Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse der unnötigen und unverdienten Niederlage unseres TSV 1860 München gegen den SSV Ulm 1846. Eine unnötige rote Karte, ein nicht gegebenes Tor und ein Last-Minute-Treffer der Gäste besiegeln die erste Niederlage im Jahr 2024.

TSV 1860 München gegen den SSV Ulm war die erwartet enge Partie und endete mit einer zum Schluss unglücklichen Niederlage für die Sechzger. Die erwartungsgemäß im 3-4-3 antretenden Spatzen kamen sehr aggressiv und mit klarem Anspruch zur Dominanz ins Sechzgerstadion. Die Löwen wurden von Argirios Giannikis hingegen im 4-4-2 ins Spiel geschickt und standen im Vergleich zu den Gästen tiefer gegen das Positionsspiel. Außerdem versuchten sie durch Ballgewinne im Mittelfeld Umschaltsituationen zu kreieren, mit denen man schnell hinter die Kette kommen wollte, um dann wiederum Eins gegen Eins-Situationen zu kreieren.

Standardsituationen dominierten die Begegnung seitens der Gäste, wenn es um Ballkontakte in der Box ging. Die Sechzger kamen meist über die Halbräume in den gegnerischen Strafraum und von dort nie wirklich gut in die Zentrale des Strafraums. So ergaben sich nur wenige gute Möglichkeiten. Und wenn, endeten diese Situationen mit falschen Entscheidungen seitens des ballführenden Spielers, sodass die Null bei den geschossenen Toren am Ende kein Resultat fehlender Qualität insgesamt, sondern falscher individueller Entscheidungen ist.

Bevor wir zur genaueren Analyse kommen, hier die statistischen Werte der Partie TSV 1860 München – SSV Ulm.

Statistische Werte des Spiels TSV 1860 – SSV Ulm

  • Ballbesitz: TSV 1860 40% – SSV 60%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 77% – SSV 83%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 58% – SSV 66%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 6/4 – SSV 14/2
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 8,94 – SSV 3,58

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz (40%:60%)

Diesmal können wir nicht davon sprechen, dass die Gäste viel ineffektiven Ballbesitz in der eigenen Defensivabteilung gehabt hätten. Die Ulmer versuchten zügig nach vorne zu spielen, wenn sie sich im Positionsspiel befanden. Das gelang in den meisten Situationen auch so, wie die Gäste sich das vorstellten. Mit 40% mehr durchgebrachten Positionsangriffen war zwischen den Strafräumen ein klares Übergewicht des Tabellendritten auszumachen.

Allerdings gelang es den Sechzgern, die Gäste auf den Flügeln zu halten. So konnte Ulm nur selten die für sie typische Gefahr aus dem Zentrum mit progressiven Pässen in den Achter- und Zehnerräumen aufs Feld bringen. Daraus resultierende Flanken führten zwar einerseits zu wenig Schüssen, aber auf der anderen Seite am Ende zu vielen Eckbällen für die Gäste.

Die Mannschaft des TSV 1860 München spielte ihre Angriffe meist aus Umschaltsituationen heraus, in letzter Konsequenz aber im Mittelfeld bzw. beim Eindringen ins letzte Drittel zu unpräzise, um dauerhaft Druck aufs letzte Drittel und die Box des SSV Ulm zu entwickeln oder sogar über längere Zeit aufrechtzuerhalten.

Passgenauigkeit (77%:83%)

Die leichte Diskrepanz dieses statistischen Wertes ist der schlechten Performance der Sechzger bei langen Bällen geschuldet. Dass man danach leider auch selten den zweiten Ball erobern konnte, führte am Ende des Tages dann zu einem Spiel, in dem die Gäste zwar die Feldüberlegenheit hatten, aber in der Effektivität und von der Qualität der Chancen her nicht wirklich besser waren als die Hausherren.

Dass die Ulmer bei den zweiten Bällen im eigenen letzten Drittel dominanter agieren konnten als die Löwen, ist meiner Meinung nach ein wenig deren 3-4-3 System geschuldet. In der Rückwärtsbewegung im Mittelfeld ist dieses etwas breiter als das, was vom Gegner offensiv nachrückt. Darum sind die Wege zum abgewehrten Ball aus den meisten Positionen kürzer.

Sehen wir uns insgesamt bei beiden Teams die Quote bei allen progressiven Pässen an (also den Pässen für effektiven Raumgewinn), liegen die Mannschaften hier lediglich einen vernachlässigbaren Prozentpunkt auseinander. Die Sechzger haben hier in der absoluten Rechnung drei Pässe mehr an den Mann gebracht als die Gäste.

Ein weiterer Punkt, wo beide Teams ineffektiv im Passspiel waren, sahen wir bei den Versuchen vor der Box vom Flügel ins gegnerische Zentrum zu kommen. Das Stellungsspiel der beiden Mannschaften in diesen Bereichen war gut organisiert und schlecht zu durchdringen.

Defensive Zweikampfquote (58%:66%)

Auf den ersten Blick könnte der ein oder andere nun meinen, dass Ulm die Sechzger defensiv im Sack hatte. Allerdings ist das klar zu kurz gedacht. Bei Balleroberungen durch Zweikämpfe ist zwar grundsätzlich eine höhere Quote wünschenswert. Schauen wir uns aber an, wie die Balleroberungen insgesamt zustande kommen, sehen wir wieder einmal ein deutliches Übergewicht bei den abgefangenen Pässen zugunsten der Sechzger.

Wie kann das sein, wenn doch die Passgenauigkeit des SSV Ulm um 5% besser war als die des TSV 1860 München? Das hat mit der insgesamt höheren Anzahl an gespielten Pässen seitens Ulm zu tun.

Sehen wir uns lediglich die Zweikampfquote der Sechzger im eigenen letzten Drittel an, verbessert sich dieser Wert wieder deutlich. Im eigenen letzten Drittel gewann Sechzig zwei Drittel der Zweikämpfe gegen den Ball bei nur einem einzigen verlorenen in der eigenen Box am Boden. Luftduelle verloren die Sechzger lediglich drei in der eigenen Spielfeldhälfte. Leider Gottes führte trotzdem ein Kopfball zum Gegentreffer.

Im letzten Drittel der Ulmer sehen wir ein ähnliches Bild mit einer leicht positiven Verschiebung für Ulm am Boden, aber deutlichen Vorteilen für die Sechzger in der Luft. Dass aus dieser Lufthoheit kein Kapital geschlagen werden konnte, lag auch an der fragwürdigen Entscheidung vor dem nicht gegebenen Tor der Löwen.

Schüsse aufs Tor (6/4:14/2)

Mehr Schüsse,  weniger Schussgenauigkeit und insgesamt eine deutlich schlechtere Chancenqualität pro Schuss für die Gäste stehen weniger Schüsse mit im Schnitt guter Chancenqualität – nur leider auch deutlichem Versagen im Abschluss – für die Hausherren gegenüber.

Die Chancenqualität pro Schuss der Gäste lag bei 0,08, die Hälfte der Schüsse der Ulmer wurde von der Sechzger Defensive geblockt. Bei nur zwei Schüssen, die aufs Tor gingen, ging allerdings auch leider der per Kopf abgegebene Versuch Rösers in der Nachspielzeit hinein.

Sechs der Schussversuche Ulms resultierten aus strafraumnahen Standardsituationen. Von den restlichen acht Schüssen der Spatzen erfolgten sechs von außerhalb des Strafraums der Sechzger.

Aus dem Spiel heraus waren die Sechzger, was Schüsse in der gegnerischen Box angeht, sogar mit 4:2 im Vorteil. Das wirkt sich natürlich dann auf die Chancenqualität aus.

Die durchschnittliche Chancenqualität der Sechzger lag mit 0,16 doppelt so hoch wie bei Ulm. Vier Schüsse der Sechzger gingen aufs Tor der Gäste. Die beste Chance mannschaftsübergreifend im Spiel versemmelte Kwadwo beim Stand von 0:1 leider aus vier Metern. Blocken konnten die Ulmer keinen der Schüsse der Löwen.

Am Ende können wir uns diesmal von der besseren durchschnittlichen Chancenqualität nichts kaufen. Aber für die weiteren Spiele ist dies ein guter Fingerzeig, dass die Sechzger sich nach wie vor vor keinem Gegner verstecken müssen. Wenn die Leistung weiterhin in dem Maß auf den Platz gebracht wird, werden wir Fans am Ende häufiger jubeln als die der kommenden Gegner.

PPDA (8,94:3,58)

Keine Überraschung gibt es bei der Analyse der Pressingintensität. Der SSV Ulm 1846 spielte mit permanent hohem Druck aufs Aufbauspiel des TSV 1860 München, während die Löwen mit im Raum gespielter Angriffssteuerung gegen die Spatzen einen anderen Ansatz wählten.

Beide Teams konnten ihren Defensivplan gut umsetzen und vergleicht man die Zonen, wo jeweils die meisten Balleroberungen erfolgten, ist das mit dem Pressingverhalten beider Teams kongruent. Die Sechzger holten sich die meisten Bälle im eigenen letzten Drittel zurück, während Ulm die Balleroberungen schon meist im Mittelfeld durchführen konnte.

Das Gegenpressing nach diesen Ballverlusten im Mittelfeld war leider seitens der Löwen zwar vorhanden, aber nicht so effektiv wie noch in so manchem Spiel zuvor.

Am Ende spiegeln die Zahlen der PPDA genau das wider, was man im Spiel gesehen hat.

Das Tor

Hier gibt es das Tor und weitere Highlights noch einmal zur Begutachtung.

Nach einer Ecke von der rechten Seite aus Sicht der Ulmer kommt Röser frei zum Kopfball und versenkt die Kugel in die Maschen des Löwentores.

Ob zuvor ein Foul an Michael Glück vorlag, kann ich nicht zweifelsfrei beurteilen; dafür fehlen mir leider richtigen Bilder.

Was allerdings aus meiner Sicht klar ist – und das hat mit dem zuvor nicht gegebenen Treffer durch Verlaat zu tun – ist, dass, wenn der Block gegen Gaal von Ouro-Tagba ein Foul gewesen war, ist das Umrennen von Glück ebenfalls eins.

Die Linie hat hier bei den Entscheidungen nicht gestimmt.

Seis drum. Zu ändern ist es jetzt nicht mehr.

Das fiel auf

Rot

Eine unnötige rote Karte für Frey, die im ersten Moment für mich aus der Entfernung nach klar rotwürdigem Foul aussah, aber nach erneuter Betrachtung im Fernsehen möglicherweise auch mit Gelb hätte bestraft können (warten wir ab, was Babak Rafati dazu sagt) lässt das Spiel, was den Ballbesitz und Feldüberlegenheit anbelangt, nachdem in der zweiten Halbzeit bis dahin zunächst die Sechzger tonangebend waren, zu Gunsten der Ulmer kippen. Aber selbst nach dem Platzverweis verteidigten die Sechzger weiterhin gut und ließen danach lediglich drei Schussversuche der Ulmer zu.

Mannschaftsleistung

Vor allem gegen den Ball konnte man bis auf eine Situation wieder voll und ganz zufrieden sein. Dass der Gegner generell zu Abschlusschancen kommt, ist in einem Fußballspiel – und vor allem bei der Leistungsdichte in Liga 3 – normal.

Dass es der Mannschaft allerdings in jedem Spiel gelingt, selbst die qualitativ besseren Chancen herauszuspielen als der jeweilige Gegner, ist sehr erfreulich und sollte jeden Löwenfan mit Optimismus in die Zukunft schauen lassen.

Die Schiedsrichterleistung

Immer wieder ist dieses ein leidiges Thema. Ich bin im Normalfall kein Freund von Schiedsrichterkritik, vor allem nicht in der Art und Weise, wie sie in den sozialen Medien geführt wird. Aber zu einigen Entscheidungen in dieser Partie möchte ich doch gerne die Analyse von Babak Rafati wissen. Ich bin gespannt, was er zum Spiel der Löwen sagen wird.

Fazit zur Niederlage des TSV 1860 gegen den SSV Ulm

Zum Spiel TSV 1860 München – SSV Ulm 1846 war von vielen in den Netzwerken kommentierenden Fans zu lesen, Mund abwischen, weitermachen. Ich denke, das kann man diesmal so unterschreiben. Der Trend wurde grundsätzlich weiter fortgesetzt.

Wir sehen qualitativ hochwertige Chancen, diesmal nur leider ohne Erfolg dabei. Des Weiteren erkennen wir eine klare Handschrift, wie die Mannschaft spielen soll. Obendrein sind bei Angriffen gute Muster, denen in manchen Momenten ein wenig die Präzision oder die Feinabstimmung fehlt, zu erkennen und wir sehen gegen den Ball gute Staffelungen, die es den Gegnern in ihren Bemühungen immer wieder schwer macht, das, was sie gefährlich macht, aufs Feld zu bringen.

Alle Fans sollten positiv und optimistisch in die Zukunft blicken. Es sind noch zehn Spiele und somit 30 Punkte zu vergeben, viele davon sollten nicht mehr auf der Strecke bleiben, wenn sich die Mannschaft weiter so entwickelt.

Datenquelle: Wyscout

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_Flin_

Was ich am Samstag gesehen habe – den Ärger über das Ergebnis mal aussen vorgelassen – war ein technisch hochklassiges Spiel. Richtiger Fussball. Technisch anspruchsvoll. Taktisch interessant.

Mit einem glänzend aufgelegten Ouro Tagba und einer tollen Leistung der Löwen. Nicht belohnt, wobei ein Unentschieden gerecht gewesen wäre, u.a. wegen des zu Unrecht nicht gegebenen Tores.

Klar, Fussball ist ein Ergebnissport. Aber so ein Spiel zu liefern, gegen einen qualitativ starken SSV, der mit breiter Brust, Selbstverständnis und Können spielte (und einem hervorragenden Torwart), da braucht man nicht den Kopf hängen lassen.

War eine starke Leistung, trotz des Ergebnisses.

juergen

Baback Rafati ist im Streß 🙂
gleich 6 Szenen zu begutachten…
Fazit Verlaat hat doch getroffen und Frey kein Rot

Seis drum 😉

Stefan Kranzberg

Beim Tor sehe ich es auch so, aber Rot kann man m.E, schon geben. Kurt hätte auch fliegen müssen. Ein seltsames Spiel…

juergen

lustigerweise hab ich das im Stadion auch so empfunden wie Rafati.
Da ist mir der Gegenspieler auch “zu schnell” aufgestanden…
Dafür das sonst eher einer auf sterbender Schwan gemacht wurde 😉

KaiKiste1860

Aus meiner Sicht im Block O der Stehhalle, mit welcher Wucht Frey in den Zweikampf gegen Scienza geht, erster Eindruck, rote Karte durchaus berechtigt, der Schiri hat keine Zeitlupe, keinen VAR. Die Ulmer Bank springt auf, setzt den Schiri dadurch unter Druck. Rafati kann das wie wir anhand der Fernsehbilder später halt besser auflösen, trotzdem bin ich für Tatsachenentscheidungen! Das der Schri Bauer bei beiden Toren einen unterschiedlichem Massstab bei den Zweikämpfen ansetzte war ersichtlich, es gingen jeweils Spieler zu Boden.