit gleicher Durchschnittsqualität herausspielen, muss man davon ausgehen, dass keines der letzten drei Spiele verloren worden wäre.

Fazit

Am Ende haben die Sechzger verdient verloren. Vor allem deshalb, weil die Aggressivität gegen den Ball nicht auf dem Level war, mit dem man einer Mannschaft wie Münster in der derzeitigen Form begegnen muss. Und auch weil im Spiel nach vorne die rar gesäten Möglichkeiten, die sich bieten, zu oft vergeben werden, oder wegen fehlender Präzision beim letzten Pass gar nicht erst zustande kommen.

Es fehlt offensiv bei manchen Spielern die Ruhe und Abgeklärtheit. In manchen Situationen gegen den Ball fehlt die nötige Giftigkeit ohne gleich unfair zu spielen. Man sollte vielleicht auch darüber nachdenken, ob nicht das ein oder andere kleine Foul mehr, vor allem im Mittelfeld, gezogen werden sollte.

In den letzten drei Spielen haben die Gegner rund 30% mehr Fouls auf dem Konto als unsere Sechzger. Bei insgesamt 18% weniger Ballbesitz als der Gegner in diesen drei Spielen bedeutet das, dass unsere Sechzger 50% seltener Foul pro Minute gegnerischem Ballbesitzes spielen als die Gegner im Schnitt. Ich will nicht zu einer absichtlich unfairen Spielweise aufrufen – das liegt mir fern. Etwas mehr Härte täte den Löwen in manchen Situationen jedoch sicherlich gut, um sich etwas mehr Respekt beim Gegenspieler zu verschaffen. Am Ende der Saison die Fairnesstabelle anzuführen, schaut zwar gut aus, ist aber irrelevant.

Jetzt haben unsere Löwen zwei Wochen Zeit, um sich wieder aufs Gleis zu stellen. Hoffen wir, dass sich das Lazarett in der Defensive bis dahin lichtet. In Freiburg wieder mit voller Kapelle anreisen zu können, wäre wünschenswert, um dort wichtige drei Punkte gegen erstarkte Breisgauer zu holen.

Datenquelle: Wyscout

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_Flin_

Man hatte in den letzten Spielen den Eindruck, als hätten sich die Gegner zunehmend auf den neuen Spielstil eingestellt.

Gefühlt wurden deutlich mehr Passwege zugestellt und Pässe abgefangen als zu Beginn des Jahres.

Aber Auch die Passqualität liess zu wünschen übrig. Da fallen mir auf Anhieb vier Stück aus vielversprechender Position ein, von Greilinger nach Dribbling von aussen in die Mitte, Lakenmachers Steilpass auf Nankishi und einer von Schröter, und dann noch der Pass in den Rücken von Zwarts.

Wenn wir unsere vielversprechenden Situationen selbst vergeigen, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir zu wenig Chancen haben.