Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 München gegen den SV Wehen Wiesbaden. Worauf müssen wir uns gegen den Zweitligaabsteiger aus Hessens Hauptstadt einstellen?

Der TSV 1860 und der SV Wehen Wiesbaden treffen mittlerweile zum fünfzehnten Mal in der zweiten oder dritten Liga aufeinander.

Wiesbadens Trainer Nils Döring ist seit Ende Juni dort im Amt und lässt seine Mannschaft in einem sehr kompakten 3-4-2-1 spielen, das gegen den Ball auf der letzten Linie meist asymmetrisch zu einem 5-4-1 verschoben wird.

Mit zwar bisweilen hoch gesetzter Pressinglinie, aber der Idee, den Ball im Raum zu erobern, agiert Wiesbaden eher passiv, wenn der Gegner im Ballbesitz ist.

Generell ist die Linienwahl der Wiesbadener durchaus variabel. Selten steht der SVWW jedoch höher als mittig, um gegnerische Positionsangriffe zu erwarten. Wenn Wiesbaden hoch presst, passiert das teilweise, um selbst den Rhythmus des Spiels wieder unter Kontrolle zu bekommen, falls der Gegner auf die kompakte Defensive über einen zu langen Zeitraum hohen Druck ausüben konnte.

Im Gegenpressing ist Wiesbaden meist aggressiv und unangenehm.

Bevor wir auf die genauere Spielweise der Hessen kommen, wie gewohnt die statistischen Werte des kommenden Gegners.

Statistische Werte des SV Wehen Wiesbaden

  • Ballbesitz: 46%
  • Passgenauigkeit: 80%
  • Defensive Zweikampfquote: 63%
  • Flankengenauigkeit: 39%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 12,63 (19. Platz)

Wie spielt Wiesbaden?

Gegen den Ball

Beginnen wir mit der Defensive der Wiesbadener, denn darauf fußt die taktische Herangehensweise der Hessen. Das System 3-4-2-1 wird bei Wiesbaden eher defensiv ausgelegt und mit zwei Außenverteidigern auf den Flügelpositionen im Mittelfeld bestückt.

Gegen das Positionsspiel des Gegners formiert sich die Dreierpressingreihe der Wiesbadener meist mittig bis leicht tief stehend, wobei die beiden offensiven Mittelfeldspieler die Außenpositionen abdecken. Das Pressing der Hessen ist großteils darauf ausgelegt, die kurzen Pässe ins Mittelfeld zu verhindern. Wenn der SV Wehen Wiesbaden direkt anläuft, dann wie weiter oben geschildert, um den Rhythmus der Partie etwas zu seinen Gunsten zu verändern – und natürlich bei diversen Szenarien, die Rückstände beinhalten.

Überspielt der Gegner die Pressinglinie und dringt nachhaltig ins Mittelfeld durch, formiert sich eine ballfern asymmetrische 5-4-1 Formation, bei der die ballnahe Mittelfeldaußenposition von einem der beiden offensiven Mittelfeldspielern übernommen wird. Ballfern kippt der Mittelfeldaußenspieler nicht ab, das lässt dem zweiten offensiven Mittelfeldspieler gewisse Freiheiten im Defensivverhalten.

Auf dem Feld sieht das dann aus wie ein 4-5-1-oder 4-4-1-1.

Ein Risiko bergen die horizontalen Verschiebungen der Dreierkette. In gewissen Schnittstellen könnten zu breite Abstände entstehen.

Im Gegenpressing nach Ballverlust geht Wiesbaden deutlich aktiver zur Sache. Mit viel Einsatz in solchen Momenten geht die Kugel nach Ballverlusten selten ohne Gegenwehr endgültig in den Besitz des Gegners über.

Bei Ballbesitz

Im Positionsspiel versucht Wiesbaden über die gesamte Breite des Feldes wuchtig und schnell vorzudringen. Schnell aus der Zentrale auf die Flügel ausgelöste Angriffe finden in der Zone zwischen Mittellinie und Anfang des gegnerischen letzten Drittels meist den Weg auf die Halbposition, von wo die Penetration der Box gern durch die Zentrale oder Halbzentrale eingeleitet wird. Mit einer ballfern asymmetrischen 4-3 Formation oder einem engen 4-3 im letzten Drittel des Gegners kann sich Wiesbaden oft druckvoll festsetzen.

Im Umschaltspiel wirken die Wiesbadener sehr explosiv, zielstrebig, aber auch dann und wann etwas ungenau, was dem Angriff das Tempo nehmen kann.

Wie kann man Wiesbaden knacken?

Es wird vermutlich im Positionsspiel sehr zäh für die Mannschaft des TSV 1860 München gegen ein Kompaktes und robustes Wiesbaden.

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz wird die Kardinalsfrage für das Gelingen des Offensivspiels lauten: Wie gut können wir zwischen den Linien der Wiesbadener agieren?

Was bedeutet das? Mit Hilfe von gutem Kombinationsspiel in den Halbräumen und im Zentrum muss dort durch Bespielen der Zwischenräume der beiden defensiven Ketten vor der Box Tiefe für schnelle Spieler, die hinter die letzte Linie vorstoßen sollen, geschaffen werden.

Die Brechstange – sprich: Flügelspiel mit hohen Flanken – wird am Samstag vermutlich wenig Früchte tragen. Da durch die Art der defensiven Verschiebungen auf beiden Flügeln immer die Option zum Doppeln offen bleibt, ist das Durchkommen dort nicht einfach.

Im Umschaltspiel kann gegen Wiesbaden trotz der Giftigkeit, die der SVWW dort an den Tag legt, mehr klappen als im Positionsspiel. Aber speziell gegen im Stellungsspiel kompakt und diszipliniert agierende Mannschaften wie Wiesbaden ist das auch nicht gerade leicht.

Gegen den Ball

Wenn der SV Wehen Wiesbaden das Spiel schnell macht – und das wird nach dem auslösenden Pass in den meisten Fällen der Plan der Hessen sein – gilt es vor allem den offensiven Verschiebungen im Mittelfeldzentrum im Stellungsspiel nicht auf den Leim zu gehen. Solange das Zentrum defensiv stabil bleibt, wird sich Wiesbaden schwer tun. Denn auf den Flügeln fühlen sich die Hessen im letzten Drittel des Gegners nicht unbedingt wohl. Trotz des recht häufigen Auslösens von Angriffen über die Flügel sind Flanken bei Wiesbaden nicht unbedingt das Mittel der Wahl, um sich in den Strafraum hineinzuspielen.

Das breite, abwartende Spiel vor dem Strafraum des Gegners beherrschen die Wiesbadener zur Vorbereitung der Strafraumpenetration ebenso wie früh im Angriff durchgeführte präzise Flankenwechsel aus Verdichtungen heraus, die dem Adressaten meist viel Raum vor sich verschaffen.

Das Umschaltspiel der Wiesbadener ist in jeder Zone des Spielfelds auf schnellen Raumgewinn und darauf schnell in Schussposition zu kommen angelegt. Fast die Hälfte der Umschaltangriffe des SVWW gelangt bis ins gegnerische letzte Drittel. Das bedeutet für unsere Sechzger, dass vor allem im Gegenpressing nach Ballverlusten die Aktivität im Duell um den Ball und Gier, dieses zu gewinnen, hoch sein muss.

Stärken und Schwächen des Systems 3-4-2-1

Stärken

In dieser defensiven Grundaufstellung liegt das Zentrum sprichwörtlich im Mittelpunkt. Dieses Zentrum undurchdringlich zu nennen, ist vielleicht etwas zu viel des Guten, aber wenn eine Mannschaft den dahinter stehenden Defensivplan verinnerlicht hat, sicherlich nah dran.

Durch die schnelle Verschiebung der beiden Außenverteidiger nach vorne, entstehen im Offensivspiel schnell viele Passdreiecke, die dem Kombinationsspiel im Aufbau zuträglich sind.

Schwächen

Mit nur drei bis vier offensiv ausgerichteten Spielern fehlt in diesem System häufig die Überrumpelung, sofern die Defensivspieler nicht wirklich aktiv nach vorne mitwirken. In der Offensive kann es wegen der Eindimensionalität auf dem Flügel zu Ermüdungserscheinungen kommen. Gegen den Ball sind vor allem fehlerhafte Verschiebungen Ursache von Problemen.

Schlüsselspieler

Tor

Der 30-jährige erfahrene Keeper und Kapitän der Wiesbadener, Florian Stritzel (#16), hat mit 1,97 m Größe die absolute Hoheit über den Luftraum im Sechzehner. Auch sonst ist der erfahrene Torwart ein sicherer Rückhalt seiner Mannschaft. Leiche Schwächen hat Stritzel auf der Linie.

Abwehr

Sascha Mockenhaupt (#4) ist als zentraler Mann in der Dreierkette sowohl Abwehrchef als auch wichtiges Glied in der Eröffnung. Das Wiesbadener Urgestein mit mittlerweile 288 Spielen für die Hessen gewinnt knapp 70% seiner defensiven Zweikämpfe und ist in der Spieleröffnung meist der Taktgeber im Abwehrverbund.

Mittelfeld

Mit Box to Box Spieler Tarik Gözüsirin (#11), der neben dem Tiefen Sechser Kiomourtzoglou (#14) auf der Doppelsechs spielt, haben die Wiesbadener einen technisch hervorragenden und auch torgefährlichen zurückgezogenen Spielmacher, der auch gegen den Ball sowohl robust als auch mit gutem Stellungsspiel seine Aufgaben gut erledigt. Im Dribbling nur schwer zu stoppen und mit genauen und gefährlichen Pässen nach vorne, spielt Gözüsirin auch sehr mannschaftsdienlich. Drei Vorlagen hat er bereits auf dem Konto.

Sturm

Mittelstürmer Fatih Kaya (#29) hat bereits vier Treffer verbucht, ebenso wie Moritz Flotho (#28). Flotho, der in den ersten vier Saisonspielen als Stammspieler gesetzt war, musste ab der fünften Partie dem von einer Sprunggelenksverletzung zurückkehrenden Kaya den Vortritt lassen. Kaya ist ein wuchtiger Stürmer mit einem guten Torriecher, allerdings manchmal auch leicht übermotiviert.

Fazit

Im Spiel gegen den SV Wehen Wiesbaden ist für unseren wieder erstarkten TSV 1860 München alles drin. Die Hessen, die ein unangenehmes destruktives System spielen, werden uns ein zähes Spiel liefern, bei dem Mannschaft, Trainer und Fans vermutlich einiges an Geduld abverlangt wird.

Mit Schönspielerei holt man gegen Wiesbaden keinen Blumentopf. Schnell, direkt und zielstrebig mit hoher Präzision, um schnell in gute Abschlusspositionen zu kommen, müssen die Löwen ihre Angriffe gegen Wiesbaden vortragen, wenn diese fruchten sollen.

Eine konzentrierte, laufstarke und kämpferische Einstellung auf dem Platz ist natürlich das A und O, um dem Gegner Paroli zu bieten. Wenn unsere Löwen diese Eigenschaften zeigen, ist alles möglich.

So könnte Wiesbaden beginnen

Datenquelle: Wyscout

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