Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel unseres TSV 1860 München gegen Verl. Die Ostwestfalen sind nicht mehr so gut wie vergangene Saison. Sie kämpfen gegen den Abstieg. Mit Abgängen von Spielern wie Janjic, Yildirim oder Ritzka ist das auch nicht verwunderlich.

In welcher Systematik können wir Verl gegen den TSV 1860 München erwarten? Der neue Trainer Michél Kniat ersetzt seit 15.02. Guerino Capretti, der mittlerweile in Dresden eine neue Aufgabe übernommen hat. Er wird seine Mannschaft, wie auch Capretti vor ihm, vermutlich im 4-3-3 auf den Platz schicken. Gegen den Ball verschiebt sich 4-3-3 vom System des Gegners abhängig im Mitteldrittel entweder zu einem 4-4-2 oder zu einem 4-2-3-1. Das Credo des SC Verl ist nach wie vor attraktiver Offensivfußball mit hoch angelegtem Pressing.

Es fällt natürlich auf, dass Schlüsselspieler wie Ritzka, Yildirim oder Janjic fehlen. Yildirim nahm auf der rechten Seite ein ums andere mal die linke Abwehrseite der Gegner auseinander und auch gegen den Ball hatte er eine Zweikampfquote vorzuweisen, die für einen Außenstürmer sehr hoch war. Dem Team fehlen die Abgänge des Sommers sehr, deshalb ist die Mannschaft nicht mehr schlagkräftig genug und muss sich mit dem Abstiegsgespenst herumschlagen. Erschwerend kommt hinzu, dass Verl nach Duisburg die zweitmeisten Tore (50) fängt. Das heißt aber nicht, dass Verl an einem Tag, an dem alles passt, nicht trotzdem den jeweiligen Gegner ärgern könnte.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz: 51%
  • Passgenauigkeit: 79%
  • Defensive Zweikampfquote: 59%
  • Flankengenauigkeit: 32%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,05

Das Spiel des SC Verl

Die Verler haben an ihrem erfolgreichen Spielstil der vergangenen Saison kaum etwas verändert. Der Sport Club setzt darauf, mit viel Ballbesitz den Gegner in der eigenen Hälfte einzuschnüren. Im Vergleich mit der letzten Saison klappt das aber nur ungenügend. Das hat vor allem zwei Gründe. Ob Knieat nun, nachdem das erste Spiel unter seiner Regie mit einer Niederlage endete, etwas ändert, weiß ich nicht. Laut transfermarkt.de ist – wie auch bei seinem Vorgänger Capretti – das von ihm bevorzugte Spielsystem das 4-3-3.

Defensive

Auf den ersten Blick spielen die Verler defensiv ähnlich aggressiv wie letzte Saison im Pressing. Der Wert der Pressingintensität (PPDA) hat sich im Nachkommabereich sogar zugunsten der Verler verändert. Dennoch ist Verl das Team mit der zweitschlechtesten Abwehr. Das hängt damit zusammen, dass der PPDA Wert nicht den Erfolg der Aktionen gegen den Ball in den pressingrelevanten Zonen anzeigt. Einen Wert (PPDA in Abhängigkeit von gewonnenen Zweikämpfen und abgefangenen Pässen in den pressingrelevanten Zonen) könnte ich anhand der Daten, die mir vorliegen nur auf einzelne Spiele, aber nicht auf die gesamte Saison ausrechnen. Bei der defensiven Zweikampfquote sind die Verler im Vergleich zu letzter Saison um siebzehn Plätze gefallen. Man kann also durchaus erahnen, wo das größte Problem im Spiel gegen den Ball liegt.

Auch bei Luftduellen steht Verl im Tabellenkeller. Mehr als 20% aller Gegentore kassiert Verl durch Kopfbälle. Ob das allerdings ein großer Vorteil für den TSV 1860 sein wird, da bin ich mir nicht sicher. Einerseits sind die Löwen selbst nicht unbedingt die Kopfballstärkste Mannschaft in der Offensive, und zweitens ist es bei uns mit der Flankengenauigkeit diese Saison auch nicht unbedingt weit her. Allerdings hat der TSV 1860 in den vergangenen drei Spielen bei diesem Wert stark zugelegt. Gegen Halle, Zwickau und Kaiserslautern liegt die Flankengenauigkeit der Sechzger bei rund 44% und damit knapp 10% über dem zuvor erreichten Schnitt. das ist durchaus gut.

Offensive

Wenn die Verler Offensive jedoch ins Rollen kommt und sie ihr Kombinationsspiel aufziehen können, sind die heutigen Gäste durchaus in der Lage, den Gegnern Paroli zu bieten. Mit 37 Toren liegt Verl im Mittelfeld bei erzielten Treffern. Vor allem Corboz (heute gesperrt) mit seiner Übersicht und Rabihic mit seiner technischen Finesse steuern die variabel vorgetragenen Angriffe des SC Verl effektiv. Der TSV 1860 darf sich keine Konzentrationsschwächen erlauben, sonst schepperts hinten irgendwann.

Zusammenfassend kann man nun über die Verler sagen, dass sie zwar durchaus bemüht sind, die Spielweise der letzten Saison mit frühen Ballgewinnen und hohem Druck auf den gegnerischen Strafraum, weiterzuführen. Dass die frühen Aktionen gegen den Ball nicht funktionieren, hat dies aber bisher meist verhindert.

Stärken und Schwächen des 4-3-3

Stärken: Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante, die Verl auf den Platz bringt – mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor, sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteidigern – entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.

Schwächen: Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnützen können. Die dabei entstehenden Räume befinden sich meist auf den Außenbahnen. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld, Verl versucht dieses Manko mit offensiven Flügelverteidigern, die aufrücken, zu kompensieren.

Schlüsselspieler

Defensive

Leihtorwart Niclas Thiede (#40) kam in der Sommerpause vom SC Freiburg. Er hat dem Verler Eigengewächs Robin Brüseke sofort den Rang abgelaufen. Sehr stark bei der Strafraumbeherrschung und auch in Puncto Reflexe bisher kaum Schwächen offenbarend, liegt seine schlechte Gegentorquote klar an den Spielern vor ihm. Statistisch gesehen hätte er bisher in jedem Spiel einen Treffer mehr kassieren müssen. Man könnte daraus schlussfolgern, er hält alle drei Spiele zwei sogenannten unhaltbare Schüsse.

Die Innenverteidigung ist durch den verletzungsbedingten Ausfall von Daniel Mikic (#4) sehr geschwächt. Seit Mikic fehlt, bekommt Verl pro Spiel ein Tor mehr als mit ihm. Das muntere Wechselspiel bei den Innenverteidigerpaaren hat die Situation nicht verbessert. Einerseits kann man vor keinem Spiel sicher sein, wer auf den beiden Positionen in der Innenverteidigung spielt. Andererseits lebt gerade dieser Mannschaftsteil von Kontinuität und guter Abstimmung untereinander. Wer also ist abgesehen vom verletzten Mikic die Schlüsselspieler in der Innenverteidigung.

Die besten Werte in den individuellen Schlüsselstatistiken auf diesen Positionen haben Cottrell Ezekwem (#3) (ehemals in der 3. Mannschaft der Löwen aktiv) beim Kopfballspiel und abgefangenen Pässen, sowie Frederik Lach (#15) bei den defensiven Zweikämpfen und bei der Passgenauigkeit. Ob einer der beiden jedoch zum Einsatz kommt und dann das Prädikat “Schlüssselspieler” auch verdient, ist unsicher. Ob der Winterneuzugang und altbekannte Spieler an der Grünwalder Straße, Aaron Berzel (#22), eine Rolle spielt, ist ebenfalls offen.

Mittelfeld

Sowohl gegen den Ball als auch im Aufbauspiel der Verler, ist der defensive Mittelfeldspieler Tom Baack (#5) eine wichtige Stütze. Seine statistischen Werte in den für diese Position entscheidenden Kategorien sind, abgesehen von den gewonnenen Kopfballduellen, alle überdurchschnittlich. Defensive Zweikampfstärke gepaart mit hoher Passgenauigkeit und einer für diese Position eigentlich ungewöhnlichen hohen Dribbelstärke, machen Baack offensiv wie defensiv zu einem wichtigen Baustein im Verler Spiel.

Kapitän Maël Corboz (#27) ist normalerweise Dreh- und Angelpunkt in der Verler Offensive. Sein sehr gutes Passspiel, die Geschwindigkeit, wie er sich entwickelnde Situationen erfasst, gepaart mit seinem Tempo sind im Spiel nach vorn Gold wert. Im Dribbling kann er sich jedoch eher selten durchsetzen. Im Spiel gegen den Ball arbeitet er gut nach hinten mit. Defensive Zweikämpfe anzunehmen und auch dann und wann auch eine Grätsche auszupacken gehören bei ihm zum guten Ton. Den Löwen dürfte durchaus zugute kommen, dass der Amerikaner heute gesperrt fehlen wird. Ihn zu ersetzen wird Verl nicht 1:1 schaffen.

Sturm

Elf Vorlagen (Top Wert in der Liga) und drei Treffer hat Kasim Rabihic (#9) bereits zu Buche stehen. Die sturminternen Rotation der jeweils mit ihm im Angriff aufgestellten Spieler, lässt den Beobachter meist schwer sagen, welcher der drei Spieler nun tatsächlich Mittel- oder Außenstürmer ist. Rabihic kann überall im Sturm auftauchen und auch allein eine Defensivreihe auseinandernehmen. Mit Putaro und Akono hat Rabihic zwei gute Abnehmer für seine Vorlagen. Seine extrem hohe Passgenauigkeit führt dazu, dass er im Schnitt zwei Schussvorlagen pro Spiel gibt. Er spielt somit die meisten sogenannten Schlüsselpässe in der dritten Liga. Mit seiner Dribbelstärke und ohne Angst, in direkte Duelle zu gehen, ist er zudem der am dritthäufigsten gefoulte Spieler der Liga. Dieser Spieler ist brandgefährlich und kann, wenn seine Mannschaft defensiv funktioniert, Spiele alleine entscheiden. Ob er das während seiner Zeit bei den Amateuren des TSV 1860 gelernt hat?

Fazit

Der TSV 1860 München hat gegen Verl ganz klar die Chance, drei Punkte zu holen. Mit dem Selbstvertrauen von zwei Siegen im Rücken muss man den Ostwestfalen von Anfang an zeigen, wer Herr im Sechzgerstadion ist – ganz nach dem Motto “Hier regiert der TSV”!

Wenn auf Seiten der Sechzger konsequent gegen den Ball gearbeitet wird und das Pressing – im Raum zur Angriffssteuerung oder Mann gegen Mann zur frühen Balleroberung – funktioniert, kann man auch das gute Offensivspiel der Ostwestfalen im Keim zum Erliegen bringen.

Bei Ballbesitz werden die Sechzger, wenn sie schnell genug spielen, gegen das 4-3-3 vermutlich Räume auf den Außenbahnen finden. Von dort kann, je nachdem wie Verl verschiebt, um die Außenspieler des TSV 1860 zu stellen, entweder mit Flanken oder über Kombinationen ins Zentrum der Box hineingearbeitet werden.

Der Fokus für die Löwen muss ganz klar auf den gegen Lautern und Zwickau gezeigten Tugenden liegen. Offensives Spiel auch gegen den Ball und Einsatzwille sowie Laufbereitschaft, zusammen mit einer hohen Pressinglinie und einer hohen Defensivlinie, um die Räume für Verl so eng wie möglich zu machen, können den Erfolg bringen.

Dass man die Chance hat zu gewinnen heißt nicht zwangsläufig, dass das auch geschehen wird. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Spieler des TSV 1860 München gegen Verl wieder alles dafür tun werden. Mit dem richtigen Matchplan und den richtigen Ideen in der Offensive wird das mit dem Sieg gegen den SC Verl klappen.

So könnte Verl beginnen

 

Datenquelle: Wyscout

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Kassenwart

Super Analyse wieder, Bernd. Was Du zu den einzelnen Spielern des Gegners immer für Info hast.

Warum kann bei denen ‚Brezl‘ eigentlich nicht richtig Fuß fassen?

Joerg

Weil der gute Brezel eher Regionalligaformat aufweist, 3. Liga scheint eine Klasse zu hoch

Joerg

Das muss ich nach heute eigentlich zurücknehmen, einer der besten im Verl Trikot, für ihn hoffe ich mal, daß er seine Leistung stabilisiert